Die Kantonsschule Uster will, dass ihre Schüler mehr miteinander machen und weniger am Bildschirm kleben. Viele Jugendliche finden das gut.
Donnerstagmorgen, 11-Uhr-Pause auf dem Platz des Provisoriums der Kantonsschule Uster. Zwei Schüler einer ersten Klasse des Gymnasiums sind vom einen Container zum anderen unterwegs.
Was halten sie vom Smartphone-Verbot, das diese Woche auf dem ganzen Areal der Mittelschule gilt?
«Wir finden es eigentlich gut – aber wir sind auch froh, wenn es am Montag wieder vorbei ist», sagt der eine. «Ohne Handy reden wir etwas mehr miteinander zwischen den Schulstunden», der andere. – «Aber es ist schon gut, wenn wir wieder am Handy sein können. Das ist halt unser Alltag.» – «Ja, vor allem in der Mittagspause.»
Und was fanden die Eltern, als sie von der Schule über die handyfreie Woche informiert wurden?
«Meine Mutter fand es super!», sagt einer der 13-Jährigen. Endlich muss das Kind ein paar Tage ohne Smartphone auskommen! Er und sein Freund müssen fest lachen dabei. Und ja, natürlich würden sie die Vorschrift einhalten, dass Gymnasiasten ihre Handys zwar bei sich haben, aber nicht benutzen dürfen. Ehrenwort.
«Es wird nicht ernst genommen»
Ein paar Schritte weiter, die gleiche Frage: Was halten die Jugendlichen von der handyfreien Woche?
«Ist okay. So kann man das Gamen verhindern», sagt eines der Mädchen auf einer Treppe der Schulcontainer. «Also, wir gamen ja nicht, das machen vor allem die Buben der unteren Klassen.» – «Genau, das ist schlecht», ergänzt eine Kollegin.
Ob sie sich an das Verbot halten?
Die Teenager sind ehrlich. «Nein», antwortet die eine von ihnen. «Aber wir wurden nie darauf angesprochen.» Eine andere Schülerin sagt: «Es wird nicht wirklich ernst genommen.» Sie habe schon mehrmals ihren Stundenplan überprüft auf dem Handy. «Ein Lehrer hat das mitbekommen – er hat nichts gesagt zu mir.»
Und nicht nur das: Eine andere Gruppe auf dem Pausenplatz gibt eine weitere Anekdote der ersten «handyfreien» Tage der Schule preis: Sie hätten einen Lehrer beobachtet, der sich selber nicht an die Vorschrift gehalten habe, erzählen mehrere Gymnasiastinnen übereinstimmend.
Es wäre ein weiteres Zeichen dafür, dass ein dauerhaftes Smartphone-Benutzungsverbot wohl schwer umzusetzen wäre: Die Vorschrift an der Kantonsschule Uster gilt auch für Lehrpersonen, die eigentlich mit gutem Beispiel vorangehen sollten.
Ein Verbot wäre die radikalste Variante
Aber das bringt Harald Pierhöfer nicht aus der Ruhe. Der Prorektor des Oberländer Gymnasiums betont: «Es ist ein Test. Wir haben keine Massnahmen vorgesehen für den Fall, dass sich jemand nicht an die Vorschrift halten sollte.» Der Mathematiklehrer ist jedoch überzeugt: Mehr direkte Interaktion und vielleicht auch etwas mehr Bewegung in den Pausen würde vielen Schülerinnen und Schülern guttun, gerade in den unteren Klassen.
Pierhöfer sagt: «Wir wollen unsere Jugendlichen dazu bringen, dass sie sich miteinander abgeben, anstatt die ganze Zeit am Bildschirm zu kleben.» Das gehe auch ohne Verbot. Und man habe auch nicht vor, die Regeln der Testwoche eines Tages dauerhaft einzuführen. Das wäre die radikalste Variante. Das übergeordnete Ziel der Kantonsschule – mehr Erholung in den Pausen, mehr Miteinander offline statt am Smartphone aneinander vorbei – lasse sich auch auf anderen Wegen erreichen.
