Achtziger-Jahre-Glamour in «Joan», in «Ein neuer Sommer» ist auch die Mode überdreht, und «Kaos» kleidet Zeus in Jogginganzüge von Luxusmarken – Serien zeigen, wie wichtig Mode als Stilmittel sein kann.
«Industry» zu schauen, das könnte durchaus gut für das Portemonnaie sein. Nicht etwa, weil man dort viel über cleveres Investieren lernen würde. Dafür gibt es sicher geeignetere Quellen als die 2020 gestartete HBO-Serie über die fiktionale Tradingfirma Pierpoint & Co. in London. Sondern eher, weil man nicht versucht ist, den Protagonistinnen und Protagonisten ihre gesamte Garderobe nachzukaufen.
Schlecht sehen sie zwar nicht aus, die ständig gestressten, ständig intrigierenden Angestellten um die Banking-Newcomer Harper Stern, Yasmin Kara-Hanani und Robert Spearing. Aber auch nicht besonders gut. Vielmehr verraten sie mit ihrer Kleidung – ihren Daunengilets, Hermès-Gürteln, Seidenblusen und an bieder grenzenden Pumps – mehr, als sie vielleicht wollen.
In der dritten Staffel von «Industry» trennt Yasmin und Robert modisch nicht mehr viel. Nur ein Cap vom Cresta Run 2009 in St. Moritz weist darauf hin, dass sie privilegiert aufgewachsen ist und er nicht.
Mode ist für sie ein Mittel, um dazuzugehören und professionell auszusehen, was auch immer das heute heissen mag. Harper (Myha’la Herrold) kopiert regelmässig ihre Vorbilder und fällt mit ihrer Michael-Kors-Tasche trotzdem eher ungünstig auf. Yasmin (Marisa Abela) geht so sorglos mit ihren teuren Kleidern um, wie das eben Menschen tun, die nichts anderes gewohnt sind. Und je erfolgreicher Robert (Harry Lawtey) wird, desto mehr traut er sich auch modisch. Geld und Geschmack duellieren sich permanent. Einen klaren Gewinner gibt es nicht.
Nun, da die Serie in ihrer dritten Staffel ist, sind einige Auswüchse davon Kult geworden: Wie schon bei «Succession» hat HBO das Potenzial von fiktiven Werbegeschenken erkannt und verkauft Hoodies, Caps, Polo-Shirts, Handyhüllen und Kaffeetassen mit «Pierpoint & Co.»-Schriftzug darauf. Ob die als gutes Investment gelten?
Tipp von Jana Schibli: «Industry», dritte Staffel ab 30. Oktober auf Sky Show.
Eine junge, wegen eines groben Tweets über die falsche Person in Ungnade gefallene Autorin muss für eine alternde Comedy-Diva arbeiten, deren Stern zu sinken droht. «Hacks», die mit einem Emmy ausgezeichnete Serie, lebt von Kontrasten und davon, verschiedene Generationen auch modisch voneinander abzugrenzen und gegeneinander auszuspielen: Las Vegas trifft auf Los Angeles, Paillettenanzug trifft auf Jeans und T-Shirt, Highheels auf Combatboots, Föhnfrisur auf glatten Bob, Powerfrau und Altfeministin auf woke Gen Z.
Man geniesst die Spannung zwischen Jean Smart als Stand-up-Comedian Deborah Vance und Hannah Einbinder als im Leben schlingernde Autorin Ava Daniels. Natürlich ist diese Vorlage nicht neu, und es wird von Anfang an deutlich, dass sich zwischen den beiden Frauen eine Freundschaft entwickeln wird. Im Gegensatz zu Klassikern dieses Genres wie «Der Teufel trägt Prada» sind die Charaktere aber sorgfältiger ausgeleuchtet, die Protagonistinnen werden menschlicher dargestellt, mit deutlichen Schwächen. Die Ausstattung der Serie ist sehr gut gelungen (warten Sie nur, bis Sie Deborah Vance’ Tourbus sehen), die Sidekicks überaus liebenswert: «Hacks» bietet zwar eher oberflächliche, aber gute und durchaus zeitgemässe Unterhaltung.
