2024 hätte das Jahr sein sollen, in dem erstmals wieder amerikanische Astronauten auf dem Mond landen. Dazu wird es nicht kommen. Dennoch steht das Jahr ganz im Zeichen des Mondes.
Die Weltraumindustrie steht an einem Wendepunkt. In den nächsten Jahren sollen Satellitenkonstellationen mit Tausenden von Satelliten entstehen. Doch es fehlt an günstigen Trägerraketen, um sie ins All zu befördern. Mit seinen wiederverwendbaren Raketen hat SpaceX die Konkurrenz aus dem Markt gedrängt. Das Raumfahrtunternehmen von Elon Musk brachte es im vergangenen Jahr auf 98 Raketenstarts. Der einstige Platzhirsch, die United Launch Alliance, schaffte nur 3. Doch selbst wenn SpaceX seine Kadenz 2024 steigert, kann das Unternehmen die Nachfrage nach Raketenstarts nicht alleine befriedigen.
Das Jahr 2024 könnte eine Entspannung bringen. Sowohl amerikanische als auch europäische Hersteller haben den Start neuer Trägerraketen angekündigt, die günstiger sein sollen als ihre Vorgänger. Damit könnte SpaceX bald ernsthafte Konkurrenz bekommen.
2024 ist auch das Jahr, in dem die Erkundung des Mondes Fahrt aufnehmen soll. Sowohl die USA als auch China haben neue Mondmissionen angekündigt. Sie sollen dabei helfen, eine spätere Besiedelung des Mondes vorzubereiten.
Ein Überblick über die wichtigsten Missionen.
Die Rakete Vulcan Centaur ist erfolgreich zu ihrem Jungfernflug gestartet. Trotzdem ist der Start nur ein halber Erfolg. Der an Bord befindliche Peregrine-Mondlander des amerikanischen Raumfahrtunternehmens Astrobotic Technology verlor kurz nach der Trennung von der Rakete die Orientierung und konnte nicht auf die Sonne ausgerichtet werden. Der Grund dafür sind Probleme mit dem Antriebssystem. Ob der Lander wie vorgesehen am 23. Februar auf dem Mond landen kann, ist deshalb mehr als fraglich.
Die Landefähre hätte im Auftrag der Nasa und anderer Kunden diverse Nutzlasten zum Mond bringen sollen, unter anderem ein Strahlenmessgerät, das die Strahlenbelastung auf der Mondoberfläche untersuchen soll, ein Neutronen-Spektrometer für die Suche nach Wasserstoff sowie ein Nahinfrarot-Spektrometer, das die Feuchtigkeit im Boden und darunter messen soll. Diese wissenschaftlichen Instrumente dienen dazu, eine spätere Besiedelung des Mondes im Rahmen des Artemis-Programms vorzubereiten.
Bei der Vulcan Centaur handelt es sich um eine zweistufige Trägerrakete, die vom amerikanischen Unternehmen United Launch Alliance (einem Zusammenschluss von Boeing und Lockheed Martin) gebaut wurde. Sie soll nach und nach die Delta-IV- und die Atlas-V-Raketen ersetzen, die nicht mehr mit den wiederverwendbaren Raketen von SpaceX konkurrieren können. Die Vulcan Centaur ist damit eine von mehreren Raketen, die 2024 die Vormachtstellung von SpaceX brechen könnten.
Zu den zukünftigen Kunden von United Launch Alliance gehört unter anderem das Unternehmen Amazon von Jeff Bezos. Es möchte in den nächsten Jahren mehr als 3000 internetfähige Satelliten im erdnahen Weltraum aussetzen und ist dafür auf kostengünstige Trägerraketen angewiesen. Amazon hat mit der United Launch Alliance einen Vertrag über 38 Raketenstarts ausgehandelt. Die Zeit drängt. Amazon erhält die Lizenz für die Kuiper-Satellitenkonstellation nur dann, wenn bis zum 30. Juli 2026 die Hälfte der Satelliten einsatzfähig ist.
Nur einen Monat nach der Peregrine-Mission macht sich eine zweite kommerzielle Landefähre auf den Weg zum Mond. Der Nova-C-Lander wurde von der amerikanischen Firma Intuitive Machines entwickelt. Die Nasa hat den Bau im Rahmen des Commercial-Lunar-Payload-Services-Programms unterstützt. Neben fünf wissenschaftlichen Instrumenten der Nasa wird der Lander auch Nutzlasten von anderen Kunden zum Mond bringen. Dazu zählen ein kleiner Rover sowie eine Kamera, die ein Vorläufer eines zukünftigen Observatoriums auf dem Mond sein soll.
