Hakan Yakin soll den FCS als Cheftrainer vor dem Fall aus dem Profifussball retten. Doch es geht um viel mehr als den Abstieg aus der Challenge League.
Wer sich nächtens an den äusseren Rand der Schaffhauser Gewerbezone im Herblingertal verirrt, wird nicht gerade von fiebriger Fussball-Vorfreude empfangen. Schaffhausen gegen Vaduz heisst die Affiche, an den Eingängen langweilen sich Ticket-Kontrolleure, im Stadion scheppert Musik durch die Leere. Später verkündet der Speaker die Zahl von tausend Zuschauern, die man gezählt haben will. Am Schluss steht es 1:1. Wenigstens das Resultat ist an diesem Freitagabend gesichert. Gesichert ist sonst wenig im FC Schaffhausen.
Als Tabellenletzter der Challenge League droht der Abstieg aus dem Profibetrieb, die jüngsten Geschichten von einem obskuren Besitzerwechsel, Verschuldung, drohenden Punkteabzügen oder Personalwechseln setzen sich in weiter hohem Tempo fort. Das Ganze wäre eine Provinzposse in den Untiefen der Fussballschweiz, wenn nicht immer wieder der gleiche Name fallen würde: Murat Yakin, seit 2021 Schweizer Nationaltrainer, davor in Schaffhausen «Trainer plus», wie er einmal sagte.
Der Jüngere in Schaffhausen, der Ältere im Nationalteam
Hat Yakin nicht nur im Nationalteam das Sagen, sondern ist er gleichzeitig Klubbesitzer in Schaffhausen, bei dem am Ende die verworrenen Schaffhauser Fäden zusammenlaufen? In der Fussballbranche ist das Konsens, obwohl die relevanten Papiere mit anderen Namen unterschrieben sind.
Den Verband kümmern die Verstrickungen ihres teuersten Angestellten nicht. Yakins Engagement bestehe aus einem «Investment aus dem Jahr 2021 in klubseitig erworbene Immobilien», liess der SFV unlängst verlauten, dies habe «keinen Einfluss auf das operative fussballspezifische Geschäft». Die «Aargauer Zeitung» publizierte unlängst Zahlen aus der Bilanz des FC Schaffhausen. Dort erscheint Yakin als Gläubiger. In den vergangenen Jahren gewährte er dem FC Schaffhausen vier Darlehen von insgesamt fast zwei Millionen Franken.
Der Name Yakin rückte vergangene Woche wieder in den Fokus. In der Person von Murats jüngerem Bruder Hakan präsentierte der Klub den Nachfolger des entlassenen Cheftrainers Ciriaco Sforza. Bei der Vorstellung sagte Hakan Yakin: «Wir sprechen schon gewisse Dinge ab untereinander, aber ich habe lange genug unter ihm gearbeitet.» Er antwortete auf die Frage, ob er mit seinem Bruder darüber gesprochen habe über den Entscheid zwischen Cheftrainer in Schaffhausen und Assistent im Nationalteam. Davide Callà wurde am gleichen Tag zu Murat Yakins neuem Assistenten im Nationalteam ernannt.
Den FC Schaffhausen kennt Hakan Yakin in- und auswendig. Er war Assistent in der FCS-Trainerzeit seines Bruders, schon bei den Grasshoppers war das ein Jahr lang so. Als Murat 2021 Nationaltrainer wurde, blieb Hakan bis im Mai 2023 in Schaffhausen. Jetzt ist er zurück.
Kurze Erfahrungen in der Türkei
Hakan sei «ein alter Bekannter», sagte der Mediensprecher am Mittwoch, er müsse den 67-fachen Nationalspieler nicht näher vorstellen. Yakin korrigierte: «Äh, ich habe 87 Länderspiele». So viel Korrektheit muss sein, auch wenn es für ihn derzeit nicht um Vergangenes, sondern um die knappe Zeit bis zum Saisonende geht. Cheftrainer Hakan Yakins Plan: «Ich will elf Krieger auf dem Platz, jeder Match ist ein Cup-Fight.»
