Trump will den Tiefseebergbau starten, um an grosse Mengen wertvoller Metalle zu kommen. Die USA verfolgen geopolitische Ziele. Für die Umwelt könnten die Folgen fatal sein.
Als Donald Trump am Donnerstag ein Dekret verabschiedete, ging es für einmal nicht um Zölle. Sondern um kartoffelförmige Knollen auf dem Boden der Tiefsee. Die USA wollen sich damit im Wettlauf mit China den Zugang zu strategischen Metallen sicherstellen.
Die Knollen sind wirtschaftlich wertvoll, sie enthalten Kobalt, Nickel, Kupfer und Mangan. Alles, was man etwa zur Herstellung von Batterien braucht. Gemäss dem Meeresforschungsinstitut Geomar enthalten die Knollen von manchen Metallen insgesamt mehr, als an Land noch abgebaut werden kann.
Nun will Trump mit dem Abbau der Rohstoffe am Meeresboden beginnen. Doch der amerikanische Vorstoss löst Kritik aus. Es geht um Fragen der internationalen Zusammenarbeit, um potenzielle Völkerrechtsverletzungen, um Auswirkungen auf das fragile Ökosystem der Tiefsee.
Der Bergbau am Meeresgrund ist seit Jahren umstritten. Forschende mahnen, dass der Abbau der Knollen dem Leben in der Tiefsee schaden könnte. Viele Staaten, darunter auch Deutschland und die Schweiz, sprechen sich vorerst gegen Tiefseebergbau aus. Die USA lassen sich indes nicht von Bedenken beeindrucken. Und setzen sich über internationale Regeln hinweg.
President Trump is UNLEASHING America’s offshore critical minerals and resources.🇺🇸 This bold move will:
✅ Strengthen our economy
⚡️ Secure American energy
🚫 Reduce dependence on foreign suppliers
🛑 Counter China’s growing influence over seabed minerals pic.twitter.com/moF9HW2bni— The White House (@WhiteHouse) April 24, 2025
Die USA wollen mit dem Abbau beginnen
Die Rohstoffindustrie und die Regierung Trump sehen in den Knollen einen Schatz, der sich – so ihre Hoffnung – einfach aufsammeln lässt. Und im Gegensatz zum Abbau an Land weder Bohren noch Graben erfordert.
Die Knollen kommen in manchen Gebieten des östlichen Pazifiks dicht an dicht vor, Geomar spricht von durchschnittlich fünfzehn Kilogramm pro Quadratmeter. Nickel, Kupfer und Kobalt machen zusammen etwa zwei bis drei Prozent des Gewichts der Knollen aus.
Aus den Metallen werden Batterien für Elektroautos gemacht, man findet sie in iPhones, Laptops oder Stromspeichern für Solaranlagen. Unternehmen erhoffen sich Zahlungsströme in Milliardenhöhe.
Die von Trump unterzeichnete Verordnung fordert, dass die USA zur weltweit führenden Nation im Tiefseebergbau werden. Und das auch in internationalen Gewässern. Dabei geht es Trump bei seinem Vorstoss insbesondere um China. Denn an Land kontrolliert China die Lieferketten vieler dieser Rohstoffe, die die USA nun am Meeresgrund gewinnen wollen.
Doch eine Entnahme der Knollen könnte ungekannte Folgen haben. Forschende warnen etwa davor, dass beim Abbau aufgewirbeltes Sediment schädlich für Plankton sein könnte. Das könnte den unteren Teil der Nahrungskette beeinträchtigen.
Viele Länder betrachten den Tiefseebergbau mit Vorsicht
In den Tiefen der Meere ist die Artenvielfalt besonders hoch. Die Tiefsee ist noch weitgehend unerforscht, wenig ist bekannt über die Rolle der Knollen im Ökosystem.
Deshalb wollen viele Länder mit dem Tiefseebergbau zuwarten. Sie haben die Verwaltung der Meeresböden in den internationalen Zonen einer Behörde der Uno übertragen, der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA).