Der Start der Landefähre erfolgt mit einer Falcon-9-Rakete von SpaceX. Eigentlich hätte er bereits am 12. Januar stattfinden sollen. Doch das dichtgedrängte Programm von SpaceX hat eine Verschiebung des Starts notwendig gemacht. Das nächste Startfenster öffnet sich Mitte Februar. Sollte der Peregrine-Lander manövrierunfähig bleiben, könnte Nova-C die erste kommerzielle Sonde werden, die weich auf dem Mond landet.
Mit dem Dream Chaser soll ein neuer Raumtransporter in Betrieb genommen werden, der Frachten zur Internationalen Raumstation (ISS) und wieder zurück zur Erde bringen kann. Neben den Versorgungsraumschiffen Progress, Cygnus und Cargo Dragon ist der Dream Chaser der vierte Raumtransporter, der regelmässig für Versorgungsflüge zur ISS eingesetzt werden kann.
Beim Dream Chaser handelt es sich um einen wiederverwendbaren Raumgleiter mit ausklappbaren Flügeln, der vertikal an der Spitze einer Rakete startet, aber horizontal auf einer Landebahn landet. In dieser Hinsicht ähnelt er den Spaceshuttles.
Die Sierra Nevada Corporation hatte den Dream Chaser im Rahmen des Commercial-Crew-Development-Programms der Nasa zunächst für bemannte Flüge zur ISS konzipiert. Dann gab die Nasa aber der Crew Dragon von SpaceX und dem Starliner von Boeing den Vorrang. Die Sierra Nevada Corporation entschied daraufhin, eine Frachtvariante des Raumgleiters zu entwickeln. Die Firma arbeitet aber weiterhin an einer bemannten Variante, die 2026 einsatzbereit sein soll.
Im April soll der CST-100-Starliner von Boeing erstmals zwei Astronauten zur Internationalen Raumstation bringen. Neben der Crew Dragon von SpaceX stünde damit ein zweites amerikanisches Raumschiff für den Personentransport zur Verfügung. Der Starliner bietet Platz für bis zu sieben Astronauten.
Ebenso wie die Crew Dragon ist auch der Starliner aus dem Commercial-Crew-Development-Programm der Nasa hervorgegangen. Über die Jahre hat Boeing mehr als fünf Milliarden Dollar für die Entwicklung des Raumschiffs erhalten. Doch anders als die Crew Dragon, die seit 2020 regelmässig Astronauten zur ISS transportiert und damit die amerikanische Abhängigkeit von Russland beendete, ist der Starliner bis jetzt keine Erfolgsgeschichte.
Bei einem unbemannten Testflug im Jahr 2019 verfehlte das Raumschiff wegen eines Softwarefehlers seine Umlaufbahn. Auf Drängen der Nasa musste Boeing den Testflug wiederholen. Im Mai 2022 dockte der Starliner erfolgreich an die ISS an. Damit steht einem bemannten Testflug nichts mehr im Wege. Dieser hätte bereits im Juni 2023 stattfinden sollen, musste aber wegen Problemen mit den Fallschirmen verschoben werden. Ein erfolgreicher Testflug ist Voraussetzung dafür, dass Boeing ab 2025 regelmässige Flüge zur ISS aufnehmen kann.
Es ist davon auszugehen, dass SpaceX im ersten Quartal 2024 einen weiteren Versuch unternimmt, sein Starship in den Weltraum zu schiessen. Diese Rakete ist noch leistungsfähiger als die legendäre Saturn-V-Rakete, die in den 1960er und 1970er Jahren Astronauten zum Mond beförderte. Ausserdem ist das Starship wie alle Raketen von SpaceX wiederverwendbar.
Der erste Testflug im April 2023 endete mit einer Explosion. Die Rakete geriet ins Trudeln und musste bereits wenige Minuten nach dem Start gesprengt werden. Beim zweiten Testflug trennte sich das Starship immerhin erfolgreich von der ersten Raketenstufe und stieg danach aus eigener Kraft bis in eine Höhe von 150 Kilometern auf. Dann brach aber der Kontakt zum Starship ab, das sich daraufhin automatisch zerstörte. Immerhin blieb das Raketenstartgelände diesmal weitgehend unversehrt. Damit steht einem dritten Startversuch im ersten Quartal 2024 nichts im Wege – vorausgesetzt, die Federal Aviation Administration gibt ihr Einverständnis.
Das Starship ist nicht nur für die Weltraumpläne von Elon Musk von zentraler Bedeutung. Auch die Nasa hat ein grosses Interesse an einem erfolgreichen Testflug. SpaceX entwickelt nämlich im Auftrag der Nasa eine Variante des Starship, die Astronauten aus der Mondumlaufbahn auf den Mond und wieder zurück bringen soll. Das wird erst geschehen, wenn die Nasa von der Sicherheit des Starship überzeugt ist. Dafür sind noch mehrere Testflüge nötig.
