Die Vorlagen zur Untermiete und zum Eigenbedarf, über die wir am 24. November abstimmen, polarisieren. Der Abstimmungskampf ist aggressiv, die Rede ist von einem Angriff auf die Mieterrechte. Aber worum geht es wirklich? Zwei Mietrechtsexpertinnen erklären.
Frau Steiner und Frau Sommer, das Schweizer Mietrecht ist kompliziert. Die anstehenden Abstimmungen verunsichern viele Menschen. Lassen Sie uns anhand des fiktiven Mieterpaars Mägli und ihrer Vermieter, der Vetterlis, durchspielen, welche Rechte Mieter und Vermieter heute haben und was sich bei einer Annahme der Vorlagen ändern würde. Die Mäglis wohnen in einer 4,5-Zimmer-Wohnung in einem Sechs-Familien-Haus in Zürich, das den Vetterlis gehört. Die Mäglis wollen für sechs Monate auf Weltreise gehen und ihre Wohnung während dieser Zeit an die Familie Unternährer untervermieten. Dürfen sie das nach heutigem Recht?
Larissa Steiner: Ja, das dürfen sie. Die Mäglis müssen bei den Vetterlis die Zustimmung für die Untervermietung einholen und dann mit den Unternährers einen Untermietvertrag abschliessen. Auf Antrag der Vetterlis müssen sie auch die Konditionen der Untermiete bekanntgeben, das heisst, für wie lange und zu welchem Preis die Wohnung untervermietet wird.
Die Vetterlis wollen eigentlich nicht, dass Leute in ihrem Haus wohnen, die sie als Vermieter nicht selber ausgesucht haben. Können sie das Begehren auf Untermiete ablehnen?
Monika Sommer: Grundsätzlich nicht. Die Mäglis haben ein Anrecht, ihre Wohnung unterzuvermieten. Eine Ablehnung ist heute nur aus drei Gründen möglich, die im Gesetz festgehalten sind: wenn sie sich weigern, den Vetterlis die Bedingungen der Untermiete bekanntzugeben, wenn sie sich mit der Untermiete bereichern oder wenn den Vetterlis aus der Untermiete an die Unternährers wesentliche Nachteile entstehen.
Steiner: Ein persönliches Missbefinden der Vetterlis ist kein legitimer Grund, die Untermiete zu untersagen.
Wenn die Vorlage zur Untermiete angenommen würde, wäre die genannte Untervermietung immer noch möglich?
Sommer: An der Zulässigkeit ändert sich nichts. Aber eine sechsmonatige Untervermietung müssten sie auch künftig akzeptieren. Die Vetterlis hätten einfach Anspruch darauf, dass die Mieter, die Mäglis, ihr Begehren schriftlich machen und dabei auch ohne explizites Nachfragen den Namen der Untermieter und die Vertragsbedingungen bekanntgeben.
Sehen Sie in diesem Anspruch auf Schriftlichkeit ein Problem für die Mäglis?
Steiner: Nein, denn Schriftlichkeit ist heute schon «good practice».
Kurz nach der Weltreise wird Frau Mägli NZZ-Korrespondentin und soll mit ihrem Mann für rund vier Jahre ins Ausland. Ihre Wohnung würden die zwei sicherheitshalber gerne behalten und an ein Paar, die Ullrichs, untervermieten. Nach heutigem Recht: Ist es klar, dass sie das dürfen?
Steiner: Wenn eine definitive Absicht besteht, nachher wieder in dieser Wohnung zu wohnen, dürften vier Jahre drinliegen.
Gibt es eine Gerichtspraxis zur erlaubten Dauer?
Steiner: Ich kenne aus der Rechtsprechung einen Fall, in dem eine zehnjährige Abwesenheit als zu lange beurteilt wurde. Und einen weiteren, allerdings nur auf kantonaler Ebene, in dem eine vierjährige Abwesenheit als zulässig angesehen wurde. Was zwischen vier und zehn Jahren gilt, ist nicht geregelt. Aber entscheidend ist weniger die Dauer, sondern mehr die Rückkehrabsicht.
Sommer: Genau diese Rückkehrabsicht ist für die Vetterlis schwer fassbar. Sie können ja nicht in den Kopf ihrer Mieter, der Mäglis, hineinsehen. In einem Verfahren lässt sich die fehlende Rückkehrabsicht kaum beweisen. Darum haben die Parlamentarier, welche die Vorlage zur Untermiete ausgearbeitet haben, die Zwei-Jahre-Regel hineingenommen.
Steiner: Wird die Vorlage angenommen, können die Mäglis nicht mehr automatisch davon ausgehen, dass ihnen eine vierjährige Untervermietung erlaubt wird. Bei mehr als zwei Jahren sind die Vetterlis nicht mehr verpflichtet, der Untervermietung zuzustimmen. Aber sie dürfen ja sagen, wenn sie die Mäglis langfristig als Mieter behalten wollen.
