Chanukka, das jüdische Lichterfest, wird dieses Jahr so spät gefeiert wie kaum je und überschneidet sich mit Neujahr. Wie kommt’s?
Das christliche Weihnachtsfest wird in diesen Tagen rund um den Erdball begangen. Das jüdische Chanukka-Fest hingegen feiern schon aus demografischen Gründen viel weniger Menschen. Und dann gibt es Familien, die feiern Weihnukka, in den USA Chrismukkah genannt.
Es handelt sich dabei um eine Wortverschmelzung der Namen der beiden Feste, die eigentlich nichts miteinander zu tun, aber doch einige Gemeinsamkeiten haben.
So sind beides Lichterfeste, die in die dunkelste Zeit des Jahres fallen. Und Geschenke gehören zur Freude der Kinder beider Religionen auch dazu. Weihnukka, also die friedliche Vereinigung des Tannenbaumes mit dem achtarmigen Chanukkaleuchter, wird in jenen Familien gefeiert werden, in denen der eine Teil christlich, der andere jüdisch ist. Und denen Gemeinsamkeiten zumindest in diesen winterlichen Tagen wichtiger sind als Trennendes.
Doch schon der deutsch-jüdische Schriftsteller Erich Mühsam dichtete mit Blick auf die jüdischen Ursprünge der Weihnachtsgeschichte und des Christkindes: «Und ist es auch schon lange her, seit’s in der Krippe lag, so freun sich doch die Menschen sehr (. . .) (Das Volk allein, dem es geschah, das feiert lieber Chanukka.)»
Tatsächlich ist für religiöse Jüdinnen und Juden Weihnachten, das Fest der Geburt von Jesus, tabu. Sie blicken mit Chanukka dafür auf die Wiedereinweihung des zweiten Tempels in Jerusalem im Jahre 164 v. Chr. Kurz davor hatten die Makkabäer die Herrschaft der griechisch-syrischen Seleukiden beendet. Und damit aus jüdischer Sicht die Entweihung des wichtigsten Heiligtums, des Tempels in Jerusalem. Dort hatten die Eroberer Statuen zahlreicher Gottheiten aufgestellt – für die monotheistischen Juden ein absolutes Sakrileg.
Zur Entweihung hatte auch gehört, dass das koschere Öl, mit denen der heilige Leuchter angezündet wurde, fast komplett verdorben war, mit Ausnahme eines bescheidenen Krügleins. Dennoch reichte diese kleine Menge Öl aus, um den Leuchter während acht Tagen zu unterhalten. Am Ende dieser acht Tage war wieder genügend koscheres Öl vorhanden für ein dauerhaftes Licht.
Aus diesem Grund werden in Erinnerung an jenes «Chanukka-Wunder» jeweils acht Kerzen angezündet – in aufsteigender Form und mit einer Kerze am ersten Abend beginnend. Meist geschieht dies nach dem Eindunkeln, also dann, wenn jeweils alle jüdischen Feste und ebenso der wöchentliche Schabbat beginnen.
Doch im Gegensatz zu Weihnachten, das immer auf den 24. Dezember fällt, wandert Chanukka innerhalb einer gewissen Zeitspanne, nämlich zwischen frühestens der letzten Novemberwoche und spätestens der letzten Dezemberwoche. Dabei kennt im Grunde auch Chanukka sein fixes Datum: Das Fest beginnt immer am 25. des hebräischen Monats Kislew.
Wie erklärt sich dieser scheinbare Widerspruch? Am ehesten mit einem Blick auf die Zeitberechnung der drei monotheistischen Religionen: Im Gegensatz zum christlichen gregorianischen Kalender, der nach der Sonne berechnet wird, oder der islamischen Zeitrechnung, die den Mond ins Zentrum stellt, ist der jüdische Kalender eine Mischung von Sonne und Mond. Das heisst, dass ein normales jüdisches Jahr mit 12 Mondmonaten nur 354 Tage und nicht 365 Tage dauert. Es braucht also eine Art Mechanismus, um die fehlenden Tage zu ergänzen. Dies, damit die jüdischen Feste – ungleich den muslimischen – nicht durchs Jahr wandern.
Diese Vorgabe gilt vor allem für die Feier von Pessach. An Pessach wird der Auszug des jüdischen Volkes aus der ägyptischen Sklaverei gefeiert. Es ist das Fest der Erlösung, das im Alten Testament gleich mehrfach im «Frühlingsmonat» Nissan verortet wird: «Hüte den Frühlingsmonat, und mache Pessach für den Ewigen, deinen Gott.»
Dieses Fest muss also im Frühling gefeiert werden, und alle anderen jüdischen Feste, auch das Neujahrsfest Rosch ha-Schana im siebten Monat Tischri, richten sich kalendarisch danach.
Doch wie schafft der jüdische Kalender dies, da doch der Sonnenkalender nicht mit dem Zyklus der Monderneuerung übereinstimmt? Er tut dies nicht mit einem Schalttag, wie ihn der gregorianische Kalender mit dem 29. Februar kennt. Sondern gleich mit einem ganzen Schaltmonat.
Dieser funktioniert nach einem 19-Jahre-Zyklus: 7-mal gibt es in diesem Zyklus ein Schaltjahr. Im jüdischen Schaltjahr wird der Monat Adar, im Kalender unmittelbar vor Nissan gelegen, zweifach geführt. Diese Schaltjahre gleichen den Unterschied zwischen Sonnen- und Mondjahr aus und sorgen dann für den Effekt, dass Pessach tatsächlich immer im (meteorologischen) Frühling gefeiert werden kann.
Der Schaltmonat wirkt sich natürlich auf Chanukka aus, dessen erstes Licht dieses Jahr erst am 25. Dezember angezündet wird, also so spät wie erst einmal in diesem Jahrtausend, nämlich 2005. Bis zum achten und letzten Chanukka-Licht am 1. Januar ist dann sogar der Jahreswechsel vollzogen.
Chanukka und Neujahr: Aus jüdisch-kalendarischer Sicht ist dieses Zusammentreffen zwar zufällig, öffnet aber Perspektiven: So können auch Jüdinnen und Juden, die dem gregorianischen Kalender eher im Geschäfts- als im Privatleben Beachtung schenken, wenigstens ein bisschen Silvester feiern: Denn an Chanukka ist es üblich, in den Familien Spiele zu veranstalten oder gut und reichlich zu essen – Elemente, die bei vielen Menschen auch den Silvester bestimmen.
So könnte es also zum Jahreswechsel da und dort passieren, dass im Scheine der brennenden Chanukka-Kerzen (und vielleicht auch des Weihnachtsbaumes) am Fernsehgerät «Dinner for One», der Spengler-Cup in Davos, das Neujahrskonzert aus Wien oder andere typische Silvestersendungen über den Bildschirm flimmern – eine auf jeden Fall spezielle Konstellation.