Hakan Yakin war ein grossartiger Fussballer. Jetzt will er zeigen, dass er auch ein grosser Coach sein kann, wie sein älterer Bruder. Seit dem letzten Abgang aus Schaffhausen hat Hakan endlich die nötige Uefa-Pro-Lizenz erstanden. Nachdem er in der Schweiz die Prüfung nicht geschafft hatte, holte er sie in der Türkei nach. Danach war er bis vor vierzehn Monaten für ein paar Spiele Coach von Istanbulspor in der türkischen Süper Lig.
Für die Aufgabe in Schaffhausen steht Hakan Yakin als Sportchef Bernt Haas zur Seite. Auch Haas ist ein Schaffhausen-Rückkehrer. Er war bis 2022 für zwei Jahre FCS-Sportchef. Nun sagt Haas: «Hakan und ich sind praktisch zusammen aufgewachsen, uns genügt meist ein Blick – und wir wissen, was der andere denkt.»
Zu bedenken gibt es gerade einiges. So hat die Liga einen Drei-Punkteabzug gegen den FCS verhängt, weil zuletzt die monatlich einzureichenden Belege für Lohn- und Sozialversicherungszahlungen ausgeblieben sind. Ein Rekurs gegen den Entscheid läuft, die Aussicht auf Erfolg ist gering. Zu sehr haben sich die Ungereimtheiten gehäuft in den letzten Wochen.
Dazu gehört der Besitzerwechsel, der doch keiner ist: Am 16. Januar stellten sich die Brüder Fitim und Boletin Hasani als neue Eigentümer vor. Der Übernahmevertrag mit dem alten Inhaber Roland Klein sei unterschrieben. Als die Liga die entsprechenden Unterlagen anforderte für das kleine Lizenzverfahren, war plötzlich immer noch Klein der Besitzer. Damit war der Liga die Handhabe zur Prüfung entzogen. Es gebe «Schwierigkeiten bei der Registrierung», liess Boletin dazu verlauten.
Gleichzeitig stellten die Hasanis den alten Geschäftsführer Jimmy Berisha und Sportchef Marc Hodel kalt, leiteten die Absetzung von Sforza ein und holten Haas und Hakan Yakin. «Ciris Entlassung war im Gange, als ich anfing», sagte Haas, für die Verpflichtung von Hakan habe «ein kurzer Anruf genügt». Hakan Yakin sagte über die Inhaber eines Bauunternehmens in Dielsdorf, «wir kennen die Brüder ja schon lange». Ob damit auch geschäftliche Beziehungen gemeint sind, ist offen. Die Hasanis waren mit ihrer Firma Fibo Bau AG in der Zeit, als Murat Yakin GC-Trainer war, Nebensponsor bei GC.
Ein Schuldenberg lastet auf dem FCS
Der komplizierte Handwechsel hat auch mit der hohen Verschuldung zu tun. Je nach Aussage beträgt sie zwischen sechs und zwölf Millionen Franken. Dazu kommt die Hypothek der Stadion-Immobilie von 22 Millionen. Sie belastet den Klub mit weit über einer Million Franken jährlich, das offizielle Budget ist mit 3, 6 Mio. angegeben. Das ist kaum zu stemmen von einer Firma in der Grösse der Fibo Bau AG.
Am Freitag soll ein Bierbrauer aus Nepal im Stadion gewesen sein. Der Mann vom Himalaya hat sein Geschäft verkauft und sitzt jetzt auf viel Geld. Vielleicht gönnt er sich den Fussballklub im Herblingertal? Es gab auch schon einen Ölscheich, der dann aber keine Lust hatte. Und einen Verein aus Deutschland, der sich Gedanken machte über ein Farm-Team in Schaffhausen. Das Interesse zerstob nach dem Blick in die Bücher.
Wie auch immer – für die verbliebenen Fans ist die Sache klar. Sie liessen am Freitag nach einer halben Stunde einen Knallkörper detonieren, warfen mit Sturmhauben vermummt Zettel vor die Aufgänge zu den VIP-Logen. «Haued ab!», stand darauf, unterlegt mit den Konterfeis der Hasani-Brüder, von Roland Klein und Murat Yakin.
So einfach ist es natürlich nicht. Die Yakins sind noch immer da. Sie lassen sich nicht vertreiben. Jetzt ist erst einmal Hakan der Trainer, der jüngere Bruder von Murat.