Tipp von Malena Ruder: «Hacks», 2 Staffeln, auf Netflix.
Im Jahr 1600 erreicht ein niederländisches Handelsschiff die Küste Japans. Seine ausgehungerte Besatzung, zu der der Navigator John Blackthorne gehört, wird von Samurais gefangen genommen und dem Fürsten Yabushige übergeben. Und plötzlich findet sich Blackthorne in den Machtspielen des japanischen Hochadels wieder, umgeben von ranghohen Generälen – und der Übersetzerin Lady Mariko. «Shōgun» erzählt von Intrigen, Machtkämpfen und offenem Krieg. Die Serie basiert auf wahren Begebenheiten, als das lange isolierte Japan begann, sich der Aussenwelt zu öffnen.
An den Emmys regnete es Auszeichnungen für «Shōgun»: 18 Awards nahmen Schauspieler und Produzenten entgegen. Darunter auch den für die besten historischen Kostüme.
Der verantwortliche Kostümbildner Carlos Rosario erklärte, dass er sich bewusst gegen Inspirationen aus japanischen Filmen oder Serien entschieden habe. «Es war mir wichtig, direkt zur Quelle zu gehen. Deshalb haben wir Gemälde aus dieser Epoche studiert und analysiert», sagte Rosario im Interview mit der amerikanischen «Vogue».
Kostümdesign und Kulissen in «Shōgun» überzeugen mit Detailliebe: Kunstvoll geschnittene Kimonos, historisch akkurate Stoffe und bis ins kleinste Detail durchdachte Outfits – von der Haarnadel der Protagonistin bis zur Schuhsohle des Statisten – prägen jede Szene der Serie. Nach «Shōgun» könnte tatsächlich der Drang wachsen, am nächsten Tag im Kimono zur Arbeit zu erscheinen.
Tipp von Simone Lo Bartolo: «Shōgun», 1 Staffel, auf Disney+.
Am 18. Oktober 2024 startet die Krimiserie «Joan» auf Blue Play. Sophie Turner spielt darin die als «Godmother» (Patin) in die Geschichte eingegangene Juwelendiebin Joan Hannington aus London. Hannington hat mit «I Am What I Am: The True Story of Britain’s Most Notorious Jewel Thief» im Jahr 2002 ihre Geschichte niedergeschrieben, die Drehbuchautorin Anna Symon hat sie für die Serie adaptiert. Politisch schwingt in den 1980ern Margaret Thatcher das Regierungszepter, und eigentlich waren Biografien wie jene der Joan Hannington, die mit 13 Jahren das Haus verliess, sehr jung Mutter wurde und einen verurteilten Kriminellen ehelichte, zu jener Zeit eher trist und hoffnungslos. Nicht aber «Joan».
Hannington verliess den prügelnden Räuber und ersten Ehemann Ray Pavey und gab ihre Tochter zum Schutz vor zu viel sozialer Unberechenbarkeit in eine Pflegefamilie. Auf die Beine wollte sie kommen und vor allem wieder ihre Tochter zu sich holen. Schicksalhaft dann der erste Job: Auf der Suche nach Arbeit landete sie in einem Juweliergeschäft, dessen Inhaber ein schmieriger alter Grabscher war. Für seine Anzüglichkeiten und Übergriffe hat ihn Hannington damit bestraft, drei seiner Diamanten während einer Inventur zu schlucken. So beginnt die sechsteilige Serie – man kann sich nur zu gut vorstellen, wie fesselnd und unterhaltsam das Filmteam unter dem Regisseur Richard Laxton die weitere Geschichte zu erzählen vermag. Und das ganz ohne Klamauk.
