Der Nationaltrainer Murat Yakin setzt auf den verletzten Breel Embolo und bietet den eingebürgerten YB-Stürmer Joël Monteiro auf. Ein laufender Strafprozess störe die EM-Kampagne nicht, sagt der Schweizer Coach. Wirklich?
Vor der WM in Katar hatte Murat Yakin bei der Kader-Bekanntgabe den schönen Satz gesagt: «Wir werden alles daransetzen, dass wir einmal eine Endrunde ohne Nebengeräusche spielen können.» Es kam dann anders in Doha: Griff in den Schritt, Jashari-Trikot, Durcheinander beim 1:6 im Achtelfinal. Jetzt, bei der Kader-Bekanntgabe für die EM in Deutschland, sind schon vor dem Turnier Nebengeräusche zu vernehmen. Verursacht sind sie von Yakin selber. Es geht um Luxusuhren, die Yakin von einem Ex-Mitglied der Hells Angels gerichtlich zurückfordert.
Noch 27 Tage dauert es bis zum ersten EM-Gruppenspiel der Schweizer Fussballer gegen Ungarn. Ort des Geschehens ist nicht wie vor der WM das Verkehrshaus in Luzern, sondern das Auditorium im Musée Olympique in Lausanne. Es gibt einen munteren Film zur Einführung, dann werden 38 Spielernamen auf die Leinwand projiziert. Und irgendwann stellt jemand die Frage, welche Hoffnungen sich Yakin mit Blick auf das Turnier in Deutschland mache. «Wir wollen eine gute Gruppenphase spielen», sagt Yakin, «Hoffnung ist fehl am Platz. Ich habe immer von der Arbeit gelebt.»
Breel Embolo und die vielen Fragezeichen
Die Arbeit vor dem Basler Strafgericht erledigt zurzeit der im Fussballermilieu bekannte Anwalt Tobias Treyer für Yakin. Der Schweizer Nationaltrainer kümmert sich um anderes, um seine Mannschaft. Er hat viele Gespräche geführt, etwa mit dem Stürmer Haris Seferovic, 92-fachem Nationalspieler, mit Eray Cömert, mit Cedric Itten, mit Jordan Lotomba. Ihnen hat Yakin erklärt, dass sie nicht zum Aufgebot gehören. Der Goalie Jonas Omlin hat von sich aus abgesagt. Dafür bekommt der altgediente Steven Zuber «eine Chance, sich zu zeigen». Gleiches gelte für jüngere Spieler wie Bryan Okoh, Kwadwo Duah oder Albian Hajdari.
«Sich zeigen» bedeutet nicht, dass diese Spieler am 10. Juni ins Base-Camp nach Stuttgart reisen. Sie haben eher Sparring-Aufgaben für den ersten Teil der Vorbereitung in St. Gallen, damit «mit einer vernünftigen Anzahl Spielern» trainiert werden kann. Nach und nach werden Spieler, die in ihren Klubs noch beschäftigt sind, in der Ostschweiz ankommen. Wenn Yakin vor dem letzten Testspiel am 8. Juni gegen Österreich der Uefa die Kaderliste übermitteln muss, sind es ohnehin nur zwei oder drei Namen, hinter denen Fragezeichen stehen.
Unsere Spieler für das Pre-Camp. Das definitive EM-Kader wird am 7.6 bekanntgegeben
Nos joueurs pour le Pré-Camp. La sélection définitive pour l’Euro sera annoncée le 7.6
I nostri giocatori per il Pre-Camp. La rosa definitiva per l’Europeo verrà annunciata il 7.6 pic.twitter.com/Vah3PJcw5o
— 🇨🇭 Nati (@nati_sfv_asf) May 17, 2024
Das grösste Fragezeichen steht hinter dem Stürmer Breel Embolo. Er wäre der Mann, der Tore schiessen müsste. Nachdem Embolo von einem Kreuzbandriss genesen in seinem Klub Monaco vor kurzem erste Einsatzminuten bekommen hatte, hat er sich bereits wieder eine Muskelverletzung zugezogen. Yakin sagt, er sei zuversichtlich, dass Embolo wieder fit werde bis zum Turnierstart, «er ist ein Profi, wir kennen Breel».
Der Strafprozess störe das Nationalteam nicht, sagt Yakin
Embolo kennt man auch an jenem Gericht in Basel, wo Yakins Anwalt zurzeit arbeitet. Vor knapp einem Jahr wurde Embolo wegen einer Schlägerei zu einer bedingten Geldstrafe von 45 Tagessätzen à 3000 Franken verurteilt. Sein Name taucht vor diesem Gericht auch jetzt wieder auf. Embolo soll einer der Kunden gewesen sein, die vom früheren Mitglied der Hells Angels gefälschte Covid-Zertifikate bezogen hatte. In seinem früheren Klub Mönchengladbach war Embolo einst wegen Missachtung der Covid-Regeln mit einer hohen Busse belegt worden.
Wie Yakin sein Stürmer-Problem lösen werde, sei ein laufender Prozess in den kommenden Tagen und Wochen, sagt er. Er spricht vom Flügelspieler Dan Ndoye, der gerade ein Tor geschossen hat für seinen Klub Bologna. Oder von Noah Okafor, bei der AC Milan manchmal Einwechselspieler. Es ist ein Prozess, wie so oft, wenn Yakin arbeitet. Und der Prozess vor dem Strafgericht in Basel, könnte er nicht die Kampagne in Deutschland stören mit seinen Nebengeräuschen?
«Es ist ein laufender Prozess, das war vor vier Jahren, deshalb ist das kein Thema für mich hier», sagt Yakin im Auditorium des Musée Olympique. Was nicht Thema sein soll, sind die Luxusuhren, darunter eine Rolex Daytona im Wert von 80 000 Franken, die der Anwalt in Yakins Namen zurückfordert.
Der wegen Erpressung, Pornografie, Unterschlagung und anderem Angeklagte hatte Anfang Woche vor dem Gericht bestätigt, Yakin zu kennen. Auf Instagram gab es ein Foto mit Yakin und dem Angeklagten zu sehen.
«Lass uns besser über Fussball reden», fand Yakin. Seine Mannschaft wird sich in Deutschland auch nach langen Pre-Camps und gestaffelter Selektion wie schon seit langem fast von selber aufstellen: Im Tor steht Yann Sommer, Gregor Kobel ist die Nummer 2. Neben dem Abwehrchef Manuel Akanji spielen Nico Elvedi und Ricardo Rodriguez in der Dreierkette, Fabian Schär steht als Alternative bereit.
Um den Captain Granit Xhaka, wieder einmal Herz der Mannschaft, dürften Remo Freuler, Denis Zakaria und als Alternativen Vincent Sierro und Michel Aebischer im Mittelfeld für Ordnung sorgen. Ruben Vargas und Xherdan Shaqiri werden wohl ebenfalls zuoberst auf Yakins Planspielen stehen. Weiter vorne, im Sturm, ist noch einiges offen. Oder eben «im Prozess», wie Yakin sagen würde.