Wie genau, das wird sich in den kommenden Monaten zeigen, wenn die Schule ein neues Handy- und Smartwatch-Reglement erarbeiten wird. Beobachtungen aus der Testwoche stimmen die Ustermer Verantwortlichen indes zuversichtlich, dass man grundsätzlich den richtigen Weg eingeschlagen habe: «Viele Schüler toben sich aus in den Pausen, da sie nun am Handy keine Spiele spielen oder Filmchen schauen können. Das ist doch schön», sagt Pierhöfer.
Aus der Lehrerschaft ist zu hören, dass man vor allem die Schülerinnen und Schüler der unteren Klassen selten so konzentriert erlebt habe wie in dieser Woche. «Mehr Fokus, mehr geistige Präsenz im Unterricht, mehr Ruhe – ich fand’s grossartig!», sagt eine Lehrerin.
Weniger Cybermobbing
Die Sekundarschule Embrach hat eine solche Test- und Findungsphase schon lange hinter sich. Dort gilt, seit es Smartphones gibt: Man sieht sie nicht, man hört sie nicht, man benutzt sie nicht während und zwischen den Schulstunden. Dieses Regime wurde nach den Sommerferien noch verschärft. Seither müssen die Schülerinnen und Schüler ihre Smartphones abgeben vor der ersten Stunde. Über Mittag und nach der letzten Stunde am Nachmittag dürfen die Jugendlichen ihre Geräte wieder abholen.
In Notfällen können Eltern ihre Kinder übers Sekretariat erreichen. Die Reaktionen auf die Abgabepflicht seien fast nur positiv gewesen. «Viele Eltern sind froh, wenn ihre Kinder in der Schule eine Smartphone-Pause haben», sagt Michael Wyss, der Co-Schulleiter.
Und: «Mittlerweile lassen etwa 60 Prozent unserer Schülerinnen und Schüler ihre Handys von Anfang an zu Hause», sagt Wyss. Die Sekundarschule im Zürcher Unterland darf sich bestätigt fühlen. Die Zahl jener Jugendlichen, die beleidigende Textnachrichten erhielten, ging im Vergleich zum vergangenen Jahr massiv zurück, wie eine Umfrage unter Embracher Sekundarschülern zeigt.
In flagranti erwischt
Die Schulleitung geht noch weiter. «Eigentlich sollten Smartphones auf dem Schulgelände im ganzen Kanton verboten sein, hier sollte die Politik Druck machen», sagt Wyss. Der Schulleiter weist jedoch auch darauf hin, dass ein totales Smartphone-Verbot nur dann Sinn ergebe, wenn alle Jugendlichen über ein anderes Gerät für den digitalisierten Unterricht verfügten. In Embrach arbeiten alle Schüler mit iPads, die von der Schule zur Verfügung gestellt und verwaltet werden.
Und in Uster?
Am Oberländer Gymnasium gibt es auch kritische Stimmen. «Diese eine Woche ohne Handy überleben alle», sagt Ida Thalmann, eine Vertreterin der Schülerorganisation der Kantonsschule. Die 17-Jährige gibt zu bedenken, dass ein Smartphone auch ein Zufluchtsort sein könne. Wenn man einmal allein sein, mit niemandem reden und auch kein Buch lesen wolle. Und: «Wir sollen lernen, uns in der digitalen Welt zurechtzufinden. Dazu gehört für mich auch ein gesunder Umgang mit dem Handy.»
Und es stellen sich weitere Fragen. Zum Beispiel diese: Was tun, wenn man am Nachmittag eine Prüfung hat und in der Mittagspause in der Mensa noch schnell etwas nachschauen will? Richtig: Man greift zum Smartphone. Die Antwort der beiden Schülerinnen, die dabei in flagranti erwischt werden: «Oh, das Handy-Verbot – das haben wir vergessen.»