An der Generalversammlung erörtert die Bank auch ihr Verhältnis zur Schweiz. Das Zusammenwohnen ist gerade kompliziert.
Auf der Allmend am Stadtrand von Luzern war am Donnerstagmorgen die Schweiz im Kleinformat zu sehen. Der 20er-Bus nach Horw brachte unzählige gutgelaunte Pensionäre vom Bahnhof zum Messegelände, wo die Generalversammlung der UBS stattfand. Gegenüber der Messehalle bauten Handwerker die Zentralschweizer Frühlingsmesse Luga auf, unterhalb des Pilatus.
Das Zusammenwohnen von internationalem Finanzplatz und der Schweizer Bevölkerung hat meistens gut funktioniert. Doch nun gibt es Streit in der WG Helvetia.
Bundesräte und Parlamentarier stören sich am hohen Lohn der UBS-Spitzenkader, und der Bundesrat will die Bank zu einem Ämtli verdonnern: zur Aufstockung des Eigenkapitals. In den vergangenen Wochen kamen deshalb Gerüchte auf, wonach die UBS überlege, den Hauptsitz ins Ausland zu verlegen, gewissermassen also auszuziehen.
So verkam die GV in Luzern ein wenig auch zum WG-Höck, mit der Frage: Wie funktioniert das Zusammenleben gerade?
Kelleher kommt dem Bundesrat entgegen
Als Erster ergriff Colm Kelleher das Wort. Der Ire ist seit drei Jahren Präsident des Verwaltungsrates. Er sagte: «Der Verlauf der Debatte um regulatorische Fragen wird die Zukunft unseres Unternehmens und des Schweizer Finanzplatzes prägen.» Keine direkte Drohung zwar, aber man merkte: Er will ernst genommen werden. «Ich möchte ganz klar sein», fuhr er fort, «die mögliche Überregulierung in der Schweiz ist ein sehr grosses Risiko für den langfristigen Erfolg der UBS.»
Kelleher zählte auf, welche Bedeutung die UBS für die Schweiz hat: Ein Drittel der Schweizer Haushalte seien Kunden der UBS, mehr als 90 Prozent der Grossunternehmen und 200 000 KMU, mehr als 70 Milliarden Franken an Krediten habe die Bank im vergangenen Jahr gewährt, sie unterstütze 1000 Schweizer Pensionskassen und sei hierzulande der drittgrösste private Arbeitgeber und ein wichtiger Steuerzahler. Zwischen den Zeilen und den vielen Nullen die Botschaft: Ihr könnt nicht einfach so auf uns verzichten.
Dann kam Kelleher der Politik doch noch ein bisschen entgegen. Die UBS unterstütze fast alle Massnahmen, die der Bundesrat vorschlage, sagte er. Etwa die Verschärfung der persönlichen Rechenschaftspflicht oder die Einführung einer staatlichen Liquiditätssicherung. Und der UBS-CEO Sergio Ermotti ergänzte: «Ich bin überzeugt, dass die UBS weiterhin eine wichtige Rolle in der Schweiz und für die Schweiz übernehmen kann.»
Aber es war eine Charmeoffensive ohne Ausdruck. Ohne Lächeln, ohne einmal das Gesicht zu verziehen – abgesehen von Kellehers ab und zu hochgezogener Augenbraue.
Die Credit Suisse verblasst allmählich
Sicher war es zu wenig Charme für einen älteren Latzhosenträger mit Zwirbelbart. «Ich nehme die UBS als Risiko wahr», sagte er zu Beginn der Wortmeldungen. Die Bank weigere sich, weitere Reserven anzulegen, und zahle viel zu hohe Boni aus. «Wenn die UBS wegwill, dann soll sie das machen.» Sein Appell: «Stimmen Sie Nein zu den Vergütungen!» Die Antwort der gut 1600 Aktionärinnen und Aktionäre: Gelächter und Geklatsche. Die Antwort von Kelleher: «Danke für Ihre Leidenschaft.»
Der Mann war nicht der Einzige, der sich über die Zustände in der WG beschwerte. Einer rechnete vor, wie viel ein Durchschnittsbürger arbeiten müsste, um auf den Lohn des UBS-CEO Sergio Ermotti zu kommen. Mehrere kritisierten, dass die UBS ihre Nachhaltigkeitsziele vernachlässige.
Die Aktionäre zeigten sich unbeeindruckt: Sie nahmen den Geschäftsbericht, die Wiederwahl von Verwaltungsrat und Konzernleitung und die Vergütungen mit knapp oder über 90 Prozent an.
Irgendwann trat ein Mann mit Stirnband und langen Haaren ans Rednerpult, eine Art Chris von Rohr mit Schnauz. Er rief zu einer Gedenkminute für die Credit Suisse auf – und beendete sie nach fünf Sekunden. Die Credit Suisse war noch da an diesem Donnerstag. Aber die Erinnerung an sie verblasst allmählich wie jene an die längst ausgezogene Mitbewohnerin.
An der Generalversammlung im Vorjahr dauerte es noch rund drei Stunden, bis über das erste Traktandum abgestimmt werden konnte, weil sich diverse Aktionäre zur Übernahme der Credit Suisse äusserten. Heuer war die ganze Generalversammlung nach etwa drei Stunden beendet.
Diskussionen an den Bistrotischen
Lauter war die Kritik an der UBS beim anschliessenden WG-Essen mit Älplermagronen und Apfelmus. An einem der vielen Bistrotische diskutierten zwei Männer. Ein ehemaliger CS-Aktionär und jetziger «UBS-Zwangsaktionär» sagte, die UBS-Führung sei arrogant. «Sie überlegt sich einen Wegzug? Gut, dann soll sie doch gehen! Aber der Grund für den Erfolg war der Schweizer Boden.» Der Tischnachbar störte sich dagegen am Bundesrat, der den freien Markt schützen müsse, anstatt weitere Regeln aufzustellen.
Immerhin auf eines konnten sich die beiden Männer am Bistrotisch einigen: «Es ist ein Kindergarten», sagten sie.
Voraussichtlich Ende Mai wird der Bundesrat die Eckpunkte für die geforderte Eigenkapitalerhöhung vorlegen. Dann zeigt sich, wie es mit dem Zusammenwohnen in der WG Helvetia weitergeht.