Nach dem Kennedy-Zentrum sollen nun auch die 21 Museen des Smithsonian-Instituts auf Regierungslinie getrimmt werden. In der Branche spricht man von Zensur, in China dürfte man sich die Hände reiben.
Es gibt kein Entkommen, nirgendwo. Sogar im Museum blickt Trump einem entgegen, sticht heraus aus all den anderen Exponaten, zieht die meisten Besucher an.
Im Nationalmuseum für amerikanische Geschichte fällt er als einziger Präsident auf, gegen den schon zwei Mal ein Amtsenthebungsverfahren geführt worden ist. In der National Portrait Gallery in Washington (DC) hängt ein gemaltes Porträt von jedem der bisher 45 US-Präsidenten – nur von Donald J. Trump ist da stattdessen ein Foto, bis er dereinst Präsident gewesen sein wird.
Ein enormes Trump-Gemälde von Julian Raven aus der letzten Amtszeit lehnte die damalige Direktorin der Portrait Gallery, Kim Sajet ab, sie fand es laut der «Washington Post» «zu politisch», «zu sehr pro Trump» und nicht zuletzt geschmacklos. Diesen Frühling drohte der wiedergewählte Präsident derselben Museumsdirektorin mit der Entlassung; sie kam ihm mit ihrer eigenen Kündigung zuvor.
Ein Museum «ausser Kontrolle»
Donald J. Trump hat sich auf einen Kampf gegen die Museen eingelassen, den er seit diesem Monat immer heftiger führt. Er möchte nicht nur sich selbst vorteilhafter dargestellt sehen, das ganze Land soll in besserem Licht erscheinen. Gerade auf das 250-Jahr-Jubiläum der USA hin, das kommenden Sommer gefeiert wird.
Die meisten Museen sind in Trumps Augen eine linke Bastion von Wokeness und Selbstzerfleischung. «Das Smithsonian ist ausser Kontrolle, dort wird nur darüber gesprochen, wie schrecklich unser Land ist, wie schlimm die Sklaverei war», schrieb Trump diese Woche in einem Post auf seiner Medienplattform Truth Social. Hingegen gebe es da «nichts über Erfolg, nichts über Helligkeit, nichts über die Zukunft».
Trump will in erster Linie das Smithsonian-Institut unter seine Kontrolle bringen. Es handelt sich dabei um den grössten Museumskomplex der Welt. Das Smithsonian betreibt 21 Museen, den nationalen Zoo sowie zahlreiche Bibliotheken und weitere Forschungseinrichtungen.
Schon Ende März erliess der Präsident ein Dekret mit dem Titel «Restoring Truth and Sanity to American History» (Deutsch: Wiederherstellung von Wahrheit und Vernunft in der amerikanischen Geschichte), in dem er mitteilte, das Smithsonian solle wieder «ein Symbol amerikanischer Grösse» werden. Ideologisch gefärbte Narrative müssten entfernt werden. Mit anderen Worten: Die Museen sollen sich patriotischer ausrichten und den Nationalstolz nicht mit dunklen Kapiteln der amerikanischen Geschichte trüben.
«Patriotisch, einigend und faktentreu»
Diesen Monat doppelte das Weisse Haus nach mit einem Brief an den Generaldirektor des Smithsonian, Lonnie G. Bunch. In höflichen Worten wird dem Institut eine allumfassende Überprüfung von vorerst acht seiner wichtigsten Museen angedroht. Sie müssen demnach in den nächsten Wochen und Monaten detailliert Auskunft geben über Sammlung, Inhalte, Abläufe, jetzige und geplante Ausstellungen. Ihre Ausrichtung, gemäss dem Weissen Haus von woken Idealen infiltriert, solle in Zukunft «patriotisch, einigend und faktentreu» sein.
Kommentatoren befürchten, dass dunkle Kapitel der amerikanischen Geschichte, wie Sklaverei oder Unterdrückung der indigenen Bevölkerung, abgeschwächt werden zugunsten der Perspektive weisser Männer; sie sprechen von Zensur, das Vorgehen gemahne an kontrollierte Geschichtserzählungen autoritärer Regime. Der grösste Berufsverband amerikanischer Historiker (AHA) warnt vor «politischer Einmischung». Ein Analyst von CNN spricht gar von einem «stalinistischen Beigeschmack», in deutschen Medien fällt das Wort «Gleichschaltung», wie man es im «Dritten Reich» kannte.
