Der Bundesrat möchte die Weltraumtechnik-Firma Beyond Gravity verkaufen. Gegner der Privatisierung sehen in der Firma ein Pfand für den Notfall. Am Montag entscheidet der Ständerat.
Seit Donald Trump wieder Präsident der USA ist, sitzt die Welt hart am Verhandlungstisch. Aber nur wer etwas anzubieten hat, darf überhaupt Platz nehmen und mitreden. Dies zeigen unter anderem die angekündigten Zölle der US-Regierung oder der Knebelvertrag zwischen den USA und der Ukraine: Trump will einem Wiederaufbaufonds für die Ukraine nur zustimmen, wenn er im Gegenzug seltene Erden erhält, die für Technologieprodukte unentbehrlich sind.
Nischenprodukte und industrielle Tauschgüter sind gefragt, besonders für kleine Nationen. Die bundeseigene Weltraumfirma Beyond Gravity gilt als ein solch einzigartiges Gut. Sie ist der letzte Teil von Ruag International, dem zivilen Zweig des Ruag-Konzerns, der nichts mit der Rüstungssparte zu tun hat. In der europäischen Raumfahrtindustrie ist das Unternehmen der viertgrösste Akteur. Es fertigt unter anderem Satellitenwände und die Verkleidung der Spitze der Trägerrakete Ariane 6 für die Europäische Raumfahrtagentur (ESA).
Weil Beyond Gravity über 95 Prozent seines Umsatzes im Ausland macht, will der Bund die Firma verkaufen. Ihm fehlt die rechtliche Grundlage, ein global tätiges Unternehmen zu führen. Die Sicherheitspolitischen Kommissionen der eidgenössischen Räte stimmten dem Verkaufsentscheid Ende 2023 zu.
Gegner des Verkaufs sprechen von strategischem Trumpf
Im letzten Mai kam die Kehrtwende. Ein Vorstoss forderte den Bundesrat auf, die «strategische Dimension» des Unternehmens anzuerkennen – «für die Sicherheit der Schweiz, das Innovationspotenzial unseres Landes und seine industrielle Dynamik». Die Regierung solle den Verkauf überdenken und die «Kontrolle» über das Unternehmen behalten.
Der Bundesrat lehnte dies ab. Beyond Gravity sei nicht sicherheitsrelevant für die Schweiz, da die Firma nichts für die hiesige Armee produziere. Ausserdem seien in den nächsten Jahren Investitionen in der Höhe von 500 bis 600 Millionen Franken nötig. Der Staat habe diese «finanzpolitischen Möglichkeiten» nicht, erklärte Finanzministerin Karin Keller-Sutter. Der Nationalrat liess sich davon nicht beeindrucken: Mit 121 zu 52 Stimmen bei 6 Enthaltungen nahm er den Vorstoss klar an.
An diesem Montag entscheidet der Ständerat über das Schicksal von Beyond Gravity. Die Sicherheitspolitische Kommission stimmte bereits im Oktober für den Verkaufsstopp. Der SVP-Ständerat Werner Salzmann erklärte nach der Kommissionssitzung, dass Satelliten künftig eine Schlüsseltechnologie im Sicherheitsbereich darstellten. Beyond Gravity könne als Schweizer Pfand für ausländische Technologien dienen. «Wir brauchen dieses Fachwissen unter Bundeskontrolle.»
Claude Meier, ehemaliger Chef des Armeestabs und Höherer Stabsoffizier an den Genfer Zentren für Friedens- und Sicherheitspolitik, sieht die Situation ähnlich. Meier betont, dass es «ein eklatanter Mangel an Weitsicht» wäre, wenn der Bund sich von Beyond Gravity trennen würde. Das Unternehmen sei ein wichtiger strategischer Trumpf. In Zukunft werde die Schweiz noch stärker auf technologische Schlüsselkomponenten aus dem Ausland angewiesen sein.
Als Beispiel nennt er den voraussichtlich ab Mai eingeschränkten Zugang zu hochmodernen Computerchips aus den USA. Wirtschaftsminister Guy Parmelin sucht eine Lösung mit Washington. Der Besitz exklusiver Technologien und Kompetenzen wie etwa in der Raumfahrt könne in solchen Fällen als Verhandlungshebel dienen, sagt Meier. Dafür müsse der Bund die Kontrolle über die Firma in irgendeiner Form behalten. Meier schlägt ein Modell ähnlich dem der Swisscom vor. Das Telekommunikationsunternehmen gehört zu 51 Prozent der Schweizer Eidgenossenschaft.
Bund als Eigentümer «völlig ungeeignet», sagt Swissmem
Diametral entgegengesetzt argumentiert Swissmem, der Verband der Schweizer Tech-Industrie. Es gebe in der Schweiz diverse Firmen, die «unverzichtbare Güter» herstellten, teilt der Sprecher Noé Blancpain auf Anfrage mit. «Trotzdem käme der Bund zum Glück nie auf die Idee, sie zu verstaatlichen.» Eine Firma wie Beyond Gravity müsse laufend ein unternehmerisches Risiko eingehen können, um ihre «Unverzichtbarkeit» zu verteidigen.
Der Bund «samt parlamentarischen Auflagen» sei deshalb «völlig ungeeignet» als Eigentümer. Auch eine Mehrheitsbeteiligung wie bei der Swisscom sei keine gute Lösung, da das Geld für Investitionen weiterhin benötigt werde. Dem Staat bringe «ein stagnierendes – und damit mittelfristig scheiterndes – Unternehmen nichts».
Swissmem setzt sich für eine Privatisierung ein, wenn möglich an einen Schweizer Käufer. «Damit sind auch die Bedenken des ESA-Direktors abgedeckt», schreibt der Verband. Anfang Februar meldete SRF, dass der Direktor der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), Josef Aschbacher, die Verkaufspläne des Bundes kritisiere. Im Interview mit der NZZ präzisierte Aschbacher seine Aussagen. Er begrüsse den Verkauf von Beyond Gravity, «solange er unter den richtigen Bedingungen durchgeführt wird», sagte er.
Beyond Gravity leiste exzellente Arbeit. Es sei für die ESA nicht so leicht, eine andere Firma zu finden, die Ähnliches in derselben Qualität anbieten könne. Deshalb sei es für die Weltraumorganisation wichtig, dass die Firma ihre Produktionsstätte und ihren Hauptsitz in einem der 23 ESA-Mitgliedsländer habe.
Ein Vorstoss des FDP-Ständerats Josef Dittli verlangt nun, dass Beyond Gravity «wenn immer möglich» an Schweizer Unternehmen oder Investoren verkauft wird. Laut Bundespräsidentin Keller-Sutter wäre ein Schweizer Käufer der strategische «Idealfall». Tatsächlich gibt es laut Gerüchten ein inländisches Konsortium, das am Kauf von Beyond Gravity interessiert wäre. Spruchreif scheint hier jedoch noch nichts zu sein.