Die Schweizer Zulieferer der Halbleiterindustrie stehen besser da, als die Kursreaktion vermuten lässt. Ausserdem: Lindt & Sprüngli hält sich gut, Logitech könnte von der US-Arbeitslosigkeit profitieren, die Aktiendividende von SGS ist attraktiv und Meier Tobler ist im Aufschwung.
Geschätzte Leserin, geschätzter Leser
Es sind turbulente Zeiten an den weltweiten Börsen. Auch der Schweizer Aktienmarkt blieb von Verwerfungen infolge von Zollängsten und Konjunktursorgen nicht verschont. Der Leitindex SMI startete am Montag mit einem Minus von 5,16% in die Woche, das ist der grösste Tagesverlust seit dem pandemiebedingten Einbruch im März 2020. Innerhalb weniger Tage hat er den gesamten Gewinn der vergangenen rund zwölf Monate preisgegeben – bevor heute Dienstag eine kräftige Erholung einsetzte.
Viele, auch wenig konjunktursensitive Aktien wie Nestlé, Givaudan oder die Pharmaschwergewichte Roche und Novartis konnten sich am Montag dem Ausverkauf nicht mehr entziehen.
Umso überraschender ist es, wie gut sich Lindt & Sprüngli hält. Die Partizipationsscheine des Schokoladenherstellers haben im ersten Quartal knapp 19% an Wert gewonnen – und gaben auch in den vergangenen Tagen nur wenig nach.
Ich habe an dieser Stelle schon einige Male darauf hingewiesen (etwa hier und hier), dass Lindt brilliert und auch für das laufende Jahr sehr gut aufgestellt ist. Zudem dürfte den Titeln in den letzten Tagen der Rückgang des Kakaopreises geholfen haben, nachdem sich der für Lindt wichtigste Rohstoff Anfang April erneut abrupt verteuert hatte. Dafür spricht auch, dass sich die Aktien von Barry Callebaut auf niedrigem Niveau ebenfalls gut hielten.
Gleichzeitig ist diese Bewegung am Kakaomarkt für mich ein Warnsignal: Während sich an der Angebotsseite keine schnelle Entspannung abzeichnet, könnte das sich abschwächende Wirtschaftswachstum oder gar eine Rezession die Nachfrage nach Schokolade weiter schwächen. Und wie so oft würde das Barry Callebaut wohl mehr treffen als Lindt, aber auch für den Premiumschokoladehersteller werden die kommenden Monate kaum langweilig.
Zu den grossen Verlierern am Schweizer Markt gehörten in den vergangenen Tagen dagegen die Aktien von Logitech. Seit Jahresbeginn beträgt das Minus über 20%, zeitweise war der Verlust gar noch grösser.
Der Hersteller von Computerperipheriegeräten steht wegen seiner Lieferketten im perfekten Sturm. Gut 60% des weltweiten Liefervolumens von Logitech und 40% der in die USA gelieferten Produkte werden in China produziert, der Rest in Vietnam, Taiwan, Thailand, Malaysia und Mexiko. Der Erlös aus Verkäufen an Kunden in den USA machte in den letzten drei Jahren durchschnittlich etwa 35% des Gesamtumsatzes aus, wie die Analysten von Vontobel schreiben.
Anfang März bezifferte Logitech die möglichen Auswirkungen durch Zölle auf 200 Basispunkte auf die Bruttomarge, was rund 100 Mio. $ entspräche. Die Annahme ist heute, vier Wochen später, überholt. Die Analysten der Bank Vontobel schätzen den negativen Effekt auf 700 Basispunkte und rechnen mit einem 20% tieferen Betriebsgewinn auf Stufe Ebit.
Da die Produkte des Unternehmens im Vergleich zur Konkurrenz sehr günstig sind, hat Logitech etwas Spielraum, die Preise zu erhöhen. Ein Teil des Verlusts beim Grenzübertritt kann so kompensiert werden. Ausserdem ist es aus heutiger kaum vorstellbar, dass dereinst wieder Geräte wie Computermäuse und Kopfhörer in den USA hergestellt werden – die meisten Hersteller sehen sich also mit Zöllen konfrontiert.
