Eine Klage der Jugendorganisation vor dem Kölner Verwaltungsgericht ist gescheitert. Deshalb will die Junge Alternative nun weitere juristische Schritte prüfen. Politisch sind ihre Zukunftspläne konkreter.
Die Junge Alternative (JA), die Nachwuchsorganisation der AfD, wähnt sich in diesen Tagen in einem Kampf mit zwei klaren Lagern. Auf der einen Seite sieht sie einen «institutionsübergreifenden Einheitsblock». Auf der anderen Seite steht laut eigener Vorstellung die JA selbst. Und hinter ihr: «das deutsche Volk».
Im Namen desselben Volkes hat am Dienstag das Verwaltungsgericht Köln bekanntgegeben, dass der Verfassungsschutz die JA als «gesichert rechtsextrem» einstufen kann. Die JA hatte zuvor gegen die Einstufung des Verfassungsschutzes vom Frühling 2023 geklagt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die JA kann es vor das Oberverwaltungsgericht ziehen und prüft laut einer Mitteilung derzeit juristische Schritte.
Doch einige Politiker fordern härtere Massnahmen. Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour schlug kürzlich vor, die JA direkt zu verbieten. Er sagte: «Das wäre ein wirksamer Schlag des Rechtsstaats gegen extremistische Strukturen.» Solche Voten schliessen an die Diskussionen über ein AfD-Verbot an. Der Unterschied: Die JA ist rechtlich ein Verein, ein Verbot wäre einfacher durchzusetzen als bei einer Partei.
Derzeit verliert die AfD in Umfragen an Zustimmung, doch die etablierten Parteien fürchten die nächsten Umfragewerte. Vor allem aber die Landtagswahlen in den AfD-Hochburgen Sachsen, Thüringen und Brandenburg im Herbst.
Am Anfang rang die JA um den rechten Kurs
Die JA gründete sich 2013. Zwei Jahre später fand sich die AfD in einem Richtungsstreit wieder. Zur Debatte stand: Mehr EU-Kritik oder mehr Migrationsdiskurs? Mehr Bernd Lucke oder Björn Höcke?
Die liberal-konservativen Kreise um Lucke, den Mitgründer der AfD, gerieten in die Defensive und verliessen die Partei. Die JA zählte damals 800 Mitglieder. 40 von ihnen folgten Lucke und gründeten eine neue Partei. Die JA rückte näher zu Höcke, der im selben Jahr innerhalb der Partei den rechtsextremen «Flügel» mitbegründete.
2019 stufte der Verfassungsschutz die JA als rechtsextremen Verdachtsfall ein. Hunderte traten aus der Nachwuchsorganisation aus. Ein Mitgründer bezeichnete die JA als «verbrannt». Die Leitung der JA wollte reagieren.
An ihrem Bundeskongress im selben Jahr entfernte die JA einige Punkte aus dem Parteiprogramm. Darunter die Forderung, eine Ausgangssperre für männliche Flüchtlinge einzuführen. Oder den Passus, der die «gesamte Militärvergangenheit Deutschlands» als Bezugsrahmen der Bundeswehr vorsah. Ein Landesvorsitzender sprach von «vermeidbarer Angriffsfläche».
In der AfD löste die Einstufung der Nachwuchsorganisation als Verdachtsfall damals Diskussionen aus. Als die Aufrufe zur Mässigung in diesem Richtungskampf verpufften, blieb bürgerlich-liberalen Köpfen in der JA nur der Austritt.
Die AfD-Führung steht hinter der JA
Vier Jahre später, im Frühling 2023, stufte der Verfassungsschutz die JA dann erstmals als «gesichert rechtsextrem» ein. Die Klage gegen diesen Entscheid ist am Dienstag abgewiesen worden. Anders als 2019 hatte dies jedoch keine Austrittswelle zur Folge. Im Gegenteil.
Laut einem Bericht des «Spiegels» ist die Zahl der Mitglieder 2023 erstmals auf 2100 gestiegen. Auch die Leitung der Mutterpartei stellte sich hinter die JA. Alice Weidel, die Bundesvorsitzende der AfD, sagte vergangenen Sommer, der Entscheid des Verfassungsschutzes wolle die politische Konkurrenz diskreditieren, was sie für verfassungsfeindlich halte. Er geriere sich damit selbst zum Verfassungsfeind.
Auf der Plattform X äusserten sich mehrere AfD-Politiker in den vergangenen Tagen ähnlich. Der Bundestagsabgeordnete Jürgen Pohl schrieb, der Entscheid sage mehr über die herrschende Ideologie aus als über die JA. Höcke schrieb von Regierungsextremismus, der vom Verfassungsschutz nicht bekämpft, sondern exekutiert werde.
Eine neurechte Parallelwelt
Die JA hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt. Nirgends war das besser zu sehen als an ihrem Bundeskongress im Herbst 2022 in Apolda: Die JA ist dem Nischendasein einer Jungpartei entwachsen und hat sich in einer Gegenöffentlichkeit eingerichtet. Ihr Bundeskongress glich einer neurechten Erlebniswelt.