Die ISA verteilt Forschungslizenzen an Länder. Und sie arbeitet an einem international geltenden Rechtsrahmen, der einen allfälligen Abbau der Rohstoffe regeln soll. Denn der östliche Pazifik, in dem die meisten Knollen vorkommen, ist internationales Gewässer. Es gehört keinem einzelnen Staat.
Nur: Die ISA hat diesen Rechtsrahmen bisher nicht zustande gebracht. Erst hiess es, er werde im Juli 2023 kommen, doch die ISA konnte die Frist nicht einhalten. Diesen Juli sollen die Verhandlungen nun endlich zu einem Abkommen führen.
Doch Trump ist den internationalen Bemühungen mit der jüngsten Verordnung zuvorgekommen. Er stützt sich dabei auf ein Gesetz von 1980.
Der Vorstoss von Trump stösst auf Kritik. Umweltorganisationen sind empört, Regierungsvertreter finden deutliche Worte. Frankreichs Sondergesandter und Meeresbotschafter Olivier Poivre d’Arvor sagte am Montag laut der französischen Nachrichtenagentur AFP, niemand habe das Recht, die Ozeane zu zerstören. Vor allem nicht jene, über die man keine Hoheitsrechte habe. Der Meeresgrund stehe nicht zum Verkauf.
Ein Sprecher des chinesischen Aussenministeriums sagte am Freitag, die Verordnung verstosse gegen internationales Recht. China fürchtet sich womöglich um seine eigene Position im Wettlauf um die Rohstoffe. Bisher hat das Land die meisten Forschungslizenzen der ISA erhalten.
Wider das Völkerrecht?
Auch die ISA wehrt sich gegen das Vorpreschen der USA. Sie schreibt in einer Mitteilung, die geplanten Aktivitäten würden internationales Recht untergraben. Die ISA zielt darauf ab, mächtige Staaten oder Unternehmen davon abzuhalten, ihre Interessen über die der anderen zu stellen. Es gelte, einseitige Handlungen zu verhindern. «Die einseitige Ausbeutung von Ressourcen, die keinem einzelnen Staat, sondern der gesamten Menschheit gehören, ist verboten.»
Während NGO und Regierungen den amerikanischen Entscheid kritisieren, hoffen die Rohstoffunternehmen auf einen Durchbruch. Die kanadische Firma The Metals Company schrieb am Dienstag, zwei Forschungslizenzen und eine Abbaulizenz bei der zuständigen amerikanischen Ozean- und Atmosphärenbehörde NOAA beantragt zu haben. Das Gebiet im Pazifik, in dem die Firma mit dem Abbau starten will, habe eine Fläche von über 25 000 Quadratkilometern.
Das Rohstoffunternehmen steht im Austausch mit der US-Regierung und hatte zuvor für die Verordnung lobbyiert. Ende März hatte es verkündet, eine Lizenz auf Grundlage der Deep Seabed Hard Mineral Resources Act von 1980 beantragt zu haben – des Gesetzes, auf das Trump nun seine Verordnung stützt.
Following last week’s Executive Order, $TMC’s applications pave the way for America’s return to leadership in this exciting industry.
Read the press release: https://t.co/dHL89R2IVq #deepseabedmining pic.twitter.com/fKP1oH494V
— The Metals Company (@themetalsco) April 29, 2025
Der CEO des amerikanischen Rohstoffunternehmens Impossible Metals, Oliver Gunasekara, schreibt auf Anfrage, Trumps Verordnung wirke sich auf sein Unternehmen sehr positiv aus. «Wir erwarten, 2028 mit dem Abbau zu beginnen.» In kurzer Zeit könnten sie dann grosse Mengen der Rohstoffe fördern: Das Unternehmen schreibt auf der Website, die von ihm eingesetzten Tiefseeroboter könnten alle 3,8 Stunden vier Tonnen Knollen Trockengewicht abbauen.
