Eike Schmidt, der frühere Direktor der Uffizien, kandidiert in Florenz für das Amt des Stadtpräsidenten. Damit sorgt er für Unruhe in der traditionell links regierten toskanischen Hauptstadt.
Es gibt nicht viel, was die Italiener mehr ärgert als ein Sieg der Deutschen im Fussball oder Belehrungen aus Berlin oder Frankfurt über den Zustand des Staatshaushalts. Gleichzeitig blickt man in Rom stets mit einer gewissen Bewunderung nach Norden und lässt sich leicht von der dortigen vermeintlichen Effizienz und Wirtschaftskraft beeindrucken. Obsessiv verfolgt man täglich das Auf und Ab des «Spread», der Zinsdifferenz zwischen italienischen und deutschen Staatsanleihen. Der Spread gilt als Gradmesser für den Zustand der hiesigen Wirtschaft.
Und nun kommt also ausgerechnet ein Deutscher, dazu noch eine hünenhafte Erscheinung, und möchte «sindaco» von Florenz werden. Eike Schmidt hat am Samstag auf der Piazza della Signoria im Herzen der toskanischen Hauptstadt seine Kandidatur für das Stadtpräsidium bekanntgegeben – die Medien haben den schon länger erwarteten Entscheid in grossen Lettern vermeldet. Schmidt, parteilos, will mit der Unterstützung des Mitte-rechts-Lagers um Regierungspräsidentin Giorgia Meloni in den Palazzo Vecchio einziehen, seit dem 14. Jahrhundert der Mittelpunkt der weltlichen Macht in der Stadt. Ein «pragmatischer Bürgerlicher» will er sein und sich für mehr Sicherheit, weniger Schmutz und für ein besseres Stadt- und Tourismusmanagement einsetzen. Die Italiener sind hin- und hergerissen.
Segensreiches Erdbeben in den Uffizien
Natürlich ist der Deutsche aus Freiburg inzwischen auch Italiener. Im vergangenen August hat der mit einer Italienerin verheiratete Kunsthistoriker die italienische Staatsbürgerschaft angenommen. Er spricht perfekt Italienisch und hat sich in Florenz einen hervorragenden Namen gemacht. Von 2015 bis 2023 war er Direktor der Uffizien, einer der bedeutendsten Kunstgalerien der Welt, und hat so ziemlich alles auf den Kopf gestellt, was dort seit Jahrzehnten heilig gewesen war. Schmidt sei für die Uffizien ein «terremoto» gewesen, ein Erdbeben, schrieb der «Corriere della Sera».
Ein segensreiches Erdbeben freilich: Das Museum ist heute um Welten besser aufgestellt als noch vor wenigen Jahren. Die Meisterwerke der Renaissance-Kunst und diejenigen späterer Epochen sind inzwischen in eine systematische Reihenfolge gebracht worden, die interessante Einsichten vermittelt; die Besucherzahlen sind in neue Höhen geschnellt, ohne dass deswegen die Warteschlangen vor den Kassen länger geworden sind; das Museum gilt unter Jugendlichen als besonders attraktiv. Schmidts Bilanz lässt sich sehen. Als erster Nichtflorentiner an der Spitze der Uffizien seit dem 18. Jahrhundert hat er geschafft, was seine Vorgänger versäumt haben.
Dass er nun für das Mitte-rechts-Lager kandidiert, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Seine Ernennung zum Direktor der Uffizien verdankt er einer weitreichenden Reform des früheren linken Kulturministers Dario Franceschini. Dieser veranlasste gegen einigen Widerstand, dass die Spitzenposten der nationalen Kulturinstitute öffentlich ausgeschrieben werden mussten und dass auch Ausländer zugelassen wurden.
Lob von rechts
Als die Regierung von Giorgia Meloni im Herbst 2022 an die Macht kam, gab es einige Hinweise darauf, dass die Rechte diese Errungenschaft wieder rückgängig machen würde. Einige ausländische Direktoren von Museen und Theatern wurden schon nervös und hielten nach Alternativen Ausschau. Auch Eike Schmidt musste sich erst mit Melonis neuem Kulturminister Gennaro Sangiuliano anfreunden. Kaum im Amt, kritisierte dieser Schmidt wegen der angeblich zu restriktiven Öffnungszeiten der Uffizien. Man glaubte, den Anfang einer Entfremdung festzustellen.
Mittlerweile hat der Wind gedreht, Sangiuliano lobte die Kandidatur Schmidts für das Stadtpräsidium als einen «Akt, der den einheitlichen Geist Europas verstärkt». Der Lega-Chef Matteo Salvini seinerseits hob die Einheit von Mitte-rechts in Florenz hervor, die darauf ausgerichtet sei «zu siegen». Dass Schmidt sich bei früherer Gelegenheit ausdrücklich als «Antifaschist» bezeichnet hat, eine Beschreibung, die einigen Exponenten der Regierung Meloni partout nicht über die Lippen geht, erwähnten sie nicht. Für einen Sieg in Florenz sind sie bereit, die demonstrative Unabhängigkeit Schmidts zu akzeptieren. Womöglich erhoffen sie sich auch, dass etwas vom Glanz des «Tedesco» auf sie fällt.
Die toskanische Hauptstadt ist traditionell eine Hochburg der Linken. Würde sie hier verlieren, hätte das einige Bedeutung für ganz Italien. Wie auch in anderen Städten und Regionen tut sich Mitte-links in Florenz schwer, sich auf geeignete Kandidaten zu verständigen. Eine Kandidatur vom Gewicht Schmidts ist jedenfalls nicht in Sicht. Damit liegt eine Niederlage im Bereich des Möglichen. Gewählt wird im Juni.