Die EU erhebt Zölle auf E-Autos aus China. Die Massnahme entzweit den Staatenbund einmal mehr. Die deutsche Industrie ist der heftigste Kritiker der Massnahme. Indirekt treffen die Zölle auch die Schweizer Industrie.
Seit der Nacht auf Freitag fallen in der EU auf E-Autos aus China Zölle an. Noch müssen die Importeure die Abgabe nicht in bar überweisen, sondern bloss eine Bankgarantie für sie vorlegen. Ob die Hersteller in den nächsten fünf Jahren wirklich Zölle bezahlen müssen, entscheiden die Mitgliedsländer im Herbst. Es braucht eine qualifizierte Mehrheit, um die Massnahme abzuschaffen. Es wird harte Diskussionen geben. Denn die Fronten verlaufen quer durch den Staatenbund, selbst gewichtige Akteure in den Ländern sprechen nicht mit einer Stimme.
Angestossen hat die Zolldiskussion die EU-Kommission. Laut ihr erhalten chinesische E-Auto-Produzenten wie BYD, Geely und SAIC vielfältige Subventionen, und das über die ganze Produktionskette von der Lithium-Mine bis zum Ausfuhrhafen. Das verschafft den Herstellern gegenüber europäischen Konkurrenten einen Vorteil, die Zölle sollen diesen ausgleichen. Damit nimmt die EU aber in Kauf, dass China Gegenmassnahmen ergreift, was sich zu einem Handelskonflikt hochschaukeln könnte.
Die deutsche Autoindustrie will offene Märkte
Besonders viel steht für die deutsche Autoindustrie auf dem Spiel. Sie ist so global ausgerichtet wie sonst keine Fahrzeugbranche der Welt. Daher will sie offene Märkte, auch um dort zu produzieren, wo die besten Bedingungen herrschen und die grössten Absatzchancen bestehen. Deutschland weist wie die EU gegenüber China ein Handelsbilanzdefizit auf; bei Autos erzielt das Land allerdings einen Überschuss, 2023 lag er bei 19 Milliarden Euro.
Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz ist gegen die EU-Zölle. Auf seiner Seite dürften Ungarn und Tschechien stehen, auch weil die deutschen Hersteller Volkswagen, Mercedes, Audi und bald auch BMW dort fertigen. Von Schweden heisst es ebenfalls, es sei gegen Zölle.
Das Autoland Deutschland bildet jedoch keine einheitliche Abwehr. Daniel Caspary, der Chef der CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament, hält die Zölle für «überfällig und angemessen». Verständnis für die Massnahme hat auch der BDI, der Bundesverband der Deutschen Industrie. «Es ist konsequent und entspricht WTO-Regeln, dass die vorläufigen Ausgleichszölle wie geplant in Kraft treten», sagt die Chefin Tanja Gönner. Für die Zölle sind wohl auch Spanien und Frankreich. Die französische Autoindustrie ist längst nicht so global wie die deutsche und in China viel weniger präsent.
China reagiert schlau
China feuert derweil Warnschüsse ab. Die Regierung untersucht, ob europäische Weinbrand- und Schweinefleischproduzenten mit Dumpingpreisen operieren. Die Ziele sind schlau gewählt. Erstens würden Ausgleichszölle bei diesen Produkten Frankreich und Spanien stärker treffen als andere Länder. Zweitens zielen die Massnahmen auf die Landwirtschaft: eine gut vernetzte Branche, die weiss, wie man sich Gehör verschafft. Selbstverständlich spekuliert China darauf, dass sich die Bauern der beiden Länder bei ihren Regierungen dafür einsetzen, Chinas E-Auto-Industrie mit Zöllen zu verschonen.
Noch scheint es, als ob China und die EU eine Einigung vorziehen und vor einem Handelskonflikt zurückschrecken. Niemand scheint bis jetzt aber zu wissen, wie eine Lösung aussehen könnte, mit der beide Seiten ihr Gesicht wahren.
Beunruhigend ist das Kräftemessen auch für Anbieter an der Seitenlinie. Das trifft auf die Schweiz zu. Autohersteller gibt es dort zwar keine, dafür viele Zulieferer. «Wir lehnen alle neuen Zölle und Handelsbeschränkungen ab, sei es durch die EU, die USA oder China», sagt Stefan Brupbacher, der Direktor des Industrieverbandes Swissmem.
Anfang Jahr hat die Schweiz alle Industriezölle abgeschafft, eine Massnahme, die auch Swissmem befürwortet hat. Zölle könnten die Schweizer Zulieferer insofern treffen, als sie Autos verteuern und so die Nachfrage reduzieren.