Modisches Chamäleon: Sophie Turner in ihrer Rolle als Joan zwischen casual-leger und 1980er-Mob-Wife-Pelzchic. Rechts: Sophie Turner mit Frank Dillane, der die Rolle des Boisie Hannington spielt.
Hannington brilliert nicht nur charakterlich als Verwandlungskünstlerin, sondern auch im Hinblick auf ihren Stil. Die Kleidung wechselt zwischen elegant-abgebrühtem Glamour mit Pelz, akkurat sitzenden Kleidern, adretten Frisuren und dem Stil einer zugänglichen, jungen Frau und Mutter von nebenan in Sweater, Karotten-Jeans und Bomberjacke. Die Kostüme sind eine Mischung aus 1980er-Glam-Pop, Debbie Harry (und hier nicht nur das Styling, auch die Frisur) und weiteren selbstbewussten 1980er-Schulterpolster-Frauen, die Glamour und Attitude nonchalant zur Schau trugen – als Schutz, Tarnung, Stärke oder Ablenkungsmanöver.
Die um die hundert Serienkostüme stammen gemäss britischer «Grazia» von Ebay, aus Vintage-Läden und aus den Kollektionen von Designern wie Thierry Mugler, inspiriert sind die Looks von Magazinen jener Zeit, wie der «Vogue» oder «Cosmopolitan». Freuen Sie sich auf eine Zeitreise in die Achtziger.
Tipp von Ulrike Hug: «Joan», ab 18. Oktober 2024 auf Blue Play.
Ja, hier werden nicht von ungefähr Erinnerungen an Soap-Operas und Danielle-Steel-Filme wach: «Ein neuer Sommer» kratzt ab und an tüchtig am Kitsch. Schöne Menschen in schönen Kleidern an schönen Stränden und in schönen Häusern: Da hilft auch Nicole Kidman als böse Fast-Schwiegermutter nicht. Das in Nantucket spielende Drama um einen Mordfall, der die Hochzeit zwischen der Normalo-Tierpflegerin Amelia und einem reichen Erben verhindert, ist trotz der eigentlich tragischen Ausgangslage wie ein etwas zu süsser Rosé: süffig, aber nicht ganz ernst zu nehmen, und zu viel davon muss es dann auch nicht sein.
Am stärksten ist die Miniserie von Susanne Bier nach dem Roman «The Perfect Couple» von Elin Hilderbrand immer dann, wenn sie überdreht, auch bei den Kostümen: Nicole Kidman als Greer Winbury mit überirdisch gut sitzendem Wolkenhaar, das sogar von ihren sorgfältig gebundenen Schluppenblusen ablenkt. Die betont schlabbrigen Jersey-Outfits von Eve Hewson als Amelia Sacks, die auf den ersten Blick klarmachen, dass sie nicht zu den reichen Winburys passt. Und natürlich das aus Bändern bestehende Missoni-Kleid der Trauzeugin Merritt Monaco (Meghann Fahy). Die Ausstattung des Films der Kostümdesignerin Signe Sejlund rief so viel Entzücken hervor, dass es sogar Anleitungen zum Nachshoppen gibt.
Tipp von Malena Ruder: «Ein neuer Sommer», Miniserie, auf Netflix.
Die Netflix-Serie «Monster: Die Geschichte von Lyle und Erik Menendez» ist die zweite Staffel von Ryan Murphys «Monster»-Anthologie und beleuchtet den Mordfall der Menendez-Brüder. 1989 töteten Lyle und Erik ihre Eltern und wurden später zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Die Serie greift den vieldiskutierten Prozess wieder auf, in dem die Brüder behaupteten, aus Notwehr gehandelt zu haben, da sie Opfer von jahrelangem Missbrauch durch ihren Vater gewesen seien. Die Staatsanwaltschaft hingegen sah das Motiv in der Habgier, da die Brüder das Familienvermögen erben wollten. In neun Folgen präsentiert Murphy eine teilweise verstörende und fragmentierte Darstellung der Brüder, bei der die Grenzen zwischen Tätern und Opfern verwischen.