Die zuständige US-Behörde NOAA bestätigte gegenüber der NZZ: Im Einklang mit den Zielen der Administration Trump sollen nun Anträge für Erkundungen und Genehmigungen möglichst schnell geprüft werden.
Viele Prozesse in der Tiefsee sind noch unverstanden
Die Industrie argumentiert zwar, dass der Tiefseebergbau notwendig sei, um den steigenden Bedarf an Rohstoffen für nachhaltigere Energiequellen zu decken. Sie ist sich aber auch bewusst, dass die Branche mit Reputationsrisiken zu kämpfen hat.
Unternehmen betonen deshalb, dass sie neue Technologien entwickelten, die möglichst wenig in das Ökosystem eingriffen. Impossible Metals etwa arbeitet mit einem Unterwasserroboter, der sich mit einem Abstand über dem Meeresboden bewegt und die Knollen mit einem Roboterarm einsammelt. Damit soll die Oberfläche möglichst intakt bleiben, schreibt das Unternehmen.
Sollte das der Fall sein, blieben dennoch Kritikpunkte bestehen. So etwa der, dass mit dem Abbau der Manganknollen der Lebensraum vieler Spezies verschwinden würde. Forschende sagen, dass auch trotz neuen Techniken unklar bleibe, welche langfristigen Auswirkungen der Bergbau am Meeresgrund habe.
Andrea Koschinsky arbeitet als Professorin für Geowissenschaft an der Universität Bremen. Sie hat an einer Studie mitgearbeitet, die Manganknollen näher untersuchte – und Überraschendes feststellte.
Die Studie, die im Juli im Magazin «Nature Geoscience» publiziert wurde, fand Anzeichen dafür, dass die Manganknollen nicht nur Lebensraum für Meerestiere sein, sondern auch eine chemische Funktion haben könnten: indem sie Sauerstoff produzierten. Nicht durch die übliche Sauerstoffproduktion über Fotosynthese, wie das Pflanzen und Phytoplankton tun. Sondern durch eine chemische Reaktion, eine Elektrolyse, die das Wasser (H2O) in Wasserstoff (H) und Sauerstoff (O2) spaltet und für die es kein Sonnenlicht braucht.
Stimmen die Ergebnisse, würde es sich um eine bisher ungekannte Quelle der Sauerstoffproduktion im Meeresboden handeln. Was würde aber passieren, wenn mit den Knollen diese Sauerstoffquelle wegfiele? Der Sauerstoffgehalt am Meeresboden in Tiefseebecken sei relativ hoch und könne den Verlust durch den Abbau der Knollen ausgleichen, sagt Koschinsky. Es könne aber auch sein, dass manche Mikroorganismen ihren Sauerstoff direkt aus den Knollen aufnähmen.
Noch ist vieles unklar. Die Forschung ist sich uneins über die Ergebnisse der Studie, es gab Kritik am Aufbau und an der Durchführung der Experimente. Auch die ISA schreibt auf Anfrage, es brauche noch weitere Grundlagenforschung. Die japanische NGO Nippon Foundation hat im Januar ein Forschungsprogramm zur Rolle der Knollen bei der Sauerstoffproduktion angekündigt. Die Firma The Metals Company antwortete auf die Studie mit einem widerlegenden Artikel. Er hat den wissenschaftlichen Begutachtungsprozess bisher noch nicht durchlaufen.
Die Debatte um die Studie zeigt: Die Tiefsee ist schlicht noch zu wenig erforscht, um die Auswirkungen des Tiefseebergbaus vollständig zu verstehen. Das wird durch den Faktor Zeit erschwert. Die Tiefen der Ozeane sind stark von Umwelteinflüssen isoliert. Prozesse verändern sich deshalb über lange Zeiträume.
So auch die Metallknollen. Sie bilden sich, indem sich Metalle am Bruchstück einer Muschel oder einem Haifischzahn ablagern – über Millionen von Jahren. Einmal entnommen, fehlen Knollen im Meer also für eine sehr, sehr lange Zeit.