Bei der Auswahl ihrer Untermieter hatten die Mäglis kein gutes Händchen. Die Ullrichs feiern gerne bis spät in die Nacht. Die Nachbarn im Haus beklagen sich. Was können die Vetterlis unter heutigem Recht tun?
Sommer: Unabhängig davon, wer die Mietwohnung nutzt, haben die Vetterlis als Vermieter Anspruch auf eine vertragskonforme Nutzung. Dazu gehört auch, dass man nicht übermässig Lärm machen darf. Das heisst, die Vetterlis können die Mäglis schriftlich abmahnen und ihnen ausserordentlich künden, falls das Problem, das die Ullrichs als Untermieter verursachen, nicht innert einer vorgegebenen Frist gelöst ist.
Steiner: Die Mäglis sind hier als Mieter in der Pflicht. Sie müssen entweder die Ullrichs abmahnen oder den Untermietvertrag auflösen.
Eine nicht bewilligte Untervermietung soll im Gesetz neu als Grund für eine ausserordentliche Kündigung aufgeführt sein. Ebenso, wenn die Mieterschaft falsche Angaben zu den Konditionen der Untermiete macht. Das tönt nach einer sehr harten Sanktion.
Sommer: Das ist überhaupt nichts Drastisches. Diese Möglichkeit gibt es schon heute: Eine gesetzeswidrige Untervermietung bedeutet eine Verletzung der Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflicht. Da kann man schon heute ausserordentlich kündigen. Die Sanktion ist jetzt einfach ausdrücklich im Gesetz erwähnt.
Steiner: Die Rechtsmittel sind die gleichen. Allerdings würde mit der Gesetzesänderung der Anwendungsbereich ausgeweitet. Die Vetterlis könnten den Mäglis künftig auch ausserordentlich kündigen, wenn deren Untervermietung zwei Jahre übersteigt, ohne dass sie dem zugestimmt haben. Aber auch da gilt: Zuerst braucht es eine schriftliche Abmahnung. Nur wenn dieser keine Folge geleistet wird, kann die ausserordentliche Kündigung erfolgen.
Nun haben sich die Mäglis getrennt. Frau Mägli zieht aus, Herr Mägli bleibt in der Wohnung. Weil er sich die Miete alleine nur knapp leisten kann, möchte er ein Zimmer untervermieten. Er macht also eine WG. Können ihm die Vetterlis als Vermieter das verwehren?
Steiner: Unter heutigem Recht nicht. Nach neuem Recht schon, weil die Mäglis ihre Wohnung ja früher schon untervermietet haben für insgesamt mehr als zwei Jahre.
Sommer: Das sehe ich überhaupt nicht so. Es steht nirgends im Gesetz, dass eine Untervermietung nur ein einziges Mal für maximal zwei Jahre stattfinden darf. Und auch bei der Ausarbeitung des Gesetzes war dies kein Thema. Wenn Herr Mägli unter dem neuen Recht ein Zimmer untervermieten will, hat das nichts mit den früheren Untervermietungen zu tun. Darum ist für mich klar: Für zwei Jahre ist diese Untermiete möglich, dann muss Herr Mägli ein neues Gesuch stellen. Wenn die Vetterlis dann sagen, sie hätten langsam genug von dieser ständigen Untervermieterei, können sie Nein sagen. Herr Mägli kann sich dann an die Schlichtungsbehörde wenden, die beurteilen muss, ob aneinandergereihte zweijährige Untervermietungen unzulässig sind oder nicht.
Hinsichtlich der Auswirkungen der geplanten Zwei-Jahre-Regel bei der Untermiete gehen die Einschätzungen der beiden Mietrechtlerinnen auseinander.
Und wenn Herr Mägli statt einer fixen Untervermietung ein Zimmer auf Airbnb anbietet, um so etwas Geld für seine Miete zu verdienen?
Steiner: Ein Zimmer in Zürich kostet auf Airbnb typischerweise rund 200 Franken pro Nacht. Eine solche Untervermietung ist jetzt schon nicht zulässig, denn man darf sich mit der Untermiete nicht bereichern.
Nun kommt bei Herrn Mägli plötzlich auch noch der Eigenbedarf ins Spiel. Tatjana, die Tochter der Vetterlis, ist schwanger. Sie würde gerne aus ihrer WG ausziehen und mit ihrem Mann zusammenziehen. Die Vetterlis kündigen Herrn Mägli auf den nächsten ordentlichen Termin mit der normalen Kündigungsfrist von drei Monaten, damit ihre Tochter einziehen kann. Dürfen sie das?
Steiner: Ja, das dürfen sie, sowohl heute als auch wenn die Vorlagen angenommen würden.
