Die USA belegen Einfuhren aus den Nachbarländern mit hohen Zöllen und stellen die wirtschaftliche Integration in Nordamerika infrage. Weitere Zolldrohungen Trumps könnten auch die Schweiz betreffen.
Er hat es tatsächlich getan. Der amerikanische Präsident Donald Trump hat am Samstag angeordnet, ab Dienstag Einfuhrzölle von 25 Prozent gegen Kanada und Mexiko zu erheben, die beiden wichtigsten Handelspartner der USA. Auch gegen China, den drittwichtigsten Handelspartner, werden zusätzliche Zölle von 10 Prozent eingeführt. Einen reduzierten Satz von 10 Prozent wollen die USA auf kanadische Energieprodukte erheben; dies betrifft vor allem kanadisches Rohöl.
Der nützliche Notstand
Trump begründet die Zölle damit, dass die Nachbarländer zu wenig gegen illegale Migration und Exporte der gefährlichen Droge Fentanyl täten. Er hat die Importabgaben im Vorfeld aber auch schon mehrfach mit anderen Zielen verknüpft: Sie sollten Einnahmen für den Bundesstaat generieren und das Handelsbilanzdefizit verkleinern, das die USA gegenüber Mexiko, Kanada und China aufweisen.
Trump beruft sich auf die International Emergency Economic Powers Act (IEEPA): Dieses 1977 geschaffene Gesetz erlaubt es dem Präsidenten, im Falle von aussergewöhnlichen, vom Ausland ausgehenden Bedrohungen einen nationalen Notstand auszurufen und ins Wirtschaftsgeschehen einzugreifen. Trumps Vorgänger setzten die IEEPA regelmässig ein, um Guthaben von feindlichen Staaten und Organisationen zu blockieren: Jimmy Carter nutzte das Gesetz während der Geiselnahme von Teheran im Nachgang der iranischen Revolution 1979, George W. Bush fror damit nach den Angriffen vom 11. September 2001 die Vermögen von Terrorgruppen ein.
Für die Einführung von Zöllen wurde die IEEPA aber noch nie genutzt; Richard Nixon hatte sich 1971 noch auf ein weiter gefasstes Vorläufergesetz berufen, um allgemeine Einfuhrzölle von 10 Prozent zu erheben und eine Zahlungsbilanzkrise zu bekämpfen. Juristen stellen infrage, ob das Handelsbilanzdefizit der USA gegenüber Kanada und Mexiko eine aussergewöhnliche Bedrohung darstellt. Schwere Probleme an der Landesgrenze könnten dem Erfordernis eher entsprechen.
Hoher wirtschaftlicher Schaden
Eine grosse Mehrheit von Ökonomen ist sich einig, dass ein länger andauernder Handelskrieg negative Folgen zeitigen wird. «Unsere Analyse kommt zu dem Schluss, dass diese Zölle alle beteiligten Volkswirtschaften schädigen würden, einschliesslich der USA», schrieb das Peterson Institute, eine auf internationalen Handel fokussierte Denkfabrik, kürzlich in einer Studie zu Trumps Drohung. In allen drei Ländern werde die Inflation ansteigen und das Wachstum gebremst werden.
Der unmittelbare Schaden werde für die USA, über Trumps vierjährige Amtszeit hinweg, rund 200 Milliarden Dollar betragen, schätzen die Studienautoren, für Kanada betrage er 100 Milliarden Dollar. Weil die kanadische Wirtschaft weniger als einen Zehntel so gross ist wie die amerikanische, wäre Ottawa dennoch viel stärker vom Handelskrieg betroffen als Washington.
Die mexikanische Wirtschaft würde noch stärker getroffen und würde wegen der Zölle um bis zu 2 Prozent weniger wachsen als erwartet. Exporte machen 40 Prozent von Mexikos Wirtschaft aus, rund 80 Prozent hiervon gehen in die USA. Im Unterschied zu anderen grossen Exportnationen wie China oder Deutschland ist Mexikos Industrie auch geografisch einseitig auf die USA ausgerichtet: Zahlreiche Fabriken wurden innerhalb von 50 Kilometern von der US-Grenze errichtet. Das erschwert es den Unternehmen, ihre Produkte rasch in andere Exportmärkte umzulenken.
Umgehende Reaktion
Kanada und Mexiko kündigten am Samstagabend umgehend Gegenzölle an, wobei Ottawa detailliertere Pläne vorlegte: Gemäss Premierminister Justin Trudeau wird Kanada Einfuhren aus den USA im Umfang von über 105 Milliarden Dollar mit einem Zoll von 25 Prozent belegen. In einer ersten Welle betroffen sind alkoholische Getränke, Kleidung, Holz oder Haushaltgeräte.
Später würden die Zölle auf Stahl, Aluminium, Autos oder Landwirtschaftsprodukte ausgedehnt. «Wir haben diesen Streit nicht gesucht, aber wir werden nicht klein beigeben», sagte Trudeau. Grundsätzlich werden Kanada und Mexiko versuchen, mit ihren Zöllen vor allem Trumps Verbündete zu treffen, damit diese sich beim Präsidenten für eine Beendigung des Handelsstreits einsetzen.
