Weight Watchers machte die Diät zur Rechen- und Lebensaufgabe. Nun ist das Unternehmen pleite. Doch nicht etwa, weil die Menschen dünner geworden sind.
Die amerikanische Moderatorin Oprah Winfrey ist ein guter Indikator dafür, welche Abnehmmethode gerade angesagt ist. Seit Jahrzehnten lässt sie die Öffentlichkeit an ihren Diäten teilhaben. Zunehmen, abnehmen, wieder zunehmen. Und dann wieder abnehmen.
Als Winfrey vor gut zehn Jahren Weight Watchers entdeckte, 18 Kilogramm verlor und sich gleich zur Grossaktionärin und Verwaltungsrätin des Unternehmens machte, glaubten deshalb viele: Das ist sie jetzt, die Lösung. Für Winfrey – und für Weight Watchers.
Doch seit einem Jahr ist Winfrey nicht mehr Teil der Weight-Watchers-Welt. Sie gab ihr Amt auf und ihre Diät auch, denn sie hatte ein neues Wundermittel entdeckt: die Abnehmspritze. Oprah war fortan auf Ozempic. Einmal pro Woche ein Piks, und das Hungergefühl ist weg. Das schafft keine Diät der Welt.
Winfreys Ausstieg, kombiniert mit Ozempics Aufstieg, waren für Weight Watchers zu viel. Seither kursierten immer wieder Meldungen, wonach dem Unternehmen das Geld ausgehe. Vergangene Woche war es so weit. Weight Watchers meldete Konkurs an.
Ein Gipfeli gibt neun Punkte
Viele Jahrzehnte lang war Weight Watchers die erste Adresse für Menschen, die abnehmen wollten. Das System war einfach, ein Spiel mit harten Regeln: Jedes Lebensmittel bekam einen Punktewert. Eine Scheibe Knäckebrot gab 0,5 Punkte, ein Fischstäbchen gab einen Punkt, ein Gipfeli gab neun Punkte.
Die Teilnehmer durften essen, was sie wollten, solange sie die für sie festgelegte Punktzahl nicht überschritten. Im Schnitt standen den Mitgliedern 23 Punkte pro Tag zur Verfügung, die Tagesration variierte je nach Grösse und Gewicht. Wer unter der Maximalpunktzahl lag, durfte hoffen, dass die Waage mit der Zeit weniger anzeigte.
Doch bei Weight Watchers ging es nicht nur ums Kalorienzählen. Wer Mitglied wurde und seine Beiträge bezahlte, bekam eine grössere Aufgabe mit auf den Weg. Fortan war man Teil einer Gemeinschaft, die sich diszipliniert dem inneren Schweinehund stellte. Es gab wöchentliche Treffen, an denen die Mitglieder gewogen wurden, und Applaus für jedes verlorene Kilogramm.
Die frustrierende Diät wurde so zu einer fast religiösen Herausforderung. Es war ein bisschen wie bei den Anonymen Alkoholikern, nur eben fürs Abnehmen.
Eine Hausfrau begründete eine Industrie
Die Idee für Weight Watchers hatte Jean Nidetch, eine Hausfrau aus New York, die mit einer strengen Diät mehr als dreissig Kilogramm abgenommen hatte. Mit ihrem Mann und zwei Freunden gründete sie im Jahr 1963 aus einer Selbsthilfegruppe heraus Weight Watchers. Anfangs lud Nidetch zu Treffen, an denen sie Listen mit verbotenen Lebensmitteln verteilte. Später führte Weight Watchers das Punktesystem und ein Abo-Modell ein.
1968 ging Weight Watchers an die Börse und machte die Gründer zu Millionären. Zehn Jahre später übernahm der Ketchup-Hersteller Heinz das Unternehmen für 71 Millionen Dollar. Seit 2001 wird die Aktie an der Technologiebörse Nasdaq gehandelt.
In den Siebzigerjahren expandierte Weight Watchers nach Europa. In Zürich trafen sich die Mitglieder immer dienstags im Restaurant Du Pont am Bahnhofquai zum «Gewichtskontrollkurs», wie ein Inserat in der NZZ von 1976 belegt. Doch die Heimat des Unternehmens blieben die USA.
Dort wurde Weight Watchers bald zum Freizeitanbieter. Das Unternehmen hatte eine eigene Zeitschrift, ein Fernsehprogramm und veranstaltete Sommercamps für Kinder. Das lag auch daran, dass die USA der Markt sind, der bis heute beste Voraussetzungen bietet. Drei von vier Amerikanern gelten als übergewichtig, und fast die Hälfte ist fettleibig.
Für ein Diätunternehmen wie Weight Watchers wären das eigentlich die perfekten Bedingungen. Es kam anders.
Schritte zählen statt Kalorien
Die Treffen, die das Herzstück von Weigh Watchers waren, kamen aus der Mode. Diäten allgemein wurden unbeliebter. Schlank sein wollen die Menschen noch immer. Nur der Weg dorthin hat sich verändert.
Heute zählen viele ihre Schritte statt Kalorien. Statt Punktelisten laden sie sich Apps herunter und tragen Fitness-Armbänder. Wer abnehmen möchte, tut das mithilfe seines Smartphones und nicht in der Gruppentherapie.
Und dann kamen die Spritzen. Medikamente wie Ozempic, Wegovy oder Mounjaro, hergestellt von Novo Nordisk und Eli Lilly, revolutionieren zurzeit das Abnehmen. Die Kilos verschwinden praktisch ohne Aufwand, so etwas ist verlockend. Schätzungen gehen davon aus, dass in zehn Jahren mehr als 24 Millionen Menschen in den USA zur Diätspritze greifen werden.
Weight Watchers hat schon mehrmals versucht, sich neu zu erfinden. Das Unternehmen wollte weg von seinem Ruf als Diätfirma, das klang zu stark nach Verzicht. 2018 strich Weight Watchers den Namen zusammen und nannte sich WW, kehrte aber bald wieder zum alten Brand zurück. Man wechselte die Chefin aus und veranstaltete Kreuzfahrten, in der Hoffnung auf neue Einnahmequellen.
Genützt hat es wenig. Die Aktie ist zum Penny-Stock verkommen, ist also weniger als einen Dollar wert. Vier Jahre in Folge ging der Umsatz im zweistelligen Prozentbereich zurück und liegt heute bei 786 Millionen Dollar. Und als dann auch noch Oprah Winfrey auf Ozempic umstieg, war allen klar, dass die Zeit von Weight Watchers vorbei war.
Ein Plan für die Zukunft
Aufgeben will das Unternehmen noch nicht. Mittels eines sogenannten Chapter-11-Insolvenzverfahrens in den USA will es sich sanieren und seine Schuldenlast senken. Laut einer Vereinbarung mit den Gläubigern sollen dabei Verbindlichkeiten in der Höhe von 1,15 Milliarden Dollar wegfallen. Ziel ist es, zu schwarzen Zahlen zurückzukehren.
Und einen Plan für den Neustart gibt es auch schon. Falls die finanzielle Restrukturierung gelingt, will sich das Unternehmen künftig ebenfalls auf das Geschäft mit den Abnehmspritzen konzentrieren.
Dafür hat Weight Watchers vor zwei Jahren einen Telemedizin-Anbieter übernommen. Mitglieder können über ihn die begehrten Diätspritzen beziehen. Vielleicht kommt so auch Oprah wieder zurück.