Die Weltgesundheitsorganisation hat in Proben von Betroffenen keine neuen Erreger gefunden. Stattdessen treffen altbekannte Viren auf ein geschwächtes Immunsystem. Das bedroht vor allem kleine Kinder.
Erkältungssymptome, stark ansteigende Fallzahlen und Dutzende Todesfälle: Die in der Region Panzi im Südwesten von Kongo-Kinshasa auftretende «Krankheit X» löste in den vergangenen Wochen Beunruhigung aus. Handelt es sich um einen neuen, hochansteckenden Erreger?
Die Meldung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beruhigt diese Sorgen jetzt: Man habe 430 Proben von betroffenen Patienten aus der Region untersucht und darin Erreger von Malaria und einer Reihe von normalen Erkältungs- und Grippeviren gefunden. Das vorläufige Ergebnis der Untersuchung lautet deshalb, dass es gar keine neue «Krankheit X» gibt. Stattdessen gibt es wohl schlicht eine Erkältungs- und Malariawelle, wie sie in Kongo zu Beginn der Regenzeit häufig vorkommt.
Dass ungewöhnlich häufig starke Symptome und Todesfälle vorkommen, führt die WHO in erster Linie auf akute Unterernährung zurück. Denn alle schwer erkrankten Menschen waren unterernährt. Schlechte Ernährung schwächt das Immunsystem, so dass auch relativ harmlose Erreger schwere Erkrankungen auslösen können. Insbesondere bei Kindern unter fünf Jahren, welche die Hälfte aller der «Krankheit X» zugeordneten Todesfälle ausmachen.
Abgelegen, arm und unterversorgt
In den vergangenen Monaten hat der Südwesten von Kongo eine verstärkte Ernährungsunsicherheit erlebt, wie das internationale Expertenkomitee der Integrated Food Security Phase Classification (IPC) bereits im September mitteilte. Und die Lage dürfte sich laut ihren Prognosen weiter verschlechtern. Zwischen Juli 2024 und Juni 2025 werden fast 4,5 Millionen akut unterernährte Kinder unter fünf Jahren in Kongo erwartet. Die Region Panzi, in der sich das Krankheitsgeschehen abspielt, falle ab 2025 in die Kategorie 4 auf der IPC-Skala für Hungersnöte – die zweithöchste Kategorie.
Eine Kombination von Malaria und Erkältungsviren wurde von Experten bereits früh als wahrscheinliche Erklärung für die mysteriöse «Krankheit X» genannt. Doch bis zur offiziellen Bestätigung vergingen Wochen. Denn die Region Panzi ist sehr abgelegen und ländlich. Die Infrastruktur ist schlecht, es gibt kaum Labore und Gesundheitspersonal. Proben von Patienten mussten deshalb ins 700 Kilometer entfernte Kinshasa gebracht werden, um dort im Labor untersucht zu werden. Wegen des schlechten Zustands der Strassen, insbesondere während der Regenzeit, dauert allein diese Fahrt zwei bis drei Tage.
Zwischen Ende Oktober und Mitte Dezember wurden insgesamt 891 Fälle der «Krankheit X» in Kongo gemeldet, darunter 48 Todesfälle. Die hohen Fallzahlen dürften aufgrund der recht unspezifischen Definition der Krankheit zustande gekommen sein. Wer mit Fieber, Husten, Schwäche und einer laufenden Nase bei einem lokalen Gesundheitszentrum auftauchte, wurde als Fall der «Krankheit X» registriert.
Diese Symptome passen gut zu den Erregern, die jetzt in den Proben festgestellt wurden. Mehr als 60 Prozent der erkrankten Menschen waren laut den Laboruntersuchungen mit dem Malaria-Erreger infiziert, mehr als 70 Prozent hatten ein Grippe-, Erkältungs- oder Coronavirus. In vielen Proben wurden gleich mehrere Viren festgestellt. Auch eine solche Infektion mit gleich mehreren Erregern kann die Symptome deutlich verstärken und erhöht das Sterberisiko.
Es droht keine Pandemie
Die WHO teilte mit, die Lage vor Ort weiter genau zu beobachten. Es sei wichtig, Fälle früh zu erkennen und zu behandeln, um die Ausbreitung einzudämmen und die schwersten Folgen zu verhindern. Ausserdem sollen weitere Tests an den gesammelten Proben durchgeführt werden, um die vorläufigen Ergebnisse zu verifizieren.
Für alle, die sich bereits Sorgen um eine neuerliche Pandemie gemacht haben, sind die Ergebnisse der WHO gute Nachrichten. Denn wenn Mangelernährung der wichtigste Faktor für die erschreckend schweren Symptome und die zahlreichen Todesfälle ist, wird die Krankheit ein lokales Phänomen bleiben.
Die «Krankheit X» hat ihre mysteriöse Aura verloren. Und dabei einen ganz anderen Schrecken ins Schlaglicht gerückt: die verheerenden Folgen von Unterernährung.