«Herzchirurgen wird ja auch nicht von Politikern vorgeschrieben, wie sie ihre Arbeit zu machen haben», sagt etwas nüchterner Thomas Zeller, Geschichtsprofessor an der nahen Universität von Maryland.
Es habe schon früher versuchte Einmischung seitens der Regierung in die Smithsonians gegeben, aber noch nie auch nur annähernd in diesem Ausmass: «Es geht jetzt wirklich an die Substanz. Das ist ein Versuch, die Komplexität zu reduzieren und nur noch die positiven Seiten von Land und Geschichte zu betonen. Wenn das passiert, dann erreicht man nicht nur das heutige diverse Amerika gar nicht mehr, dann werden sich die meisten Besucher in den Museen auch nicht mehr wiederfinden können.»
Darf Trump das überhaupt?
Darf Trump das überhaupt, ist das legal? Die Smithsonian-Museen werden zu gut 60 Prozent staatlich finanziert – eine grosse Ausnahme in der mehrheitlich privat finanzierten Kulturlandschaft der USA.
Doch das Smithsonian-Institut untersteht nicht dem Präsidenten, sondern wird von einem 17-köpfigen Aufsichtsgremium, dem Board of Regents, geleitet. Vizepräsident J. D. Vance ist von Amtes wegen darin vertreten, ebenso wie weitere Republikaner, Demokraten sowie Parteilose. Dieses Gremium wiederum untersteht der Aufsicht des Kongresses. Nicht zuletzt gilt der erste Verfassungsgrundsatz, der die freie Meinungsäusserung schützt, auch für Museen.
Nun lautet die entscheidende Frage, wie weit sich die Smithsonian-Museen unter Generaldirektor Lonnie G. Bunch – übrigens der erste Afroamerikaner in dieser Position – der Trump-Administration widersetzen werden. Wird das Institut sich wehren, vielleicht gar den Rechtsweg beschreiten? Bisher hat Bunch bis auf einige diplomatische Floskeln nicht viel zum Thema verlauten lassen.
Derweil geht Trump, zumindest auf Truth Social, bereits einen Schritt weiter: Er will sich nicht nur diese staatlich mitfinanzierten Museen vorknöpfen, sondern gleich alle anderen auch. Er schreibt: «Ich habe meine Anwälte angewiesen, die Museen durchzugehen und genau denselben Prozess zu starten, wie er bereits bei Hochschulen und Universitäten angewendet wurde, wo enorme Fortschritte erzielt worden sind.»
China dürfte sich die Hände reiben
Der Geschichtsprofessor Thomas Zeller hofft auf Gegenwehr, ist aber pessimistisch, was das Gesamtbild anbelangt, es sehe schlecht aus für die Wissenschaft im Land: «Die USA waren die letzten Jahrzehnte als Wissenschaftsstandort und für wichtige Grundlagenforschungen extrem attraktiv, auch dank einem kosmopolitischen Austausch.
Das alles ist nun nicht mehr erwünscht: Fördergelder werden gestrichen, Experten wird die Einreise erschwert. Wir beobachten einen Rückzug aus den Natur- und Ingenieurwissenschaften.» Exzellenz in der Wissenschaft werde so allmählich anderen Ländern überlassen, in China dürfte man sich darob schon die Hände reiben.
Trump pflügt das Land in rasendem Tempo um: kulturell, wissenschaftlich, politisch. Wie wird es hier im nächsten Sommer zum 250-Jahr-Jubiläum der Unabhängigkeitserklärung aussehen? «Das wird sehr interessant sein, das werden künftige Historiker studieren», sagt Thomas Zeller. Auffällig viele Besucherinnen und Besucher in den Smithsonian-Museen halten mit ihren Mobiltelefonkameras sämtliche Texte zu Trump, Rassismus und Gender fest. Bevor sich hier alles ändert.