Erneut wird der SC Bern in Zug zerzaust und ist nur noch eine Niederlage vom Saisonende entfernt. Der Trainer Jussi Tapola sorgt mit seinen Aufstellungen und dem Torhütermanagement für Irritationen.
«Schizophren» sei sein Team, sagt der Zuger Trainer Dan Tangnes ein paar Minuten nachdem der EV Zug den SC Bern 6:2 besiegt hat. Und er fügt an: «Ich hoffe, wir zeigen ab sofort nur noch unser gutes Gesicht». Die Darbietungen des EVZ, Meister von 2021 und 2022, waren den gesamten Winter über erratisch. Sie sind es auch in dieser Play-off-Viertelfinalserie, aber nun liegt Zug mit 3:2-Siegen vorne. Was es dem Coach sichtlich erleichtert, die Launenhaftigkeit seines Kollektivs zu akzeptieren. Und über sie zu sprechen. Er sagt: «Wir waren am Samstag in Spiel 4 40 Minuten lang wirklich nicht gut. Aber heute haben wir die richtige Reaktion gezeigt.»
Besonders lobte er seinen Captain Jan Kovar, der exemplarisch für die aktuelle Unberechenbarkeit dieser Mannschaft steht. Kovar, 34, spielt seine schwächste Saison seit 14 Jahren. Doch am Montag war er mit einem Tor und zwei Assists Zugs bester Spieler. Tangnes sagt: «Er hat uns die letzten Jahre mit seinen Leistungen verwöhnt. In dieser Saison hatte er oft Mühe. Ich habe Emails gekriegt mit der Forderung, ihn auf die Tribüne zu setzen. Aber man sollte nicht vergessen, welch starker, zuverlässiger Spieler er seit vielen Jahren ist. Für mich ist klar, dass ich mit ihm bis zum Ende reite.»
Ein paar Meter von Tangnes entfernt schildert der SCB-Coach Jussi Tapola seine Sicht der Dinge. Er wirkt souverän – ein 2:3-Serienrückstand ist noch kein Grund, die Nerven zu verlieren. Bestimmt nicht für einen Trainer, der in Finnland mit Tappara Tampere zuletzt zwei Mal in Folge Meister und 2023 auch Champions-League-Sieger geworden ist.
Der SCB-Trainer Tapola verwendet lieber eine Ausländerlizenz für einen Ersatzgoalie als für einen zusätzlichen Stürmer
Doch Tapola gibt derzeit mindestens so viele Rätsel auf wie die zwei Gesichter des EV Zug. Der SCB ist ein Team, welches nicht mit übermässig Kadertiefe gesegnet ist. Am Montag bestand die vierte Sturmlinie aus Fabian Ritzmann, der in 121 National-League-Einsätzen 15 Skorerpunkte produziert hat. Sowie aus den vom Swiss-League-Partnerteam Basel ausgeliehenen Angreifern Dario Kummer und Yanick Sablatnig. Es sind tapfere Wasserträger, an ihrer Leistung gibt es nichts zu bemängeln.
Aber ist schon erstaunlich, wofür sich Tapola punkto Aufstellung entschied. Zum zweiten Mal in Folge zog er es vor, eine Ausländerlizenz auf die Position des Ersatztorhüters zu verwenden. Und den einsatzbereiten, NHL-erprobten Corban Knight auf der Tribüne zu belassen. Knight, 33, spielte 2022 für Kanada bei den Olympischen Spielen, er ist der mit Abstand beste Bully-Spieler des SCB. Seine Absenz schwächt die fragile Mittelachse. Tapola begründete den Entscheid so: «Nach dem Sieg vom Samstag wollten wir die Linien beibehalten. Und ein Play-off-Spiel kann 120 Minuten dauern, da wollen wir mit unseren besten Torhütern antreten.» Es ist eine rare Sichtweise. Beim letzten, von 2019 datierenden Meistertitel, hiess die Nummer 2 Pascal Caminada. Der Zürcher spielte im Play-off keine einzige Sekunde.
Beide SCB-Goalies scheinen aktuell wenig Selbstvertrauen zu haben
Reideborns Nomination als Nummer 2 eröffnete ein weiteres Problemfeld: Es stellte nicht gerade den ultimativen Vertrauensbeweis für den Torhüter Philip Wüthrich dar. Zwischen dem Goalie Wüthrich, 26, und dem SCB ist es, na ja, kompliziert. Das Eigengewächs war im Sommer zur Nummer 2 hinter Adam Reideborn degradiert worden. Im Play-off hatte er erst als Reaktion auf das Berner 1:6-Debakel in Spiel 3 den Vorzug erhalten. Am Montag wurde er bei erster Gelegenheit, nach weniger als 18 Minuten, wieder ausgetauscht; gerade hatte der SCB das 0:2 kassiert. An beiden Gegentoren traf Wüthrich keine Schuld, das bestätigte auch Tapola, der die Rochade damit begründete, das Team aufwecken zu wollen. Die Massnahme blieb wirkungslos: Nach nur 25 Minuten führte Zug 4:0.
Es war lediglich ein Spiel, gewiss, aber um das Selbstvertrauen von Reideborn und Wüthrich dürfte es nach Tapolas hastigen Wechseln nicht zum besten bestellt sein. Wüthrichs Fangquote in den Play-offs liegt bei 83,3 Prozent, jene von Reideborn bei 84,78 Prozent. Es sind miserable Werte, mit denen sich keine Play-off-Serie gewinnen lässt. Tapola sagte, er verstehe nicht, weshalb um die Goalies so grosse Aufregung herrsche. Das Problem sei, dass die Vorderleute den Schlussmann im Stich lassen würden: «Wenn du Zug so viel Raum und Platz lässt, wirst du Gegentore kassieren. Egal, wer im Tor steht. Wir haben zwei gute Torhüter.»
Wüthrich und Reideborn haben das beide schon bewiesen, Letzterer fraglos fleissiger – er war zweifacher Meister in der russischen KHL und stand für Schweden bei je einem WM- und Olympia-Turnier im Einsatz. Tapola sagte, er wisse noch nicht, auf wen er am Mittwoch setzen werde. Für den SCB verheisst das nichts Gutes – wer inmitten der Play-offs nicht weiss, auf welchen Goalie er sich verlassen kann, hat ein Torhüterproblem. Die Berner müssen hoffen, dass die Zuger Schizophrenie dabei behilflich ist, es zu lösen.