Seit fünf Jahren ist der Schweizer Wohnungsmarkt am Austrocknen, weil trotz hoher Nachfrage weniger gebaut wird. Nun sieht es jedoch nach einer Trendwende aus.
Es ist ein Lichtblick, wenn auch nur ein kleiner: Die Wohnbautätigkeit in der Schweiz zieht allmählich wieder an. Für das laufende Jahr erwartet das Beratungsunternehmen Wüest Partner (WP) zwar noch keine Zunahme bei den Investitionen in Mehrfamilienhäuser. Aber bereits 2025 soll es deutlich aufwärtsgehen: plus 7 Prozent beim Neubau und plus 8,8 Prozent beim Umbau.
Ein derart starker Anstieg wurde laut WP seit zehn Jahren nie mehr erreicht. Bei der letzten Prognose vom Frühling 2024 waren die Aussichten noch deutlich verhaltener.
Trendwende dringend notwendig
Dass wieder mehr Wohnungen gebaut werden, ist bitter nötig. Seit 2019 sinkt die Zahl der neuen Wohnungen Jahr für Jahr – und dies, obschon die Nachfrage wegen der Zuwanderung und der Zunahme von Einzelhaushalten ständig steigt. 2022 kamen auf 52 000 zusätzliche Haushalte nur 41 000 zusätzliche Wohnungen.
Noch gibt es einen gewissen Puffer an leeren Wohnungen, aber dieser nimmt kontinuierlich ab. Betrug der Leerwohnungsanteil im Jahr 2020 noch 1,72 Prozent, liegt er nun bei 1,08 Prozent. Das ist zu wenig für ein reibungsloses Funktionieren des Wohnungsmarkts, zumal viele dieser Wohnungen sich am falschen Ort befinden oder aus anderen Gründen unattraktiv sind. Laut Avenir Suisse braucht es einen Leerstand von mindestens 1,15 Prozent, damit die die Mieten nicht steigen.
Tiefere Zinsen helfen
Umso besser also, dass die Bautätigkeit nun wieder anziehen soll. Hinter der Trendwende stecken laut WP mehrere Faktoren:
- Gesicherte Nachfrage: Wer heute Wohnungen baut, seien es Miet-oder Eigentumswohnungen, muss angesichts der grossen Knappheit keinerlei Angst vor Leerständen haben. Die Nachfrage ist gross und dürfte es auch weiterhin bleiben. Zum einen deutet nichts darauf hin, dass die Einwanderung abnimmt, zum anderen wohnen immer mehr Leute allein, was bedeutet, dass die Nachfrage selbst ohne Bevölkerungswachstum weiter zunimmt.
- Tiefe Zinsen: Die 2022 begonnenen Zinserhöhungen haben die Bautätigkeit in der Schweiz gebremst. Nach rund zwei Jahren ist die Zeit der höheren Zinsen jedoch bereits wieder vorbei. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat den Leitzins in drei Schritten auf 1 Prozent gesenkt, weitere Senkungen sind nicht unrealistisch. Damit verringern sich die Finanzierungskosten von Neubauobjekten. Zudem gewinnen Immobilieninvestments im Vergleich mit Anlagealternativen wie Bundesobligationen zusätzlich an Attraktivität.
- Stabile Baupreise: Auch die Baupreisteuerung war ein bremsender Faktor. Sie hat sich nun aber auf tiefem Niveau stabilisiert und ist derzeit sogar niedriger als die allgemeine Teuerung. Laut WP liegt das an den Preisen der Baumaterialien, die seit 2023 deutlich gesunken sind.
- Sensibilisierte Politik: Wohnungsknappheit ist nun schon seit mindestens zwei Jahren ein Thema. Die staatlichen Instanzen sind laut WP inzwischen sensibler geworden bezüglich der Notwendigkeit, den Bau von Wohnungen sowohl zu ermöglichen als auch zu fördern. Viele Gemeinden schaffen laufend die rechtlichen Voraussetzungen dafür (Revision von Bauzonen, Masterpläne). Zudem gibt es mehrere politische Initiativen, die das Ziel verfolgen, die Bautätigkeit in Gang zu bringen, wie etwa die Lockerung beim Lärmschutz in neuen Wohnungen.
Bis zur Entspannung ist es noch weit
Allzu euphorisch sollte man angesichts der aufgehellten Prognosen allerdings nicht sein. Auch wenn die Bauinvestitionen in den nächsten Jahren zulegen sollten, wird es nach dem starken Rückgang der vergangenen Jahre eine Weile dauern, bis sie nur schon wieder den Stand von 2017 erreichen.
Derzeit wären laut WP etwa 35 000 Wohnungen mehr vonnöten, um den Markt einigermassen im Gleichgewicht zu haben, so dass die Mieten und Preise nicht mehr weiter steigen.
Auch mit den Baupreisen ist es so eine Sache. Sie steigen zwar derzeit nicht mehr, aber laut WP liegen sie rund 15 Prozent höher als im Jahr 2019. Hinzu kommen die hohen Baulandpreise und die vielen Auflagen, die das Bauen zusätzlich verteuern. Das heisst: Bauen ist nach wie vor sehr teuer.
Ab dem 1. Januar 2025 müssen die Banken zudem im Rahmen von «Basel III» bei der Vergabe von Hypotheken je nach Belehnung einer Hypothek mehr oder weniger Eigenkapital hinterlegen. Durch die strengeren Eigenkapitalanforderungen und Liquiditätsvorschriften könnten sie bei der Vergabe von Krediten vorsichtiger werden. Wohnbauprojekte könnten schwerer finanzierbar werden, was zu einer Verlangsamung der Bautätigkeit führen würde.
Ein weiterer Faktor, der sich bremsend auswirken könnte, ist das Netto-Null-Klimaziel. Mit diesem Ziel – insbesondere unter Einbezug der grauen Emissionen – könnte sich verbinden, dass weniger Immobilienprojekte realisiert werden, da höhere Baukosten für nachhaltige Materialien und Bauweisen die Rentabilität mindern. Strengere Umweltauflagen verlängern zudem die Planungs- und Genehmigungsprozesse, was Projekte komplexer macht. Die Entwickler könnten sich stärker auf Sanierungen bestehender Gebäude konzentrieren, da diese weniger graue Emissionen verursachen. Das würde die Neubautätigkeit weiter reduzieren.
Und last, but not least bleibt auch die Regulierung ein Bremsfaktor. Trotz gewissen Bemühungen vonseiten der Behörden, die Bautätigkeit nicht zu behindern oder sie gar zu fördern, stellen die vielen existierenden Regulierungen die Akteure immer noch vor grosse Herausforderungen. Wie WP betont, ist die Baufreundlichkeit vielerorts nicht gegeben – mit der Folge, dass weniger gebaut wird, als möglich wäre.