Nach den Unruhen in England nimmt die Zahl der Verhafteten markant zu. Gleichzeitig steigt die Angst vor Konfrontationen zwischen Rechtsradikalen und Islamisten.
Die Unruhen in England und Nordirland werfen ein schlechtes Licht auf das Vereinigte Königreich. Staaten wie Malaysia, Nigeria oder Australien erliessen Reisehinweise, in denen sie Touristen vor den Krawallen warnten. Premierminister Keir Starmer sah sich veranlasst, einen Kommentar des Besitzers der Plattform X, Elon Musk, zurückweisen, der einen «Bürgerkrieg» in Grossbritannien als «unausweichlich» bezeichnet hatte. Starmer hatte zuvor angekündigt, aufgrund der rechten Krawalle den polizeilichen Schutz für Moscheen zu erhöhen.
400 Personen festgenommen
Die Behörden setzen auf Repression, und die Zahl der Verhaftungen nimmt zu. Im Zug der seit einer Woche andauernden Ausschreitungen wurden nun rund 400 Personen festgenommen, zu Wochenbeginn waren es erst rund 100 gewesen. Die ersten Übeltäter sind bereits Richtern vorgeführt worden. Das Spektrum der Angeklagten reicht von einem 14-jährigen Teenager, der Feuerwerkskörper gegen die Polizei geschossen hatte, bis zu einem 69-jährigen Rentner, der sich der Teilnahme an gewaltsamen Ausschreitungen und des Waffenbesitzes für schuldig bekannte.
Die Lage bleibt angespannt. Die «Times» publizierte Nachrichten aus einer einschlägigen Chat-Gruppe im Netzwerk Telegram, wo Rechtsextreme die Adressen von rund 40 Kanzleien von Migrationsanwälten veröffentlichten – zusammen mit genauen Anleitungen zur Verübung von Brandanschlägen.
Ladenbesitzer oder Passanten mit Migrationshintergrund wurden Opfer von Gewalt, doch nahm jüngst auch die Gewaltbereitschaft von muslimischen Gruppierungen zu. So gab es Berichte über Übergriffe in Stoke, wo muslimische Banden im öffentlichen Raum «Allahu akbar» skandierten und sich mit Stangen und Stöcken bewaffneten.
In Plymouth im Süden Englands gerieten rechte und linke Aktivisten aneinander. Zu einer Eskalation kam es überdies in Birmingham. Hier musste der Sender Sky News am Montag eine Live-Schaltung abbrechen, als vermummte Muslime «Free Palestine» riefen und vor der Kamera mit den Fingern Pistolenschüsse simulierten.
Insgesamt strömten in der zweitgrössten Stadt Englands am Montag Hunderte von asiatischstämmigen Radikalen auf die Strassen wegen falscher Gerüchte, Rechtsextreme wollten in Birmingham eine Moschee angreifen. Dabei griff eine Gruppe von Vermummten mit Palästina-Fahnen ein Pub an und verprügelte einen weissen Kunden. Die Polizei teilte mit, sie habe Untersuchungen eingeleitet wegen Körperverletzungen und Sachbeschädigungen.
«Köder nicht schlucken»
Grossbritannien steht nicht vor einem Bürgerkrieg, doch ist die Angst vor Strassenschlachten zwischen Migranten und Vertretern der weissen Unterschicht real. Tell Mama, eine Nichtregierungsorganisation zur Bekämpfung von Islamophobie, rief die muslimische Bevölkerung am Dienstag dringlich dazu auf, den «Köder von rechtsextremen Chaoten» nicht zu schlucken und zu Hause zu bleiben, statt auf die Strassen zu ziehen.
Auch politisch erhitzen die Unruhen die Gemüter. Jess Philips, Labour-Abgeordnete aus Birmingham und Staatssekretärin im Innenministerium, erklärte, die vermummten Muslime hätten bloss die Moschee verteidigen wollen. Dies befeuerte die Kritik der Rechtspartei Reform UK, die Labour-Regierung und die Polizei würden mit zwei unterschiedlichen Ellen messen. So gehe der Staatsapparat mit voller Härte gegen rechte Demonstranten vor, während man die Protestierenden der «Black Lives Matter»-Bewegung mit Samthandschuhen angefasst habe.
Diese Lesart wies Priti Patel zurück, die sich um das Amt als konservative Parteichefin bewirbt. Die Hardlinerin, die unter Boris Johnson als Innenministerin gedient hatte, betonte gegenüber Times Radio, der Staat müsse jegliche Gewalt bekämpfen. Doch gebe es einen qualitativen Unterschied zwischen Strassenblockaden und Brandanschlägen auf Hotels sowie Attacken auf Gotteshäuser. «Was wir heute erleben, ist Chaotentum, Gewalt und Rassismus.»