Auch China verurteilte Trumps Vorgehen und behielt sich weitere Gegenmassnahmen vor, verzichtete aber auf umgehende Erhebung von Vergeltungszöllen. Für China, das mit hauseigenen wirtschaftlichen Problemen kämpft, kommt der neue Handelsstreit zwar auch ungelegen. Peking dürfte unter den neuen Zöllen aber weniger stark leiden als Amerikas Nachbarländer, weil seine Exporte breiter diversifiziert sind.
Donald Trump war in früheren Handelsstreitigkeiten bereit, Zölle zurückzunehmen, wenn die Gegenseite Zugeständnisse machte. Es ist fraglich, wie rasch das in diesem Fall gelingen wird. Der Handelskrieg hat, auch wegen Trumps abschätziger Aussagen zu Mexiko und Kanada, eine Eigendynamik angenommen und könnte rasch weiter eskalieren.
Die Anordnungen von Trump enthalten eine Warnung, dass die USA im Falle von Retorsionsmassnahmen die Zölle ihrerseits verschärfen würden. In einer wie üblich mit Grossbuchstaben durchsetzten Nachricht auf Truth Social goss Trump am Sonntag weiter Öl ins Feuer. Die USA würden Kanada jährlich mit Hunderten Milliarden Dollar subventionieren, obwohl man nichts von dem brauche, was Kanada biete. Er wiederholte zudem seine provokative «Einladung», Kanada solle doch der 51. Teilstaat der USA werden.
Auch kanadische Spitzenpolitiker – die sich derzeit mitten im Wahlkampf befinden – demonstrieren Härte und beschwören Einigkeit. Der konservative Oppositionsführer Pierre Poilievre, der die besten Chancen hat, den Liberalen Trudeau als Premierminister zu beerben, fordert «Dollar für Dollar»-Retorsionsmassnahmen mit Fokus auf Produkte, die amerikanische Firmen besonders treffen würden und die Kanada selbst herstellen könne.
Die vormalige liberale Finanzministerin Chrystia Freeland, eine mögliche Spitzenkandidatin im anstehenden Wahlgang, hat bereits am Freitag Strafzölle gegen republikanische Staaten und Trumps «Milliardärs-Kumpels» gefordert. Freeland schlug etwa eine 100-prozentige Importabgabe auf Tesla-Fahrzeuge vor. Der Chef des Elektroautobauers ist Elon Musk, einer der wichtigsten Berater von Donald Trump.
Auch die Schweiz muss sich vorsehen
Kritik an Trumps Vorgehen ist auch aus der Wirtschaft der USA zu vernehmen. Die amerikanische Handelskammer, ein wichtiger Wirtschaftsverband, schrieb, Zölle seien nicht die richtige Antwort auf Probleme an der Grenze. Sie würden einzig die Preise für amerikanische Familien nach oben treiben und Lieferketten unterbrechen. Das American Petroleum Institute, die wichtigste Lobbyorganisation der Erdölbranche, schreibt, dass freier und fairer grenzüberschreitender Handel essenziell sei, um amerikanische Konsumenten mit günstiger, verlässlicher Energie zu versorgen.
Ökonomen gehen davon aus, dass die Preise für zahlreiche Lebensmittel, Benzin oder Autos in den USA nun deutlich ansteigen könnten. Das könnte die Inflation mittelfristig um einen Prozentpunkt ansteigen lassen und die amerikanische Notenbank Fed dazu zwingen, von weiteren Senkungen des Leitzinses abzusehen. Ein solcher Schritt würde den amerikanischen Häusermarkt beeinträchtigen und amerikanische Firmen treffen. Er brächte das Fed zudem auf Konfrontationskurs gegenüber dem Weissen Haus, da Trump regelmässig tiefe Leitzinsen fordert, um die Wirtschaft anzukurbeln.
Donald Trump hat am Freitagabend gegenüber der Presse im Weissen Haus noch weitere Importabgaben angekündigt, die möglicherweise schon Mitte Februar eingeführt werden. Einerseits will Trump auch die Einfuhren aus der Europäischen Union mit Zöllen belegen – in der Vergangenheit hat er sich schon mehrfach über das amerikanische Handelsbilanzdefizit gegenüber Europa beklagt: Die Europäer würden keine Autos und keine landwirtschaftlichen Produkte aus den USA kaufen.
Darüber hinaus will Trump Zölle auf die Einfuhr spezifischer Güter erheben, darunter Stahl, Aluminium, Kupfer, Erdöl, Erdgas, Computerchips und pharmazeutische Produkte. Viele Details hat Trump noch nicht geliefert. Je nach Ausgestaltung könnten solche Importabgaben auch die Schweiz empfindlich treffen. Der Pharmasektor ist für mehr als 40 Prozent der Schweizer Warenexporte verantwortlich, und die USA sind ein sehr wichtiger Zielmarkt.
Am Sonntag kritisierte Trump auf Truth Social zudem, dass die Amerikaner deutlich höhere Medikamentenpreise zahlen müssten als andere Länder. Republikaner und Demokraten beklagen diesen Umstand schon seit Jahren. Bisher konnte man sich in Washington aber nie auf umfassende Reformen im Gesundheitssystem einigen, die daran etwas ändern könnten.