Wichtig für die Nachfrage nach Logitech-Produkten ist die Konsumentenstimmung in den USA, aber noch vielmehr die Stimmung unter den Gamern in den USA. Schlittert das Land in eine Rezession, gehen Jobs verloren und sitzen die Leute – wie während der Pandemie – vermehrt zu Hause, kann dies – etwas zynisch formuliert – für Schwung bei den Gaming-Produkten von Logitech sorgen. Auf die Gaming-Produktpalette entfällt etwa ein Drittel des Umsatzes.
Am 29. April veröffentlicht das Unternehmen die Zahlen zum vierten Quartal (per Ende März). Ich bin gespannt, wie die Welt dann aussieht.
Zu den Betroffenen von US-Präsident Trumps Zöllen gehören auch die Halbleiterzulieferer VAT, Comet und Inficon. Praktisch im Gleichschritt haben die Aktien seit dem 2. April zeitweise um rund 15% korrigiert. Der Abverkauf ist auf mehreren Ebenen nachvollziehbar, gerade Zweitrundeneffekte eines eskalierenden Handelskriegs würden bei einer globalen Rezession auch an den Chipzulieferern nicht spurlos vorbeigehen.
Zudem schaut der Markt derzeit genau darauf, ob und in welchem Umfang Unternehmen über Produktionskapazitäten in den USA verfügen, um den negativen Zolleffekt durch eine Produktionsverlagerung abzumildern. Vor allem für VAT sieht es in diesem Zusammenhang schlecht aus: Der Hersteller von Vakuumventilen erzielt rund 20% seines Umsatzes in den USA, produziert aber nicht vor Ort.
Dennoch sehe ich auf lange Sicht jetzt eine gute Chance, die chronisch teuren Aktien zu einem reduzierten Preis zu erhalten. Die Schweizer Halbleiterzulieferer stellen kritische Komponenten für die Industrie in zuverlässiger Qualität her. Chiphersteller haben aufgrund fehlender Konkurrenz kaum Ausweichmöglichkeiten. Auch entfallen auf die Komponenten von VAT, Comet und Inficon häufig nur geringe Anteile an den Gesamtkosten beim Bau von Chipfabriken – trotz ihrer technologischen Relevanz. Die Anlagenbauer haben daher auch bei allfälligen Preiserhöhungen kaum Anreiz, ihre Lieferkette überhastet umzustellen.
Ausserdem ist mir kürzlich ein spannender Gedanke aus einer Studie von Michael Inauen, Analyst der Zürcher Kantonalbank, aufgefallen Er geht davon aus, dass gerade bei VAT und Comet ein grosser Teil des Umsatzes in den USA mit den grösseren Chip-Ausrüstern LAM Research und Applied Materials erzielt wird. Die beiden Maschinenhersteller unterhielten wohl auch über Malaysia Geschäftsbeziehungen zu Comet und VAT.
Der Clou dabei: Derzeit wird noch ein Grossteil der in den USA gebauten Maschinen nach China oder Taiwan exportiert. Die Schweizer könnten künftig aber ihre Komponenten vermehrt nach Malaysia liefern, wo Maschinenhersteller wiederum ihr von den USA unabhängiges Geschäft ausbauen könnten. Auf diese Weise liessen sich die US-Zölle umgehen. Das wäre ein weiterer Grund, die fallenden Kurse als Chance zu sehen.
Der Schweizer Prüfkonzern SGS bietet seinen Aktionärinnen und Aktionären – wie bereits im Vorjahr – die Möglichkeit, anstelle einer Barausschüttung eine Dividende in Form von Aktien zu beziehen.
Der Wahlzeitraum, in dem berechtigte Aktionäre ihre Präferenz für die Aktiendividende angeben können, begann am 2. April 2025 und endet am 14. April 2025 um 12 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit (MESZ). Aktionäre, die ihre SGS-Aktien bei einer Depotbank oder einem Broker halten, üben ihr Wahlrecht über diese Institute aus.