In Apolda gab es neben den üblichen Traktanden eines Parteikongresses vor allem viel zu sehen. Der Online-Shop Phalanx Europa, das Zalando der Neuen Rechten, vertrieb Kleidung und Sticker. Der Antaios-Verlag von Götz Kubitschek verkaufte Bücher. Auch Kubitscheks Institut für Staatspolitik, das den intellektuellen Unterbau der Neuen Rechten schult, war vertreten. Der Verfassungsschutz stuft das Institut als gesichert rechtsextrem ein. Wem all die Bücher und Zeitschriften zu kopflastig waren, zog weiter zu Kvltgames.
Gemeinsam mit dem rechtsextremen Verein Ein Prozent, der ebenfalls vom Verfassungsschutz beobachtet wird, entwickelte Kvltgames ein Online-Spiel, das in einem dystopischen Deutschland spielt. Die Spieler leisten Widerstand gegen einen Konzern aus Technokraten, der ganz Europa kontrolliert und die Bevölkerung zu einer willenlosen Masse gemacht hat. Nur einige rechte Akteure, die realen Personen nachempfunden sind, widersetzen sich. Das Spiel ist in Deutschland seit 2020 indiziert.
Stellt sich die Frage, was die JA daran für Fiktion und was für Realität hält?
Ein rechtes Mosaik
Das sei eine neue JA, sagte Anna Leisten, Mitglied im Bundesvorstand, damals einem neurechten Youtube-Kanal. Laut ihr bevorzugt die neue Generation die Strasse und nicht die Parlamente. Sie will keine Distanzierungen von Weggefährten mehr, sondern dass alle patriotischen Menschen zusammenarbeiten.
Leisten verkörpert ein breites, eng vernetztes und verzahntes rechtsextremes Spektrum. Sie besucht Hausprojekte in Österreich, Seminare von Kubitschek. Tauscht sich mit Martin Sellner, dem Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung, aus. Bewirbt rechte Kleidermarken und Literatur. Für alle Bedürfnisse gibt es ein Angebot. In der Szene spricht man von der «Mosaikrechten».
Ein Begriff, den Benedikt Kaiser mitgeprägt hat. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des AfD-Bundestagsabgeordneten Pohl. Früher bewegte er sich im Umfeld der Nationalen Sozialisten Chemnitz, die inzwischen verboten wurden.
Die Idee von Kaiser ist simpel: Die AfD soll mit verschiedenen Vorfeld-Organisationen funktionieren wie ein Mosaik. Akteure wie die JA, die Identitäre Bewegung, der Verein Ein Prozent spielen sich Gelder, Stichworte und Ideen zu. Ihre Angebote richten sich an ein möglichst breites Publikum. Die Mosaikrechte will möglichst viele Menschen hinter demselben Ziel vereinen.
Dieses Prinzip hat sich Kaiser bei den Linken abgeschaut, wie es in einem seiner Bücher heisst. Und ähnlich wie die strebt die Rechte nun nach einer kulturellen Revolution, einem zweiten 1968.
Mehr Bewegung als Partei
Mehr als zehn Jahre nach ihrer Gründung ist die JA ein wichtiger Treiber im rechtsextremen Spektrum geworden. Sie steht eng beim rechtsextremen Höcke. Und der steht eng bei ihr.
Am Bundeskongress in Apolda brachte er die Rolle der JA auf die einfache Formel: «So wenig Partei wie nötig, so viel Bewegung wie möglich.»
Dann fügte er hinzu, die JA solle mehr IB wagen. Gemeint ist die rechtsextreme Identitäre Bewegung, deren Vokabular, Ästhetik und Aktionsformen die JA bereits verinnerlicht hat. Doch eigentlich passt der Vergleich nur bedingt.
Die Identitäre Bewegung war medial sehr präsent. Schreckte durch die Biografien einiger Mitglieder aber auch ab. Die JA knüpft daran an, sie ist im Internet, auf der Strasse. Sie sitzt aber auch in Parlamenten und Ausschüssen. Zum Beispiel der Bundesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Hannes Gnauck.
Als Feldwebel stufte der Militärische Abschirmdienst Gnauck als gesicherten Rechtsextremisten der Stufe rot ein. Heute sitzt er im Verteidigungsausschuss. Gauck versteht die JA als «Fundamentalopposition», doch das möchte sie nicht bleiben. Sie glaubt, Deutschland stehe an einem Wendepunkt.
In einer Stellungnahme vor dem Gerichtsentscheid in Köln schreibt die JA, Kirchen, Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften würden auch am ersten Tag einer AfD-Regierung und beim Start der «Remigrations-Flieger» demonstrieren. Doch die Mehrheit der Deutschen teile die Inhalte der JA. Deshalb müsse man jetzt zu einem Block, einer Einheit werden. Denn man stehe erst am Anfang. Und dann?
Das vorläufige Ziele der JA sind Wahlsiege der AfD. Auf Länder- und Bundesebene. Danach soll die «Vision eines neuen Deutschlands» stehen. Davon schreibt die JA in ihrem Parteiprogramm.