Nachdem Schiffe mit starker Verbindung zu China Unterseekabel in der Ostsee zerstört haben, ist Peking erneut im Visier. Diesmal trifft es die Achillesferse Taiwans.
Ein Frachtschiff, das unter kamerunischer Flagge fährt, wird verdächtigt, ein Datenkabel zerstört zu haben, das Taiwan ans internationale Telekommunikationsnetz anschliesst. Chunghwa Telecom, der grösste Telekomanbieter Taiwans, meldete am Samstag einen Kabelbruch. Daraufhin rückte die Küstenwache an die Bruchstelle aus. Diese befand sich nur wenige Seemeilen vor Keelung, dem wichtigsten Hafen im Norden der Insel.
Die taiwanische Küstenwache vermeldete daraufhin, dass sie auf die «Shunxing 39» getroffen sei, einen 101 Meter langen Frachter. Dieser soll einer chinesischen Reederei gehören, ist aber in Kamerun registriert. Ein von der Küstenwache verbreitetes Bild zeigt ein älteres, stark rostiges Schiff. Am Bug ist deutlich die Ankerkette sichtbar, die ins Wasser reicht. Wegen des schweren Seegangs sei es nicht möglich gewesen, an Bord des Schiffes zu gehen, teilte die Küstenwache mit.
Flieht das Schiff nach China?
Die «Financial Times» berichtete unter Berufung auf einen Dienst, der die Routen von Schiffen verfolgt, dass sich die «Shunxing 39» zwischen dem 5. Dezember und dem 3. Januar auf einem auffälligen Zickzackkurs nördlich von Keelung bewegt habe – genau dort, wo viele Unterseekabel verlaufen. Offenbar hat sich das Schiff mittlerweile von Taiwan wegbewegt. Laut der «Financial Times» ist es unterwegs nach Südkorea – die taiwanischen Behörden sollen ihre südkoreanischen Kollegen um Unterstützung gebeten haben.
Besitzer der «Shunxing 39» ist die Jie Yang Trading Limited, eine Firma aus Hongkong. In den taiwanischen Medien wird daher darüber spekuliert, ob die Zerstörung des Datenkabels eine gezielte Aktion war, hinter der China steckt. Dass Schiffe mit einer klaren Verbindung zu China in den letzten Monaten zweimal in die Zerstörung von Unterseekabeln in der Ostsee verwickelt waren, nährt diese Vermutung.
Vor knapp zwei Jahren waren auch die beiden Kabel nach Matsu unterbrochen, einer zu Taiwan gehörenden Insel, die knapp vor dem chinesischen Festland liegt. Auch damals gab es starke Hinweise darauf, dass chinesische Schiffe dafür verantwortlich waren.
Wenn die «Shunxing 39» die taiwanischen Hoheitsgewässer verlassen hat, wird es für Taipeh schwierig werden, ihres Kapitäns habhaft zu werden. Das Schiff könnte in kurzer Zeit zahlreiche chinesische Häfen anlaufen. Wenn es wirklich im Auftrag des chinesischen Militärs oder Geheimdienstes gehandelt hat, dann werden die Behörden auf dem Festland jegliche Kooperation verweigern.
Als Flaggenstaat wäre grundsätzlich Kamerun für die Aufklärung zuständig. Doch das Land hat in der Schifffahrt einen zweifelhaften Ruf: Es ist auf der schwarzen Liste der regionalen Organisationen jener Hafenbehörden in Europa und Asien, die im «Paris Memorandum of Understanding» (MoU) beziehungsweise im «Tokyo MoU» zusammengeschlossen sind.
Die «Lloyd’s List», eine auf die Schifffahrt spezialisierte Publikation, bringt Kamerun mit der Schattenflotte in Verbindung, welche Russland bei der Umgehung der westlichen Ölsanktionen hilft.
Satelliten sollen künftig Verbindung garantieren
Unterseekabel sind eine von Taiwans verwundbaren Stellen. Die Insel ist für ihre Anbindung an die internationale Telekommunikation fast zu hundert Prozent von insgesamt 15 Unterseekabeln abhängig. Diese laufen an wenigen Anlandungspunkten zusammen. Der wichtigste liegt in Tamsui, wenige Kilometer von der Hafenstadt Keelung entfernt.
Taiwan ist sich der Situation bewusst. Chunghwa hat vor kurzem einen Vertrag mit Eutelsat Oneweb abgeschlossen. Im Krisenfall soll die Internetanbindung über Low-Orbit-Satelliten des europäischen Anbieters sichergestellt werden. Dem ausgereifteren System von Starlink traut Taiwan nicht, weil deren Chef Elon Musk enge wirtschaftliche Beziehungen zu China pflegt.
Darum arbeitet die taiwanische Raumfahrtagentur daran, ein eigenes Netzwerk von Satelliten aufzubauen. Das Ziel ist, bis 2030 dieses in Betrieb zu nehmen. Bis dahin werden Unterbrüche wie jener von diesem Wochenende Taiwan daran erinnern, wie verletzlich seine Verbindung zur Aussenwelt ist.