Zur Wahl stehen folgende Optionen:
- Die Bardividende hat eine Höhe von 3.20 Fr. (verrechnungssteuerpflichtig), was aktuell einer Dividendenrendite von rund 4,3% entspricht.
- Die Aktiendividende wird mit einem Abschlag von 5% auf den Referenzkurs der SGS-Aktien bewertet. Dieser ergibt sich aus dem volumengewichteten Durchschnittskurs (VWAP) der zehn Handelstage vom 3. bis 16. April 2025. Der auf zwei Dezimalstellen gerundete Referenzkurs wird am 17. April 2025 um 7 Uhr MESZ veröffentlicht. Bruchteile werden in bar abgegolten. Auf die Aktiendividende fällt weder die Verrechnungssteuer von 35% an, noch sind Stempelabgaben geschuldet.
Ein klarer Vorteil der Aktiendividende liegt in der steuerlichen Behandlung: «Da die Einkommenssteuer nur auf dem Nominalwert von 0.04 Fr. pro Aktie anfällt, ist die Aktiendividende aus steuerlicher Sicht interessanter», erklärt Marc Strub, Fondsmanager bei der Privatbank Reichmuth & Co.
Die Aktiendividende ist für jene Anleger besonders attraktiv, die die Verrechnungssteuer nicht oder nur eingeschränkt zurückfordern können. Doch auch darüber hinaus lohnt sich diese Option: SGS bleibt als langfristige Investition spannend – nicht zuletzt dank der laufenden strategischen Neuausrichtung unter CEO Géraldine Picaud. Zudem erhalten Anleger die neuen Aktien mit dem obengenannten Abschlag.
Patrik Jäger, Fondsmanager bei IFS Independent Financial Services, ergänzt: «Wer die Gesamtzahl eigener Aktien nicht erhöhen will, kann am Markt die entsprechende Anzahl Aktien verkaufen und anschliessend die Dividende in Form von Aktien beziehen. So sichert man sich zusätzlich Liquidität – und profitiert dennoch von den Vorteilen der Aktiendividende.»
Aus meiner Sicht kommt ein weiterer Faktor hinzu: Die Aktiendividende fällt in eine bearishe Marktphase. Da der Bezugspreis auf dem Durchschnittskurs vom 3. bis 16. April basiert, kann ein niedrigerer Schlusskurs am 16. April den gewährten Abschlag zusätzlich erhöhen – ein interessanter Nebeneffekt, der diese Option aus heutiger Sicht noch attraktiver macht.
Im vergangenen Jahr entschieden sich rund die Hälfte der Aktionäre für die Aktiendividende, was zu einer Verwässerung von knapp 2% führte. Angesichts der genannten Vorteile wäre es für mich nicht überraschend, wenn sich in diesem Jahr sogar eine klare Mehrheit der Investoren für diese Variante entscheidet. Es ist ein rationaler Entscheid.
Der Klimatechnikspezialist Meier Tobler blickt auf ein herausforderndes Geschäftsjahr zurück. Der Umsatz sank gut 9% auf 496 Mio. Fr., das Betriebsergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) verringerte sich noch etwas stärker auf 41,3 Mio. Fr. Die Aktien verloren im Gesamtjahr 2024 rund 24% an Wert – was mich angesichts der Geschäftsentwicklung kaum überrascht.
Hauptursache war der stark rückläufige Heizungsmarkt in der Schweiz: Der Umsatz mit Wärmepumpen brach 2024 um 30% ein. Der Gesamtmarkt – inklusive Öl- und Gasheizungen – erreichte den tiefsten Stand seit fünfzehn Jahren. Zusätzlich belasteten Verzögerungen beim Bau des neuen Logistikzentrums in Oberbuchsiten die operative Entwicklung. Dieser verzögerte sich um zwei bis drei Monate, obwohl die Mietverträge für die bisherigen Standorte in Dänikon und Nebikon bereits gekündigt waren – ein vermeidbarer und ärgerlicher Planungsfehler.
