Gute Weinbars sind immer noch eine Seltenheit im Kanton Zürich und nicht immer rentabel zu führen. Im Zentrum Winterthurs versuchen sich nun erfahrene Gastronomen in diesem Segment.
Um 15 Uhr geht es los im «Olo», am Samstag schon um zwölf – wer um diese Zeit Wein trinken möchte, wird leicht einen Platz finden. Wir kamen gute zwei Stunden später und trafen lediglich die Kellnerin in der vor wenigen Wochen eröffneten Weinbar von Winterthur. Ob man mit den frühen Öffnungszeiten einfach einmal etwas ausprobieren möchte? Oder will man mit diesen auch Kaffeetrinker locken? Schwer zu sagen – aber schön, dass sich in Winterthur wieder einmal etwas tut.
Bei der Einrichtung hält sich das «Olo»-Team zurückhaltend. Ausser Tischen, Stühlen, Theke und einer durchdachten Beleuchtung gibt es nicht viel, woran das Auge hängenbleibt. Endlose Weinregale sowie Klimaschränke, in anderen Weinbars selbstverständlicher Teil des Ambiente, fehlen. Es könnte sich, auf den ersten Blick, auch um eine simple Kneipe handeln.
Alte Bekannte der Zürichsee-Gastronomie probieren etwas Neues
Dass es hier aber um Wein und um Essen geht, und das auf beachtlichem Niveau, merkt der Gast nach und nach. Zwei der Inhaber des «Olo», Flavia Hiestand und Markus Burkhard, betrieben früher einmal eine sehr viel ambitioniertere Form der Gastronomie: das «Esszimmer im Jakob» in Rapperswil – das Restaurant mit Fokus auf Bergkartoffeln, vielleicht erinnern Sie sich. Nach denen allerdings suchen die Gäste in der neuen Location vergebens. Stattdessen bieten die Inhaber – auf der letzten Seite der Karte, schon fast versteckt – italienisch klingende Speisen an. Die Seiten davor sind den Weinen und anderen Getränken gewidmet.
Regionalität scheint dabei nicht im Fokus: Unter den offen ausgeschenkten Sorten fanden wir lediglich einen Wein aus der Umgebung, dafür Orange Wine aus der Emilia-Romagna oder spanischen Cava. Und bei den Flaschen ist cooles Unbekanntes ebenso im Sortiment wie das, was Weinfreaks seit Jahren gern bestellen: Champagner von Egly-Ouriet oder Barolo von Roagna. Letzterer bildet mit 198 Franken das Ende der preislichen Fahnenstange.
Champagner glasweise und eine Focaccia zum Start
Unerwartet umfangreich ist die Bierauswahl – wie wäre es mit einem IPA aus dem Baskenland? –, klein, aber durchdacht wirkt das Cocktailangebot. Weil an diesem Abend dann doch noch etliche Gäste kamen, allerdings erst ab etwa 17.30 Uhr, hatte die einzige für den Service verantwortliche Person die Hände voll zu tun, um die Speisenbestellungen aufzunehmen, abzurechnen und Flaschen zu öffnen.
Zunächst hatten wir freilich Champagner bestellt, von Didier Langly, frisch und mit 13 Franken sehr fair berechnet. Winterthur ist halt, was das Preisniveau angeht, nicht Zürich. Für den Cerasuolo von COS, einem modernen Klassiker des sizilianischen Weinbaus, zahlten wir dann noch einmal zwölf Franken. Und für Focaccia mit Puschlaver Mortadella, Stracciatella aus der Region und Pistazien 13 Franken. Köstlich schmeckte sie.
Pasta und Kreativität bestimmen die Speisenauswahl
Es handele sich beim Stil der Küche um einen «neoitalienischen», konnte man in lokalen Medien lesen. Was das bedeuten mag? Rüeblitatar mit Haselnüssen, Chicorée und Ricotta vielleicht, einer der vielen vegetarischen Gänge der Karte. Fleisch kommt nur ausnahmsweise vor – als Hirschsalsiz oder als Ingredienz der Tagliatelle al ragù di salsiccia. Die bestellten wir im Austausch gegen 24 Franken und waren sehr zufrieden. Nur etwas mehr Würzung hätte der Sauce nicht geschadet.
Die Pasta wird übrigens vor Ort produziert, die Focaccia auch. Die Frische konnte man schmecken. Und beim süssen Abschluss, dem Affogato
(9 Franken), merkten wir auf der Stelle, dass es sich nicht um eine Industrieglace handelte, sondern um ein hausgemachtes Produkt. Der Espresso wurde am Tisch in die mustergültig drapierte Glace gegossen: ein wunderbarer Abschluss.
Winterthurer Gastronomie? Immer noch ein Fragezeichen
Dass alles funktioniert mit der neuen Weinbar, hoffen wir also sehr. Selbstverständlich ist das nicht. Individuelle Gastronomie hat es traditionell schwer in der Stadt – so gibt mit der von uns sehr geschätzten «Wein-Punkt» gerade eine andere Winterthurer Weinbar auf (geöffnet noch bis zum 22. März 2025).
Dessen ungeachtet wollen Hiestand, Burkhard und Partner Michael Schädeli nachlegen. In Kürze soll in Oberwinterthur ein Restaurant unter gleicher Leitung eröffnen. Angeblich noch ambitionierter als das «Olo». Ob es da vielleicht auch wieder die Bergkartoffel geben wird?
Auf einen Blick
Adresse:
Olo, Metzggasse 10, 8400 Winterthur
Kosten:
Kalte und warme Speisen kosten zwischen 5 (Oliven) und 25 Franken (Tortellini).
Bewertung:
Küche: 6.5/10, Gastkultur: 7.5/10
Anmerkung: Die Bewertungen orientieren sich an der denkbaren Höchstnote von 10 Punkten. Die Note für die Küche betrifft ausschliesslich die Qualität der Speisen, jene für Gastkultur umfasst sämtliche übrigen Aspekte eines Restaurantbesuchs.