Viele Araber begrüssen die Wahl von Donald Trump. Sie hoffen, dass der starke Mann im Weissen Haus die Kriege in Libanon und Gaza beenden kann. Doch ausgerechnet in den Golfstaaten herrscht auch Skepsis.
Ein Abendessen in Ostbeirut, Anfang November: Während ein paar Kilometer entfernt die israelischen Bomben fallen, herrscht hier beinahe Normalität. Im Hintergrund läuft Musik, es gibt Wein, der Gastgeber lässt mexikanische Tacos auftragen. Irgendwann kommt das Gespräch auf die Wahlen in den USA, die gerade stattgefunden haben. Die Gäste sind fast alle Liberale, die dem Westen nahestehen und mit dem Hizbullah oder autoritären Regimen nichts anfangen können.
Trotzdem sind viele der Anwesenden froh, dass Donald Trump der neue US-Präsident wird. «So wie bisher kann es ja nicht weitergehen», sagt einer der Gäste, der am Golf als Unternehmensberater arbeitet, angesichts der nicht enden wollenden Kriege in Libanon und in Gaza. Vielleicht könne der irre Trump mit seinem unkonventionellen Auftreten ja etwas ausrichten. «Zumindest haben alle Angst vor ihm.»
Die Tischgesellschaft in der libanesischen Hauptstadt ist nicht der einzige Ort im Nahen Osten, wo die Rückkehr Trumps ins Weisse Haus begrüsst wird. «Überall in der Region herrscht eine regelrechte Euphorie», sagt der libanesische Politologe Karim Bitar. «Nicht nur bei den Mächtigen, die sowieso besser mit autoritären Partnern wie Trump umgehen können. Auch in der Bevölkerung ist die Zustimmung gross.»
2016 wurde Trump wie ein Heilsbringer begrüsst
Die Trump-Begeisterung hat verschiedene Gründe. Viele Araber verzeihen der Biden-Regierung bis heute nicht ihr schwachbrüstiges Auftreten gegenüber Israel. «Sie hoffen, dass Trump den Krieg in Gaza beenden wird», so Bitar. Andere wiederum wünschen sich, dass er die verhassten Iraner zur Vernunft bringen wird. Oder aber sie beten, dass Trump den aus den Fugen geratenen Nahen Osten wie mit Zauberhand befrieden kann. «Am Ende lieben viele Menschen in der Region aber auch einfach starke Männer», sagt Bitar.
Sogar der Palästinenserpräsident Mahmud Abbas beeilte sich, dem neugewählten Präsidenten zu gratulieren – in der Hoffnung, so in dessen Gunst zu steigen. Aber kann Trump, dessen Wahlsieg in Europa mehrheitlich Entsetzen ausgelöst hat, im Nahen Osten tatsächlich liefern? «Es wird nicht einfach. Die Herausforderungen sind gewaltig», sagt der Politologe Bitar. Trotz aller Euphorie ist der Nahe Osten, der seit dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober im Chaos versinkt, längst nicht mehr derselbe wie 2016, als Trump seine erste Amtszeit antrat.
Damals wurde der zum Politiker gewordene Geschäftsmann besonders am Golf wie ein Heilsbringer gefeiert. Sein erster Staatsbesuch fand ausgerechnet in Saudiarabien statt, wo er mit überlebensgrossen Plakaten, Festbanketten und Schwertkämpfen empfangen wurde. Mit Trump, so schien es, hatten die Saudi und ihr junger Kronprinz Mohammed bin Salman nach den mühsamen Obama-Jahren endlich ihren Traumpartner gefunden: einen Geschäftsmann, der sie nicht mit Menschenrechten nervte und eine harte Linie gegen die Iraner fuhr.
Eisiger Wind aus Riad
Inzwischen haben sich die Dinge geändert. Zwar gratulierte bin Salman dem alten Freund, mit dessen Familie er bis heute Geschäfte macht, brav zum Wahlsieg. Wenig später aber kam plötzlich eisiger Wind aus Riad. An einem Treffen der arabischen und islamischen Staaten am vergangenen Wochenende packte der Saudi-Prinz den rhetorischen Zweihänder aus: Israel begehe in Gaza einen Genozid, donnerte bin Salman, der dem Schicksal der Palästinenser sonst eher gleichgültig gegenübersteht. Eine Annäherung an Israel – wie sie die USA vermitteln wollen – sei ohne Zweistaatenlösung nicht zu haben.
Der raue Ton ist offenbar Kalkül. «Zwar herrscht in Saudiarabien eine gewisse Vorfreude auf Trump», sagt der Golf-Experte Sebastian Sons. Aber die strategische Ausrichtung des Königreichs habe sich verändert: «In Saudiarabien gibt es eine Strategie, sich von den USA unabhängiger aufzustellen.» So näherte sich Riad jüngst dem Erzfeind Iran an, treibt eifrig Handel mit China und hat durch den Ölboom infolge des Ukraine-Kriegs an Selbstbewusstsein gewonnen. Das bekam auch Trumps Vorgänger Biden zu spüren, der 2022 bei seinem Saudiarabien-Besuch fast wie ein Bittsteller behandelt wurde.
Zudem hat man in Riad nicht vergessen, dass auch Trump nichts unternahm, als die Iraner 2019 mit einem gezielten Drohnenangriff grosse Teile der saudischen Ölproduktion lahmlegten. Bin Salman, der sich zurzeit auf die Entwicklung der eigenen Wirtschaft konzentriert und an Konflikten kein Interesse hat, will daher seine Ruhe. «Die Erwartung an Donald Trump ist, dass man diese Haltung respektiert und akzeptiert. Und dass man nicht darauf drängt, die Region in einen grossen Krieg zu stürzen», sagt Sons.
«Trump könnte alles noch schlimmer machen»
In den übrigen Golfstaaten ist die Stimmung ähnlich. Die Katarer sind in Wartestellung und haben ihre Bemühungen zur Vermittlung zwischen der Hamas und Israel vorerst auf Eis gelegt. In den benachbarten Vereinigten Arabischen Emiraten, die unter Trump im Rahmen der Abraham Accords 2020 ihr Verhältnis zu Israel normalisierten, freut man sich auf einen Präsidenten, der hoffentlich über die guten Beziehungen zwischen Abu Dhabi und Russland hinwegsieht. Gleichzeitig fürchten sich die dortigen Machthaber vor einem möglichen Handelskrieg der USA mit China.
Vor allem aber erwarten viele Araber von Trump eine neue Strategie gegenüber Israel, mit dessen radikaler Regierung selbst die Pragmatiker am Golf immer weniger anfangen können. Viele hoffen, dass der Geschäftsmann Trump für Netanyahus Sturheit weniger Geduld aufbringen wird als der zuletzt komplett hilflos erscheinende Biden. Das könne sich aber schnell als Trugschluss erweisen, sagt der Politologe Bitar: «Trump könnte Netanyahu durchaus auch endgültig freie Hand lassen – und damit alles noch schlimmer machen.»
Genau damit rechnen die Feinde Amerikas in der Region: «Egal, wer in Washington Präsident wird: An der Ausrichtung des Landers ändert es nichts», sagt Hussein Hassan, ein Abgeordneter des Hizbullah im libanesischen Parlament. Die proiranische Miliz, die mit ihrem Krieg gegen Israel für das Chaos in der Region mitverantwortlich ist, setzt deshalb nicht auf Trump: «Er hat einst die Normalisierung zwischen Israel und den arabischen Staaten vorangetrieben und die US-Botschaft nach Jerusalem verlegt», sagt Hassan. «Was bitte sollen wir von ihm erwarten?»