Inzwischen kommt jedoch frischer Wind auf: Seit Jahresbeginn verzeichnen die Aktien einen Kursgewinn, unterstützt durch Aktienrückkäufe im Rahmen einer Kapitalherabsetzung sowie erste Hinweise auf eine Trendwende im Geschäftsgang. Positive Marktaussichten im Bausektor infolge gesunkener Zinsen und einer steigenden Zahl an Baugesuchen sorgen für Zuversicht.
«Insgesamt sind weiterhin rund 1 Mio. fossile Heizsysteme in der Schweiz in Betrieb, die bis 2050 ersetzt werden dürften. Durchschnittlich werden pro Jahr etwa 50’000 bis 60’000 Heizungen ausgetauscht», sagt Yannik Ryf, Analyst bei der Zürcher Kantonalbank, der die Aktien mit «Marktgewichten» einstuft.
Ich halte den Titel angesichts der für 2025 prognostizierten Dividendenrendite von 5,7% und der moderaten Verschuldung (Nettoverschuldung im Verhältnis zum Ebitda: 0,26) für attraktiv. Hinzu kommt ein in geopolitisch unsicheren Zeiten relevanter Vorteil: Meier Tobler erwirtschaftet den gesamten Umsatz in Franken – es besteht somit kein Währungsrisiko. Auf Basis der Konsensschätzungen für die nächsten zwölf Monate beträgt zudem der Unternehmenswert (EV) etwas mehr als das Achtfache des Ebitda. Damit liegt er deutlich unter dem historischen Durchschnitt von 10.
Es geht immer noch tiefer. Nachdem die Inhaberaktien von Swatch Group vergangene Woche unter den Kurs von 150 Fr. gefallen waren, haben sie angesichts von Zollängsten und Konjunktursorgen seit Donnerstag nochmals 12% an Wert verloren. Damit notieren sie praktisch auf dem Tief der Finanzkrise im Januar 2009.
Die Eigentümerfamilie Hayek hat das niedrige Kursniveau wohl für Zukäufe genutzt. Gemäss einer am Dienstag von der Schweizer Börsenaufsicht SIX Exchange Regulation veröffentlichten Managementtransaktion wechselten vergangenen Freitag knapp 170’000 Namenaktien für mehr als 4,4 Mio. Fr. die Hand. Am Montag folgte eine weitere Transaktion über 211’000 Namenaktien im Wert von knapp 5,4 Mio. Die insgesamt knapp 10 Mio. investierten laut der Mitteilung drei meldepflichtigen Personen, ein klarer Hinweis, dass dahinter CEO Nick Hayek, seine Schwester, VR-Präsidentin Nayla Hayek und deren Sohn und Geschäftsleitungs- und VR-Mitglied Marc Hayek stecken.
Die Transaktion ist nicht aussergewöhnlich. 2024 hat mutmasslich die Familie Hayek über 46 Mio. Fr. in die Aktien ihres Unternehmen investiert. Bezahlt gemacht hat sich das bisher nicht, und ich rate auch jetzt davon ab, es der Eigentümerfamilie gleichzutun, zu viel ist bei der Swatch Group im Argen.
Die Hayeks sind in indes nicht die einzigen, die den Kursrückschlag bei ihrem Unternehmen als Einstiegsgelegenheit sehen. Auch Klaus-Michael Kühne hat einmal mehr aufgestockt: Kühne hat über seine Stiftung rund 7,7 Mio. Fr. bei einem Aktienkurs von knapp 174 Fr. in Kühne + Nagel investiert.
Der Patron und Ehrenpräsident des Logistikers hatte in der Vergangenheit mit seinen Transaktion auch schon ein sehr gutes Händchen bewiesen. Angesichts der Tatsache, dass weder Zolldrohungen noch die konjunkturelle Unsicherheit dem Welthandel und damit dem Geschäft des Logistikers dienlich sind, fühle ich mich bei anderen Schweizer Aktien derzeit aber besser aufgehoben.
Freundlich grüssen im Namen von Mrs Market,
Gabriella Hunter, Manuel Boeck, Carla Palm und Henning Hölder