China verfolgt schon seit Jahren ein ambitioniertes Programm zur Erkundung des Mondes. Die erste weiche Landung auf der Rückseite des Mondes sorgte 2019 weltweit für Anerkennung. Im Mai steht die nächste Pioniertat auf dem Programm. Die chinesische Sonde Chang’e 6 soll erstmals Bodenproben von der Rückseite des Mondes zur Erde zurückbringen. An Bord befinden sich ausserdem wissenschaftliche Nutzlasten von Ländern, die mit China kooperieren.
Wie die robotischen Missionen zuvor dient auch Chang’e 6 dem Ziel, Technologien für eine zukünftige Forschungsstation auf dem Mond zu testen. Diese soll in den 2030er Jahren Gestalt annehmen. China hat angekündigt, dass im Jahr 2030 erstmals chinesische Astronauten auf dem Mond landen sollen.
Auf diesen Moment fiebert die Europäische Weltraumorganisation (ESA) schon lange hin. Im Sommer soll die Ariane 6 ihren ersten Testflug absolvieren und damit die Raketenkrise beenden, in der sich Europa seit der Stilllegung der Ariane 5 und dem Ausfall der Vega C befindet. So musste die ESA im vergangenen Jahr bei SpaceX anklopfen, um den europäischen Euclid-Satelliten ins Weltall zu befördern. Ausserdem soll SpaceX 2024 vier europäische Navigationssatelliten im Weltraum aussetzen. Diesem Zustand möchte die auf Autonomie pochende ESA möglichst schnell ein Ende bereiten.
Der Bau der Ariane 6 war notwendig geworden, weil die erfolgreiche Ariane-5-Rakete nicht mehr mit den günstigen Raketen von SpaceX konkurrieren konnte. Ursprünglich hiess es, dass eine Ariane 6 nur halb so teuer wie eine Ariane 5 sein soll. Inzwischen ist man froh, wenn die Kosten um 40 Prozent reduziert werden können. Anders als die Raketen von SpaceX wird die Ariane 6 nicht wiederverwendbar sein.
Der Erstflug der Ariane 6 hätte ursprünglich im Jahr 2020 stattfinden sollen, also lange vor dem Ende der Ariane 5. Er musste aber immer wieder verschoben werden. Nach erfolgreichen Tests ist die ESA zuversichtlich, dass es im Sommer endlich klappt.
Mehr als fünfzig Jahre nach der letzten Mondlandung sollten im November 2024 erstmals wieder Astronauten zum Mond fliegen. Eine Landung steht bei der Artemis-2-Mission noch nicht auf dem Programm. Vielmehr sollen die vier Astronauten den Mond umrunden und dann zur Erde zurückkehren. Der Flug sollte maximal drei Wochen dauern.
Inzwischen hat die US-Raumfahrtbehörde Nasa «Artemis 2» wegen Problemen mit dem Space Launch System und dem Raumschiff Orion allerdings auf September 2025 verschoben. Auch die geplante bemannte Mondlandung im Rahmen von «Artemis 3» werde sich verschieben, teilte die Nasa bei einer Pressekonferenz mit. Diese soll nun frühestens im September 2026 stattfinden. Damit bleibt der Firma SpaceX mehr Zeit, die Mondlandefähre zu entwickeln, die die Astronauten auf den Mond und zurück in eine Mondumlaufbahn bringen soll. «Artemis 4», eine weitere geplante Mondlandung, ist nach wie vor für September 2028 anvisiert.
2024 könnte das Jahr sein, in dem SpaceX erstmals ernstzunehmende Konkurrenz erwächst. Neben der Vulcan Centaur und der Ariane 6 soll auch die New-Glenn-Schwerlastrakete von Blue Origin ihr Debüt feiern. Die erste Raketenstufe soll mindestens 25-mal wiederverwendbar sein. Das sollte es Blue Origin erlauben, mit den Preisen von SpaceX zu konkurrieren.
Die New Glenn ist zwar nicht so leistungsfähig wie das Starship von SpaceX, kann aber grössere Nutzlasten transportieren als die Falcon 9. Damit eignet sich die Rakete zum Beispiel dafür, schwere Satelliten auf Umlaufbahnen auszusetzen, die andere Raketen nicht (oder nur mit kleinen Nutzlasten) erreichen können. Ausserdem ist die New Glenn kräftig genug, um die Mondlandefähre in eine Mondumlaufbahn zu bringen, die Blue Origin im Auftrag der Nasa entwickelt.
Schon vor dem ersten Flug hat Blue Origin Verträge mit mehreren Kunden abgeschlossen. Dazu zählt unter anderem die Firma Amazon, die wie Blue Origin von Jeff Bezos gegründet wurde. Bezos ist dringend auf die New Glenn angewiesen, um seine Satellitenkonstellation Kuiper im Weltraum zu installieren. Amazon hat bereits 12 Flüge bei Blue Origin gebucht – mit der Option auf 15 weitere.