Die US-Regierung plant, den Dollar zu schwächen. Für Länder mit hohen Währungsreserven ist das gefährlich. Auch die Schweizerische Nationalbank steht vor einem Dilemma.
«Stephen Miran wird einen grossen Wirtschaftsboom herbeiführen, der allen Amerikanern zugutekommt.» Mit diesen Worten verkündete US-Präsident Donald Trump dessen Ernennung zum Vorsteher des wirtschaftspolitischen Beraterstabs. Im Senat, der die Nomination diese Woche genehmigt hat, wurde Miran ebenfalls mit Lob überschüttet: «Mit dieser Wahl senden wir eine klare Botschaft: Das Comeback der Arbeiterschaft hat begonnen», erklärte der Leiter des zuständigen Ausschusses.
In der Öffentlichkeit ist der 41-jährige Harvard-Absolvent und Hedge-Fund-Manager bis jetzt kaum bekannt. Mit welchen Rezepten will er den versprochenen Boom herbeiführen? Das Skript dazu lieferte er letzten November, als er seinen Plan zur Neuordnung der Weltwirtschaft publizierte. Darin proklamierte er höhere Zölle gegenüber den Handelspartnern, wobei er das optimale Niveau bei 20 Prozent ansiedelte.
Brisant und bis jetzt wenig beachtet ist indes ein weiterer Plan, mit dem Miran Vorteile für die USA herausholen will: beim Dollar als globaler Leitwährung. Dass zahlreiche Länder Hunderte Milliarden Dollar in Form von Währungsreserven halten, bedeutet nach seiner Meinung eine unfaire Belastung für die USA. Diese Staaten würden von der Sicherheit und der Stabilität des Dollars profitieren, ohne sich an den Kosten zu beteiligen.
Starker Dollar vernichtet Arbeitsplätze
Warum er die USA als benachteiligt ansieht, beschreibt Miran in seiner Publikation: Weil die Welt den Dollar als Reservewährung benutze, sei dieser konstant überbewertet. Dies aber habe für sein Land gravierende Folgen, denn die amerikanischen Exporte verlören an Wettbewerbsfähigkeit, während die billigen Importe die einheimische Industrie zerstörten.
«Die lokale Wirtschaft erlahmt, viele arbeitende Familien sind nicht mehr in der Lage, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, und werden von staatlichen Almosen oder Opioiden abhängig», schreibt Miran. Zahlreiche Gemeinden seien daher verwahrlost. Auch die tiefe Unzufriedenheit in der Bevölkerung gegenüber der herrschenden Wirtschaftsordnung habe ihre Wurzeln in der Überbewertung des Dollars.
Mirans Lösung, um mehr Gerechtigkeit zu schaffen, klingt einfach: Grosse ausländische Besitzer von US-Staatsanleihen wie Staatsfonds oder Zentralbanken sollen eine Nutzungsgebühr zahlen. «Die Inhaber von Währungsreserven belasten den amerikanischen Exportsektor, und die Einbehaltung eines Teils der Zinszahlungen kann dazu beitragen, diese Kosten zu kompensieren», argumentiert Trumps Chefökonom.
Der Topf, den die US-Regierung auf diese Weise anzapfen könnte, ist riesig. Insgesamt befinden sich amerikanische Schatzpapiere im Umfang von 9000 Milliarden Dollar in ausländischen Händen. Der grösste Gläubiger ist Japan, darauf folgen China und Grossbritannien. Die Schweiz liegt mit 300 Milliarden Dollar auf Rang zehn.
Status als Weltwährung in Gefahr
Eine solche Massnahme würde das globale Finanzsystem erschüttern, sagt Costa Vayenas. Er ist Anlagechef der Firma Genesis Investment Partners sowie Dozent an der Universität Zürich. «Wenn die USA das Vertrauen in die Rechtssicherheit ihres Finanzsystems untergraben, könnte dies auch den Status des Dollars als Weltwährung infrage stellen.»
Stephen Miran räumt ein, die USA müssten eine solche Gebühr stufenweise einführen, um unkontrollierte Marktreaktionen zu verhindern. Wenn aber ein Teil der ausländischen Gläubiger die Staatsanleihen verkaufe, so sei das sogar erwünscht. Denn die zusätzlichen Einnahmen für die Staatskasse seien zwar willkommen, doch keineswegs der Hauptzweck. Das eigentliche Ziel sei es vielmehr, den Dollar zu schwächen und damit dessen Überbewertung zu beseitigen.
