Die Diskussion um den Genderstern köchelt weiter – demnächst im Kantonsrat.
Die Verwendung des Gendersterns in der Zürcher Stadtverwaltung ist von oberster Stelle legitimiert: Am Sonntag hat das Stimmvolk die Initiative «Tschüss Genderstern» der SVP-Kantonsrätin und Stadtparteipräsidentin Susanne Brunner abgelehnt.
Der Stern bleibt aber ein Thema, zumindest auf kantonaler Ebene. Zwar gendert der Kanton in seiner Kommunikation nicht. Doch viele Hochschulen haben für die Studentinnen und Studenten Sprachleitfäden eingeführt, die bei bürgerlichen Politikern für Ärger sorgen.
Zum Beispiel derjenige der ZHAW: Ihr Leitfaden soll nach eigenen Angaben aufzeigen, «wie eine diversitygerechte und inklusive Sprache als Teil unserer Hochschulkultur gelingen kann». Die Hochschule mit Sitz in Winterthur favorisiert nach eigenen Angaben «genderneutrale und inklusive Personenbezeichnungen». Selbst verwendet die ZHAW in der offiziellen Kommunikation und den Erlassen den Doppelpunkt als Genderzeichen.
Die Universität Zürich orientiert sich an ihrem «Verhaltenskodex Gender Policy» und schreibt in ihrem Sprachleitfaden unter anderem zur Verwendung des Gendersterns: «Wichtig ist es, sich von Fall zu Fall zu überlegen, welche Menschen mit dem jeweiligen Text erreicht werden und sichtbar gemacht werden sollen, und dann die entsprechenden Formen zu verwenden.» Das generische Maskulinum lehnt die Universität ab, da es die Präsenz von Frauen «verschleiere» und oft ungenau sei.
Pädagogische Hochschule empfiehlt den Doppelpunkt
Die Pädagogische Hochschule Zürich wiederum empfiehlt, auf den Genderstern zu verzichten und stattdessen den Doppelpunkt als Sonderzeichen zu verwenden, weil dieser barrierefrei sei. Programme zum Vorlesen von Texten für Menschen mit Sehbehinderung machten an der Stelle des Doppelpunkts lediglich eine kleine Pause; Sternchen und andere Zeichen dagegen würden von den Programmen mitgelesen und beeinträchtigten so den Textfluss.
Susanne Brunner ist besorgt, dass Studentinnen und Studenten mit einem Notenabzug rechnen müssten, wenn sie in schriftlichen Arbeiten nicht die jeweiligen Sprachvorschriften anwenden. Zusammen mit Corinne Hoss und Reto Agosti (beide FDP) hat sie deshalb im Kantonsrat eine Motion eingereicht, um den «Genderzwang» an Zürcher Bildungsinstitutionen zu unterbinden.
Der Vorstoss dürfte demnächst im Kantonsrat behandelt werden. Der Regierungsrat selbst lehnt ihn ab – und aus der Stellungnahme ist deutlich herauszuhören, dass die Regierung wenig Lust hat, sich erneut mit der Materie zu befassen. Schliesslich habe er sich bereits «mehrfach ausführlich und über alle Bildungsstufen hinweg» zum Thema geäussert. Im Jahr 2022, als der Sprachleitfaden der ZHAW in Kraft trat, reichten bürgerliche Kantonsrätinnen und Kantonsräte insgesamt drei Anfragen zur Sache ein.
Der Regierungsrat hält in der Stellungnahme zum laufenden Vorstoss fest, dass die Hochschulen zur Gleichstellung der Geschlechter verpflichtet seien. Doch es gebe an den kantonalen Bildungsinstitutionen keine Regelungen, die Schülerinnen und Schüler oder Studierende zu einer gendergerechten Sprache zwängen. Die Leitfäden der Hochschulen hätten lediglich einen «empfehlenden Charakter» ohne verpflichtende Vorgaben.
Die geltenden Regelungen orientierten sich am verfassungsmässigen Auftrag zur Förderung der tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter in der Sprache. Der Kanton selbst richtet sich nach dem «Leitfaden Geschlechtergerechte Sprache» des Bundes, der den Genderstern verbietet.
Keine Vorgaben für Sprachgebrauch
Den übergeordneten rechtlichen Rahmen für eine gendergerechte Sprache bilden die Bundesverfassung, das Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann sowie die Kantonsverfassung. Diese rechtlichen Grundlagen sind für die Hochschulen verbindlich, und sie enthalten keine Aufforderungen zur Verwendung von geschlechtsneutralen Formulierungen.
Wie der Regierungsrat schreibt, gibt es auch in den anderen Schulstufen keine Vorgaben für den Gebrauch einer gendergerechten Sprache.
Er hält abschliessend fest: «In der Praxis zeigen sich an den Bildungsinstitutionen im Umgang mit gendergerechter Sprache keine Probleme.» Sollten Schülerinnen oder Studenten Nachteile erfahren, stehe ihnen der Rechtsweg offen. Allerdings sind dem Regierungsrat keine solchen Rekursverfahren bekannt.
Ganz so trocken wie die Stellungnahme der Regierung dürfte die Diskussion im Kantonsrat nicht ablaufen. Setzen sich die Befürworter der Motion durch und wird der Vorstoss überwiesen, muss der Regierungsrat eine gesetzliche Grundlage ausarbeiten, um sicherzustellen, dass Studentinnen und Studenten beim Verzicht auf die Gendersprache tatsächlich nicht benachteiligt werden.