Bei Gesprächen mit Hollywoodstars gaukeln die Medien oft etwas vor.
Ein Interview mit Clint Eastwood, das in der österreichischen Tageszeitung «Kurier» erschienen ist, sorgt für Aufregung. Dabei sind die Aussagen des Filmstars völlig unerheblich. Eastwood sagt nichts Weltbewegendes. So sehnt er sich nur «nach den guten alten Tagen, wo Drehbuchautoren in kleinen Bungalows (. . .) Filme wie ‹Casablanca› geschrieben haben». Er beklagt die Ideenlosigkeit in Hollywood, die vielen Remakes regen ihn auf. Aber so ergeht es vielen. Nicht deshalb ist das Interview ins Gerede gekommen.
Skandalisiert wird es, weil es nicht stattgefunden hat. «Absolutely bogus», schreibt die amerikanische Publikation «Deadline». Das Stück sei eine Ente. Eastwood selbst hat sich bei dem Branchenportal gemeldet und klargestellt, dass er in den letzten Wochen weder dem «Kurier» noch sonst jemandem ein Interview gegeben habe. «Bestätigen kann ich nur, dass ich 95 Jahre alt geworden bin», so fügte der Altstar in seinem typisch knorrigen Humor hinzu.
Journalistin unter Generalverdacht
Schnell machte die Meldung von Fake News die Runde. «Skandal um erfundenes Interview», hiess es im «Tages-Anzeiger», wo man sich an die «Fabrikate von Tom Kummer» erinnert fühlte. Der «Spiegel» hinterfragte bei der Gelegenheit gleich das «sonstige Schaffen» von der Journalistin. Verdächtig scheint dem Magazin, dass es der freien Autorin, Elisabeth Sereda, unlängst gelungen sei, auch mit Jude Law, Cate Blanchett und Pamela Anderson zu reden – «allesamt Superstars, an die man nicht leicht herankommt».
Das ist allerdings auch «bogus». So äusserte sich etwa Pamela Anderson zur Promotion des Films «The Last Showgirl» auf allen Kanälen. Oder Jude Law lässt sich ohnehin gerne interviewen. Tatsächlich liegt bei Clint Eastwood und dem «Kurier» kaum ein gravierender Fall von Fake News vor. Die Redaktion ging der Sache nach und stellte fest, dass Sereda, die seit zehn Jahren als freie Autorin für die Publikation tätig war, sehr wohl mit Clint Eastwood am Tisch sass. Sogar etliche Male. Allerdings nicht in letzter Zeit. Und davor auch nur im Rahmen von sogenannten «round tables», bei denen sich mehrere Journalisten einen Star für ein kurzes Treffen teilen.
Offenbar bastelte Sereda aus diesen älteren Gruppengesprächen nun ein neues Interview. Das ist selbstredend unlauter und auch töricht. Denn es musste ihr klar gewesen sein, dass das Risiko, aufzufliegen, gross ist. Clint Eastwood gibt dem österreichischen «Kurier» ein weltexklusives Interview? Wer’s glaubt.
Sie ist nicht Tom Kummer
Der «Kurier» will nun nicht mehr mit der Autorin zusammenarbeiten. Das scheint allerdings harsch. Die Empörung über Sereda ist unverhältnismässig und auch heuchlerisch. Gerade Interviews mit Hollywoodstars entstehen oft aus Gruppengesprächen, werden aber kaum je als solche ausgewiesen. Beim Leser soll der Eindruck entstehen, dass die Berühmtheit sich nur für das eigene Medium Zeit genommen hat.
Fraglos ging Sereda noch weiter. Dass sie aufgeflogen ist, geschieht ihr recht. Aber sie hat offenbar keine Zitate erfunden, sie ist nicht Tom Kummer, kein Claas Relotius. In dem Reflex vieler Medien, sich auf die Autorin einzuschiessen, verrät sich ein denunziatorischer Zug. Zu genüsslich spielen sich Journalisten oft als richtende Instanzen auf. Der Moralismus ist stossend.
Klar, Clint Eastwood tut gut daran, dass er sich über das Interview beklagt hat. Besser noch wäre es, um es ganz uneigennützig zu sagen, er würde sich wieder einmal Zeit für ein ordentliches Gespräch nehmen.