Die Kritik fiel durchzogen aus; aufgrund von fehlendem gedanklichem Überbau, Unwahrheiten, «abscheulichen Charakterporträts» der Brüder (so zumindest Erik Menendez’ Kritik aus dem Gefängnis) und überkommenen Klischees über männliches sexuelles Trauma.
Was überzeugt, sind die Kostüme – wie so oft in Ryan Murphys Werken, wie «Feud: Capote vs. the Swans», «The Assassination of Gianni Versace: American Crime Story» oder «Halston». In «Monster: Die Geschichte von Lyle und Erik Menendez» spiegeln sie die späten 1980er und frühen 1990er Jahre wider, vor allem aber unterstützen sie den Plot: In der ersten Hälfte der Serie tragen Lyle und Erik vor allem Kleidung in entspannter Upperclass-Eleganz; Polohemden, Bootsschuhe, Zopfpullover über den Schultern, goldene Uhren, Tennis-Looks. Marken wie Ralph Lauren sind mehrfach zu sehen. Die Kostüme unterstreichen ihre privilegierte Jugend und den luxuriösen und oberflächlichen Lebensstil der beiden vor der Festnahme.
Auf Tiktok ahmen Männer den sportlichen Preppy-Look der beiden Brüder nach.
Ab ihrer Verhaftung verschwinden die Farben, die edlen Fasern und lässigen Looks; abgelöst von der Gefängniskluft und dunklen Anzügen für die Zeit im Gerichtssaal. Die funktionieren aber wie eine Leinwand für die Psyche der beiden: Ab da bekommen die Serien-Charaktere deutlich mehr Tiefe und die Zuschauerin und der Zuschauer nur schlecht auszuhaltende Einblicke in die (vermeintlichen) Abgründe der Familie Menendez.
Tipp von Sonja Siegenthaler: «Monster: Die Geschichte von Lyle und Erik Menendez», eine Staffel auf Netflix.
Wen Jeff Goldblum hier im Bild am Grill stehend mit einem blauen Tracksuit aus Samt, goldener Uhr und markanter Sonnenbrille darstellt? Nein, keinen Mafiaboss, und nein, auch keinen Pimp. Der amerikanische Schauspieler spielt in der Netflix-Serie «Kaos» niemand Geringeren als den Herrscher des Olymps: Zeus.
Die achtteilige Serie handelt vom Sturz der göttlichen Ordnung des antiken Griechenland durch die Sterblichen. Doch hegt die Serie in keinster Weise den Anspruch, die griechische Mythologie den Überlieferungen getreu wiederzugeben. Vielmehr ist «Kaos» eine moderne Interpretation davon. Da wäre Zeus, der die meiste Zeit mit Golfen verbringt und seine Sklaven kurzerhand erschiesst, als sie ihm die Frage nicht beantworten können, wer seine Uhr geklaut hat.
Das betrifft auch die Kostüme: Den modernen Zeus gibt es nur im Jogginganzug. In der ersten Szene läuft er in einem weissen, mit Strasssteinen besetzten Trainer von Celine durch die marmornen Hallen seines Zuhauses, des Olymps. Es folgen ein samtiges Exemplar von Tom Ford und ein weisses von Gucci. So konstant wie seine Arroganz sind auch seine Outfits in der Serie.
Der antike Göttervater in Trainingsanzügen für Neureiche. Auf den ersten Blick geht das nicht zusammen. Doch dann passt es trotzdem, und wie: Die Kleidung unterstreicht seinen maliziösen und ignoranten Charakter. Die Kostümdesignerin Rebecca Hale beschreibt es passend gegenüber dem Magazin «GQ»: «Es ist so einfach, und doch sieht er so mächtig und böse aus.»
Tipp von Claude Menzi: «Kaos», eine Staffel auf Netflix.