Die Schweiz ist von Polen erstmals zum EU-Finanz- und Wirtschaftsministertreffen eingeladen worden. Die amerikanischen Strafzölle sind das dominierende Thema am informellen Treffen in Warschau.
Regenschirme, Blaulicht und Sirenen beherrschen das für ein halbes Jahr zum EU-Konferenzzentrum umgestaltete Polnische Militärmuseum. Hierhin wurde Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter vom polnischen Amtskollegen Andrzej Domanski eingeladen, um die Schweiz erstmals beim informellen Treffen der EU-Finanz- und Wirtschaftsminister zu vertreten. Polen hat bis Ende Juni die EU-Rats-Präsidentschaft inne. Es ist zudem in der gleichen Stimmrechtsgruppe wie die Schweiz beim Internationalen Währungsfonds und der Weltbank.
Dort werde man sich in einem ähnlichen Kreise aus Europa nach Ostern ja wieder treffen, diesmal in Washington, und vielleicht sei dann alles rund um die US-Strafzölle etwas klarer, hofft Keller-Sutter im Gespräch mit der NZZ. «Die Verunsicherung ist mit Händen greifbar», so fasst sie ihre Eindrücke aus dem ersten EU-Ministertreffen zusammen. Donald Trumps erratische Zollpolitik beherrschte das informelle Treffen in Warschau, bei dem keine Beschlüsse gefasst wurden. Zwar wurden die Strafzölle gegen die EU und die Schweiz am Mittwoch für 90 Tage sistiert. Allerdings gilt weiterhin für Güter aus aller Welt ein Importzoll von 10 Prozent.
Keller-Sutter nahm vor allem an der EU-Wachstums-Diskussionsrunde teil
Dazu kommen im Falle der EU Stahl-, Aluminium- und Autoeinfuhr-Strafzölle von 25 Prozent, wie der EU-Finanzkommissar Valdis Dombrovskis in Warschau zum Auftakt des Treffens klagte. «Wir treffen uns an einem sehr wichtigen Zeitpunkt für den EU- und Weltmarkt, aber auch die Sicherheit», betonte der polnische Gastgeber Domanski und spielte damit auf das Treffen zur Finanzierung der wachsenden EU-Verteidigungsausgaben vom Samstag an, zu dem die Schweiz explizit nicht eingeladen worden war. Vor allem aber gelte es nun, «diese 90-Tage-Frist weise einzusetzen», sagte Domanski. Der amtierende deutsche Finanzminister Jörg Kukies forderte zu Beginn des Austauschs in der erweiterten Euro-Währungsgruppe am Freitagvormittag eine differenzierte Antwort der EU mit allfälligen Gegenzöllen. So sei die EU etwa hochgradig von amerikanischen Digitaldienstleistungen abhängig. Noch aber sei das Glas eher halb voll als halb leer, sagte Kukies.
Vom Prinzip Hoffnung lässt sich auch Keller-Sutter in Warschau leiten. In Warschau nahm sie vor allem an der EU-Wachstums-Diskussionsrunde teil. Dort sei viel über einen Abbau von Finanzmarktregulierungen debattiert worden. In dieser Runde habe sie eine Lanze für Zugang der helvetischen Banken gebrochen, sich aber auch dafür eingesetzt, dass es im Kernbereich des Finanzmarktes, wenn es um das Eigenkapital oder die Liquidität der Banken gehe, keine Deregulierung geben sollte, erklärte die Finanzministerin im Gespräch. Über denselben Themenbereich sprach Keller-Sutter in Warschau bilateral auch mit der EU-Kommissarin für Finanzdienstleistungen, Maria Luís Albuquerque. «Es handelte sich einfach um einen Informationsaustausch», so Keller-Sutter. Solche persönlichen Treffen seien wichtig.
Keine Unterstützung von der EU für die Schweiz
Die EU-Kommission und die EU-Minister haben der Schweiz, die ihre Zollhoheit im Unterschied zu den EU-Mitgliedern bewahrt hat, in Warschau keine Unterstützung signalisiert. «Es ist allerdings klar: Wir sitzen alle im gleichen Boot», sagt Keller-Sutter, «und diese Verunsicherung ist Gift.»
Die Finanzministerin setzt nun vor allem darauf, dass Donald Trump sich weiterhin lösungsorientiert zeigt, wie er dies in dem 25-Minuten-Gespräch vom Mittwoch getan habe. «Das Gespräch war konstruktiv», erzählt Keller-Sutter. Sie habe vor allem auf die hohen Schweizer Investitionen in den USA hingewiesen, immerhin sei man die Nummer vier im Manufacturing-Bereich. Dafür seien Rechtssicherheit und Vertrauen wichtig, darauf habe sie hingewiesen.
Während Keller-Sutter schon unterwegs zum Warschauer Flughafen ist, treten der Gastgeber Domanski und der EU-Finanzkommissar Dombrovskis vor die Presse. Die beiden demonstrieren Einheit und Stärke. «Wir wollen ernsthafte und konstruktive Verhandlungen», sagt der Pole. Die EU werde die Ruhe bewahren, aber ihre Wirtschaftsinteressen verteidigen, sagt Dombrovskis. Zuvor hatte der Lette am Nachmittag EU-Berechnungen präsentiert, die zeigen, dass die USA unter den von Trump angedrohten Strafzöllen bis 2027 weit mehr leiden werden als die EU. «Noch gibt es eine auf international anerkannten Regeln basierende Ordnung», sagt Dombrovskis. Das klingt stark, und dennoch ist es auch ein Hilferuf.