Auch am Tag drei des Hochwassers ist die Lage in Süddeutschland vielerorts dramatisch. Es gibt bereits zwei Tote. Einwohner werden in Booten und per Helikopter gerettet. Die Einsätze bringen die Rettungskräfte oft selbst in Lebensgefahr.
«Wir haben den Kampf verloren, wir geben die Häuser auf. Jetzt geht es nur noch darum, Menschenleben zu retten.» So dramatisch äussern sich Feuerwehrleute, die in den von Hochwasser betroffenen Gebieten im Süden Deutschlands im Einsatz sind, in verschiedenen Medien.
Auch am Tag drei des Hochwassers ist die Lage vielerorts dramatisch. Meteorologen sagen zudem weitere Niederschläge voraus. Laut dem Hochwassernachrichtendienst Bayern werden die Scheitel der Donau an vielen Stellen erst am Nachmittag erwartet. In der Nacht auf Montag brachen weitere Dämme, unter anderem im bayrischen Ebenhausen-Werk bei Reichertshofen.
Neugeborenes per Helikopter gerettet
Bilder aus der Luft zeigen das Ausmass der Katastrophe. Ganze Landstriche sind in Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz überschwemmt. Viele Haushalte waren stundenlang ohne Strom. Einwohner werden in Traktorschaufeln durch die Fluten gebracht. Tausende von Menschen sind bisher evakuiert worden, allein im bayrischen Landkreis Günzburg haben rund 3000 Einwohner ihre Häuser verlassen müssen. In der Nacht auf Montag mussten dort zwölf Personen in einer dramatischen Aktion per Helikopter gerettet werden, unter ihnen ein Neugeborenes und ein zweijähriges Kind, wie «br24» berichtet. Aufgrund der Wassermassen sei eine Evakuierung per Flachwasserboot nicht mehr möglich gewesen, teilte das Rote Kreuz mit. Viele Günzburger kamen bei Bekannten, in Turnhallen und auch im Legoland unter.
Viele Menschen verlieren ihr Hab und Gut. Im «Brennpunkt» der ARD schilderte ein Anwohner im Altenmünster im Landkreis Augsburg, dass er erst vor einem Monat in das Haus eingezogen sei, alles habe er neu gemacht – dann versagt ihm die Stimme, er watet durch das knietiefe Wasser davon, den kleinen Hund unter dem Arm. Andere Betroffene schildern, dass «die Keller noch voll Wasser stehen, alles verdreckt, alles voller Schlamm, die Sachen schwimmen unten».
Für viele ist ungewiss, ob und wann sie wieder in ihre Häuser zurückkommen. So auch Armin Buchhut aus Schrobenhausen, der der «Süddeutschen» schilderte, wie er die Nacht in einer Mehrzweckhalle verbrachte, nachdem Einsatzkräfte die gesamte Nachbarschaft evakuiert hatten. Der 64-Jährige habe noch schnell Tabletten und Ladekabel schnappen können, dann musste er auch schon in die Schaufel eines Radladers steigen, mit dem ihn die Helfer aus der Gefahrenzone brachten.
Dem «Spiegel» sagte eine Einwohnerin des überfluteten Nordendorf: «Da arbeitest du dein Leben lang, zahlst das Haus ab – und dann könnte alles auf einmal weg sein.»
Allein in Bayern sind derzeit rund 40 000 Rettungskräfte unterwegs. Die Einsätze der Helfer bringen diese oft selbst in Lebensgefahr. In der Nacht zum Sonntag kam ein Feuerwehrmann im oberbayrischen Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm bei einer Rettungsaktion ums Leben. Der 42-Jährige war Vater zweier kleiner Kinder. Zeit zu trauern haben seine Kollegen nicht. Der Kreisbrandrat von Pfaffenhofen, Christian Nitschke, sagte am Sonntag in der ARD sichtlich bewegt: «Wir denken an den Kameraden und seine Familie. Die Arbeit muss weitergehen, wir haben einen Katastrophenfall, wir müssen da durch. Auch im Sinne unseres Kameraden haben wir heute mit schwer belegter Seele unser Bestes gegeben.»
Am Montag fehlte weiterhin jede Spur von einem 22-jährigen Feuerwehrmann aus Offingen. Mit Kollegen war er in der Nacht zum Sonntag im Landkreis Günzburg mit einem Boot der DLRG-Wasserrettung unterwegs. Aufgrund der starken Strömung kenterte das Boot gegen 3 Uhr nachts. In Offingen hatten sich dramatische Szenen abgespielt, wie ein Reporter des Bayerischen Rundfunks schilderte. Dort brannten Häuser, während sie von Wasser umschlossen waren.
In Schrobenhausen in Oberbayern wurde ein 43-Jährige am Montag tot gefunden, sie galt zuvor als vermisst. Die Rettungskräfte vermuteten sie in einem überfluteten Keller, doch wegen der Fluten konnten die Taucher hier nur schwierig suchen.
Wasser drückt Lärmschutzwand ein
Vielerorts ist die Lage auch am Montag unübersichtlich. Im Rems-Murr-Kreis in Baden-Württemberg kam es am Sonntagabend zu Überschwemmungen. Ein Polizeisprecher sprach am frühen Montagmorgen von einer angespannten Lage, besonders in Rudersberg, wo alles überflutet sei. Menschen seien in ihren Häusern eingeschlossen. Der Feuerwehr gelinge es wegen der überfluteten Strassen bis jetzt nicht, den Ort zu erreichen. Daher sei auch unklar, ob Personen vermisst seien. Ein Pflegeheim in Steinheim an der Murr wurde laut Polizeiangaben evakuiert.
Innerhalb von Sekunden kann sich eine eben noch befahrbare Strasse in einen reissenden Fluss verwandeln. Die Stadtverwaltung von Ebersbach an der Fils in Baden-Württemberg teilte ein Video des Lokalsenders Filstalwelle. Dort ist zu sehen, wie eine Lärmschutzwand unter den Wassermassen einreisst und sich die Flut über die Bundesstrasse 10 ergiesst. Nur Sekunden zuvor waren noch Autos dort entlang gefahren.