Donald Trump kann für die Ereignisse, die zum Sturm auf das Capitol geführt haben, zur Verantwortung gezogen werden. Seine präsidiale Immunität schütze ihn nicht davor, urteilte ein Berufungsgericht in Washington. Dennoch könnte sich der Prozess gegen ihn verzögern.
Die drei Richter des Bundesberufungsgerichts in Washington waren sich am Dienstag einig. Der ehemalige Präsident Donald Trump sei nun ein gewöhnlicher Bürger und geniesse die gleichen Rechte wie jeder andere Angeklagte, urteilten sie. «Jede exekutive Immunität, die ihn während seiner Amtszeit schützen könnte, schützt ihn nicht mehr vor dieser Strafverfolgung.»
Damit ebnet das Gericht dem Sonderermittler Jack Smith den Weg, um Trump wegen des ihm vorgeworfenen Umsturzversuchs nach seiner Wahlniederlage 2020 den Prozess zu machen. Trump und seine Anwälte argumentierten, dass ein amerikanischer Präsident eine unbegrenzte Immunität für seine Handlungen im Amt geniesse. Doch auch hier widersprachen die Richter. Sollten die Vorwürfe gegen Trump bewiesen werden, wäre sein Versuch, im Amt zu bleiben, «ein beispielloser Angriff auf die Struktur unseres Staates», heisst es im Urteil.
Der Supreme Court hat das letzte Wort
Trump habe sich mutmasslich in ein Verfahren eingemischt, in dem der Präsident keine Rolle zu spielen habe, schreiben die Richter. «Wir können die Behauptung nicht akzeptieren, dass ein Präsident das unbeschränkte Recht besitzt, Verbrechen zu begehen, welche den fundamentalsten Kontrollmechanismus gegenüber der Exekutive aushebeln würden: die Anerkennung und den Vollzug von Wahlresultaten.»
Obwohl ein Prozess gegen Trump in der Sache nun näher rückt, vermag er ihn jedoch immer noch weiter zu verzögern. Der ehemalige Präsident kann einerseits beantragen, dass der Fall auch noch von allen elf Richtern des Berufungsgerichts beurteilt wird, oder andrerseits versuchen, den Fall an den Supreme Court weiterzuziehen. Da das Urteil vom Donnerstag jedoch einstimmig gefällt wurde, dürfte es das Oberste Gericht wohl so stehen lassen.
Allerdings hängt die Anklage des Sonderermittlers auch noch von einem anderen Fall ab, der am Supreme Court hängig ist. In zwei von vier Anklagepunkten wirft Smith dem ehemaligen Präsidenten die «Behinderung eines offiziellen Verfahrens» vor. Nun will das Oberste Gericht jedoch klären, ob das entsprechende Gesetz im Zusammenhang mit dem Sturm auf das Capitol überhaupt anwendbar ist.
Die für den Trump-Prozess zuständige Richterin in Washington hat den für den 4. März vorgesehenen Verhandlungsbeginn vergangene Woche deshalb vorerst für unbestimmte Zeit aufgeschoben.
Über 50 Millionen Dollar für Anwaltskosten
Trumps Anwälte werden in Washington trotzdem bereits am Donnerstag wieder im Rampenlicht stehen. Dann hören sich die Richter des Supreme Court die Argumente an, die für oder gegen einen Ausschluss des ehemaligen Präsidenten von der Wahl sprechen. Eine nach dem Bürgerkrieg in die Verfassung geschriebene Klausel verbietet es ehemaligen Amtsträgern, die an einem Aufstand teilgenommen haben, erneut eine offizielle Position zu bekleiden. Das Oberste Gericht wird danach darüber entscheiden müssen, ob und wie diese Bestimmung im Grundgesetz auf Trump anwendbar ist.
Auch in New York und in Georgias Hauptstadt Atlanta laufen derweil weitere Prozesse und Strafverfahren gegen Trump. In Washington arbeitet Smith gleichzeitig an einer zweiten Anklage gegen Trump in Zusammenhang mit der Unterschlagung von Geheimdokumenten. Der ehemalige Präsident musste im vergangenen Jahr über 54 Millionen Dollar für seine Anwälte ausgeben. Finanziert hat er dies mit Wahlkampfspenden.
Obwohl Trump dadurch weniger Geld für Wahlwerbung ausgeben konnte, hat ihm das bisher jedoch nicht geschadet. Auch weil er die zahlreichen Strafverfahren gegen ihn zu einem zentralen Teil seiner Kampagne gemacht hat. Trump spricht von einer politischen Verfolgung durch Präsident Bidens Justizministerium. Und seine Wähler glauben ihm, wenn er etwa zu ihnen sagt: «Am Ende sind sie nicht hinter mir her. Sie sind hinter euch her – und ich stehe ihnen nur im Weg.»
Trump dürfte die republikanischen Vorwahlen gegen Nikki Haley klar gewinnen. Und auch in den jüngsten Umfragen im Vergleich mit Joe Biden liegt er meistens vorn. Einzig die Justiz scheint seine Kandidatur noch gefährden zu können. Dafür scheinen ihre Mühlen derzeit jedoch gar langsam zu mahlen.