Wohnaccessoire
Zum Frühlingsbeginn soll man Dinge loswerden, heisst es. Unsere Autorin aber findet, dass etwas unbedingt hinmuss: eine Tagesdecke.
Jetzt alles raus da! Die Tage waren lange genug dunkel. Es lockt ein wärmeres Lüftchen – Zeit fürs Flanieren, für Gärten und Balkone, für Seeuferpromenaden und Feierabendbiere in den Gassen, für Blicke links und rechts, für Beinrasuren und Antibauchspecktrainings – und für den althergebrachten Frühlingsputz, eine uralte Tradition, bestehend seit Jahrtausenden. Also raus mit dem Ballast, der sich über den Winter angesammelt hat.
Weil materielle Vervielfachungen sich manifestieren: 5 Wintermäntel? 10 Schals? 15 Jacken? 20 Pullis? 25 Hemden? 35 Paar Schuhe? Oder mehr! Sind wir alle noch ganz dicht im Oberstübchen? Übermässiges Material ist eine Katastrophe fürs Karma. Auch fürs globale. Jedes Ding zockt Energie ab, es raunt uns zu: «Duuu, ich bin auch noch da, widme dich mir! Und übrigens, duuu: Ich werde dich überleben.» Bereits Franz Kafka hat dieses Grauen, dass ein nutzloses kleines Ding den Menschen überlebt, in seiner Geschichte «Die Sorge des Hausvaters» beschrieben.
Drum weg mit all dem vervielfachten Zeug, ab in die Kleidersammlungen, ins Verteilersystem, in die Kreislaufwirtschaft. Und dann tapfer bleiben, nix nachkaufen. Das liegt einem nur wieder auf der seelischen und tatsächlichen Tasche.
Lieber fliegende Teppiche statt Büchsen
Okay. Rede braucht Gegenrede, sonst ist es ja nicht lustig. Etwas darf auf keinen Fall weg beziehungsweise muss dringend her, wenn es noch nicht da ist: eine Tagesdecke. Ja, die Tagesdecken in den Hotels dieser Welt sind ein Grauen, zieht mensch sie nicht immer gleich vom Bett? Die zu Hause aber ist Poesie. Und fliegender Teppich. Klassisches Fliegen ist out of fashion, schon gewusst? Sich freiwillig eingezwängt in einer Metallbüchse durch die Luft schiessen lassen? Come on! Die Büchsen können brennen, abstürzen, verschwinden oder Thrombosen auslösen – nicht vertrauenerweckend. Und gut fürs Klima sind sie auch nicht. Räusper. Klima, was war das nochmal? Ah, das unangenehme Zeug da? Hitze, Überschwemmung und so?
Ihr Abenteuerlustigen und Pioniersüchtigen, kriegt es endlich gebacken: Ihr seid 19. Jahrhundert. Und älter. Die Entdeckung des Erdenballs ist vorbei, unser Planet ist ausgelutscht. Heute zahlt mensch für jeden Schritt, zahlt Eintritte zu Stränden, Parks und Gebäuden, zu Cafés und Läden, zu ganzen Stadtteilen und Dschungelrouten. Und trottet in Horden Sehenswürdigkeit um Sehenswürdigkeit ab, tummelt sich für eine gute Welle mit hundert anderen Surferinnen dicht an dicht im Meer, umzingelt zu Dutzend den einen Tiger, der sich auf der Safari zeigt und als Restexemplar vor lauter Schreck ob all der bedrängend gezückten Handys gleich vereinsamt (aus)stirbt.
Spielanlage und Traumlandschaft
Werdet cool und modern. Bleibt daheim, umrundet euer Leben, entdeckt es in der Tiefe, und gönnt euch für diese Entdeckungsreisen einen fliegenden Teppich – sprich: eine Tagesdecke. Eine traumhafte. Zum Beispiel von Maison Lullin. Nachhaltig, phantasiefördernd, umwerfend schön. Breitet mensch sie auf Bett, Boden oder Wiese aus, entsteht eine Spielanlage, eine Traumlandschaft, eine ganze Welt, in der alles erlebt werden kann.
Bereits Xavier de Maistre hat 1790 in seinem Roman «Die Reise um mein Zimmer» sein Zimmer zur Welt erklärt, er erforschte die Gegenstände im Raum, deren Geschichte und seine eigene Vergangenheit, begegnete Vertrautem und Unvermutetem – und gewann einen Kontinent aus Realität und Imagination. Okay, er hatte Hausarrest, aber dennoch: Was für ein Statement für Poesie und Entschleunigung!
Renata Burckhardt ist Bühnenautorin, Kolumnistin und Dozentin in den Bereichen Kunst, Literatur und Theater, u. a. an der FHNW in Basel. Zudem leitet sie Schreibworkshops an diversen Theater- und Literaturinstitutionen.