Der kanadische Psychologe und Buchautor Jordan Peterson ist der Poster-Boy der rechten Intellektuellen. Sein Outfit nutzt er als Verstärker seiner konservativen Thesen.
Warum sollte ein Mann sich vom Schneider einen Anzug machen lassen, der je zur Hälfte rot und blau ist? Geht er damit an die Basler Fasnacht? Oder gibt es andere Gründe, sich mit einer «Bicolor-Schale» zu exponieren? Der kanadische Psychologe und Erfolgsautor Jordan Peterson hat so einen Anzug – die linke Körperseite ist stahlblau, die rechte beerenrot.
Er trägt den Anzug oft zu öffentlichen Auftritten, während deren er sich zu Fragen des Zeitgeists, der Politik und der Gesellschaft auslässt. Doch anders, als man auf den ersten Blick vermuten möchte, ist dies kein lavierendes Nichtbekenntnis zu den politischen Fronten in den USA: Blau für die Demokraten, Rot für die Republikaner. Sondern ein Hinweis auf seinen 2018 veröffentlichten Bestseller «12 Rules For Life: An Antidote to Chaos».
Der blau-rote Anzug steht für eine von Petersons zwölf Regeln und repräsentiert Himmel und Hölle. Unter dem Kragen ist die Kapitelüberschrift gestickt, das Innenfutter zeigt einmal einen hellblauen Himmel mit weissen Wolken, auf der anderen Seite ein loderndes Fegefeuer.
«Dress like a rockstar»
Gefertigt wurde der Anzug – wie weitere elf von Petersons oft auffälligen Outfits, die sein bekanntestes Werk illustrieren – von einer international tätigen Firma namens LGFG Fashion House. Der Slogan des ursprünglich in Kanada gegründeten Unternehmens lautet «Dress like a rockstar». Das mag etwas zweifelhaft sein, aber offenbar funktioniert es. Zu den Kunden gehören der Schockrocker Alice Cooper oder der Rapper Tommy Cash.
Jordan B. Peterson ist derzeit das sichtbarste Aushängeschild von LGFG. Denn der 62-jährige Peterson hat viel Publikum: 8,2 Millionen Follower auf Instagram, 7,7 Millionen Abonnenten auf Youtube, 5,1 Millionen Zuschauer auf X (vormals Twitter), 2,8 Millionen Zuschauer auf Facebook, 2,3 Millionen auf Tiktok.
Die Menschen schauen Jordan Peterson zu, weil er intelligent, wortgewandt, streitlustig und provokativ ist. Er sieht gut aus. Und sie folgen ihm teilweise natürlich auch, weil er sie nervt. Petersons Positionen sind konservativ, was ihn zum roten Tuch für die tonangebenden woken Gemeinschaften der Welt macht.
Er kritisiert das Gendern und die Political Correctness, verteidigt die freie Rede, verabscheut marxistische Ideen und scheut auch die Nähe zu Klimaleugnern nicht. Manche ordnen Peterson deshalb ins ultrarechte politische Lager («Alt-Right») ein, er selbst nennt sich einen klassischen Liberalen britischer Prägung.
Klassisch ist auch sein Stil. Auch damit punktet Jordan Peterson beim konservativen Publikum. Seine Vorliebe für eher neutrale Anzüge, Hemden, Krawatten, Tweeds, Pullover und klassische Schnürschuhe unterscheidet den kanadischen Professor deutlich von den heute üblichen Sweatshirt-Intellektuellen, die über unverbindliche Kleider den grösstmöglichen Konsens beziehungsweise Kuschelkurs suchen.
Kompromisslos maskulin
Bei Peterson fügen sich Inhalt und Verpackung harmonisch zu einem stimmigen Paket. Der graue Fischgrat-Tweed mit den Lederknöpfen, der gedeckte Karo-Dreiteiler, die wollene Weste, das edle Nachtblau seiner Anzüge, das dezente Bleu seiner Oxford-Hemden mit Button-down-Kragen – alles wie aus dem Musterbuch der klassischen Männermode. Zweifelsfrei maskulin, nichts genderfluid.
Nur ab und zu leistet sich Peterson einen Ausflug ins Dandyhafte, sei es mit dem eingangs erwähnten Zweitonanzug oder mit einem streitbaren hellblauen Outfit mit weissem Revers, in dem er, wie Kritiker höhnen, «wie ein arbeitsloser Clown» aussehe.
Ob Jordan Petersons klassische Garderobe nun «rechts» ist, darf man bezweifeln. Zwar stehen Anzug und Krawatte traditionell für Ordnung, Verantwortung, Tradition und Evolution – Themen, die auch in Petersons Schriften wichtig sind. Doch der konservative Mainstream ist heute eher mit goldenen Sneakers, Yeezy-Hoodies (Marke von Kanye West), Slogan-Shirts und roten Maga-Schildmützen ausgestattet.
Wenn, dann ist die gute alte Klassik, wie Peterson sie trägt, schon eher Avantgarde, denn auf den internationalen Bühnen zeichnet sich das Comeback der traditionellen Stilmerkmale erst scheu ab. Vielleicht ist Peterson bloss seiner Zeit voraus.