Der Schweizerische Nationalbank (SNB) mit ihren riesigen Devisenreserven droht damit ein doppeltes Dilemma. Dass sie den USA eine Gebühr auf den Obligationen zahlen muss, wäre das kleinere Problem. Viel gravierender wäre es, wenn die Regierung Trump aktiv auf eine Schwächung des Dollars hinarbeitete. In einem solchen Fall könnten bei der SNB rasch Währungsverluste in zweistelliger Milliardenhöhe entstehen. Nebst den Staatsanleihen besitzt die Nationalbank auch amerikanische Aktien im Wert von 150 Milliarden Dollar.
Dass die Pläne zur Abschwächung des Dollars ernst zu nehmen sind, zeigt ein weiterer Vorschlag aus Mirans Papier. So könnten die USA mit ihren wichtigsten Handelspartnern eine koordinierte Währungsabwertung vereinbaren. Gleichzeitig würden sich diese verpflichten, zinslose Staatsschulden der USA zu übernehmen. Das Projekt läuft unter dem Namen «Mar-a-Lago Accord», in Anlehnung an Donald Trumps privates Anwesen.
«Mokkatassen-Effekt» schadet der Schweiz
Von den weltweiten Währungsreserven sind derzeit 60 Prozent in Dollar investiert. Wenn die USA nun einen Abwertungswettlauf starten und Gelder aus dem Dollar abfliessen, so stellt sich die Frage, welche Währungen stattdessen zulegen. Der Euro, der heute einen Fünftel der Reserven abdeckt, wäre wohl die primäre Ausweichmöglichkeit. Aber auch der Franken würde als «sicherer Hafen» mit Zuflüssen überschwemmt. Das Problem der Schweiz bezeichnen die Ökonomen als «Mokkatassen-Effekt»: Da sie ein kleines Land ist, beschränkt sich ihr Fassungsvermögen für globale Gelder. Der Markt würde somit wie eine Mokkatasse rasch überlaufen, sprich: Der Franken würde drastisch in die Höhe schiessen.
Wegen der grossen Bilanzsumme sei die SNB verletzlich geworden, erklärt Adriel Jost vom Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) der Universität Luzern. «Die Diskussion in der Öffentlichkeit dreht sich meistens um die potenziellen Gewinne aus diesen Währungsreserven. Dass damit aber erhebliche Risiken verbunden sind, wird meistens ausgeblendet.»
Jost bezweifelt daher, dass die Nationalbank eine Frankenaufwertung erneut mit massiven Devisenkäufen bekämpfen könne, wie sie dies in der Vergangenheit getan habe. «Allerdings bin ich überzeugt, dass die Schweizer Wirtschaft robust genug ist, um einen stärkeren Franken zu verkraften.» Ohnehin sei es ein Irrglaube, dass ein Land von einer schwachen Währung profitiere, betont der Luzerner Ökonom.
Deshalb halte er auch wenig von der These der Regierung Trump, wonach der Dollar als Weltwährung für die USA einen Nachteil bedeute: «Ohne das Dollar-Privileg müssten die Amerikaner deutlich höhere Zinsen bezahlen, was sie angesichts der hohen Verschuldung teuer zu stehen käme.» Costa Vayenas stützt diese Einschätzung. «Dass die verlorenen Jobs in der Industrie zurückkommen, wenn der Dollar sinkt, erachte ich als Illusion. Das beste Gegenbeispiel ist für mich die Schweiz: Trotz dem starken Franken erzielt sie einen Exportüberschuss.»
Die Signale der Regierung Trump werfen ihre Schatten bereits voraus. So schreibt die «Financial Times», erste Investoren gingen dazu über, sich eine Welt jenseits des Dollars vorzustellen. Sie zitiert den Chefökonomen der Bank of Singapore mit den Worten: «Geht es so weiter, müssen sich die Kapitalgeber überlegen: Möchte ich wirklich in den USA investiert bleiben?» Seit Anfang Jahr befindet sich der handelsgewichtete Dollarindex in einem klaren Abwärtstrend. Zumindest gemäss dem Skript von Miran wäre dies als positive Entwicklung zu werten.