Sommer: Hier geht es um eine ordentliche Kündigung. Das ist schlicht kein Fall, der mit der neuen Gesetzesregelung zu tun hat. Bei der Vorlage geht es nicht um den Eigenbedarf als solchen, sondern um den dringenden Eigenbedarf. Dieser kommt nur bei ausserordentlichen Kündigungen zum Tragen.
Sind ausserordentliche Kündigungen bei Wohnungen wegen dringenden Eigenbedarfs überhaupt ein Thema? Wie man sieht: Die Vetterlis können Herrn Mägli ja auch ordentlich relativ rasch kündigen.
Steiner: Ein Thema ist es im Wohnbereich am ehesten dort, wo vertragliche Mindestdauern vereinbart sind. Bei Neubauten heisst es oft, in den ersten achtzehn Monaten könne nicht gekündigt werden. Auch vermietete Einfamilienhäuser haben teilweise Mietverträge, die über mehrere Jahre fest abgeschlossen werden.
Sommer: Ich bin seit über zwanzig Jahren bei der Schlichtungsbehörde und kann mich an keinen Fall erinnern, bei dem es um dringenden Eigenbedarf bei einer normalen Mietwohnung ging.
Herr Mägli ist nicht nur privat Mieter, sondern auch geschäftlich. Er ist Urologe und hat nach der Rückkehr aus dem Ausland zusammen mit zwei anderen Ärzten eine Praxisgemeinschaft gegründet. Die drei sind in eine Liegenschaft in Dietikon eingemietet, wobei Mägli der Hauptmieter ist, die beiden anderen seine Untermieter. Würde sich dort für ihn kurzfristig etwas ändern, wenn die Vorlage angenommen würde?
Steiner: Wenn im Mietvertrag steht, dass die Untervermietung bis zum Ende des Mietvertrags erlaubt ist, ändert sich nichts. Ein Risiko besteht dort, wo die Untermiete vertraglich nicht explizit erlaubt wurde. Das dürften viele Fälle sein, weil es bisher schlicht geltendes Recht war, dass die Untermiete grundsätzlich erlaubt ist. Daher bestand kein Grund, das in den Mietvertrag zu schreiben.
Sommer: Wenn bei diesen Miet- und Untermietverträgen alles korrekt gemacht wurde, ändert sich bis zum Ablauf des Mietvertrags nichts. Diese Zustimmung zur Untermiete wird mit neuem Recht nicht hinfällig. Etwas anderes ist es, wenn Herr Mägli die Zustimmung des Vermieters nicht eingeholt hat. Dann gilt das neue Recht, und der Vermieter kann einer Untervermietung, die ihm nicht genehm ist, nach zwei Jahren einen Riegel schieben. Es ist allerdings höchst unwahrscheinlich, dass Herr Mägli und seine Arztkollegen sich mit ihrer Praxis einmieten, ohne dass alles schriftlich klar festgehalten ist. Das wäre viel zu riskant, denn Praxiseinrichtungen sind sehr teuer.
Nun wurde das Gebäude, in das Herr Mägli mit seiner Praxisgemeinschaft eingemietet ist, verkauft. Der Mietvertrag der Ärzte läuft zwar noch acht Jahre, aber der neue Eigentümer möchte die Praxisräume möglichst bald umnutzen in Büros für sein Unternehmen. Er kündigt Mägli mit der Begründung «dringender Eigenbedarf». Ist das sein gutes Recht?
Sommer: Wenn der Eigenbedarf dringend ist, darf er es. Aber die Frage ist: Ist er wirklich so dringend?
Der Begriff «dringender Eigenbedarf» soll abgeändert werden in «bei objektiver Beurteilung bedeutender und aktueller Eigenbedarf». Was ändert sich dadurch?
Steiner: Was konkret ändert, wird man erst wissen, wenn es Gerichtsentscheide gibt. Aber es ist klar, dass die Schwelle für die Geltendmachung des dringenden beziehungsweise neu bedeutenden und aktuellen Eigenbedarfs sinken wird, weil dies die Absicht hinter der Vorlage war. Die Gerichte werden das bei ihrer Rechtsprechung beachten.
Sommer: Es war der klare Wille des Gesetzgebers, dass man diese Art von bedeutendem Eigenbedarf einfacher beweisbar macht. Künftig soll es nicht mehr eine Notlage des Eigentümers brauchen, damit dieser seine eigene Liegenschaft nutzen darf.
Mietrechtsexpertinnen mit unterschiedlichen Perspektiven
am. Larissa Steiner ist Co-Leiterin Rechtsberatung des Mieterverbands Zürich. Monika Sommer ist stellvertretende Direktorin des Hauseigentümerverbands Schweiz. Die beiden Juristinnen sind auch als Schlichterinnen und am Mietgericht tätig.