Dass man jedes Produkt künstlich intelligent machen will, ist kurios. Leider bleiben der gesunde Menschenverstand und die Umwelt dabei oft auf der Strecke.
Montagmorgen, der erste Blick in den Spiegel – und der blickt zurück. Er analysiert die Laune, bietet eine Lichtmeditation und aufbauende Sprüche an. Für viele mag das wie die Szene aus einer Tech-Dystopie klingen.
Doch genau dieser Spiegel hat bei der Elektronikmesse CES 2024 gar einen Innovationspreis bekommen.
Langweiligen Produkten mit KI einen magischen Beiklang geben, das liegt im Trend. Samsungs neue Vorzeige-Waschmaschine heisst Bespoke AI und verspricht, dank «Bubble-Shot-Technologie» und «mit einer Vielzahl von AI-Funktionen» energieeffizienter zu waschen. Eine Schweizer Firma hat eine KI-Katzenklappe erfunden, die Katzen nur dann ins Haus lässt, wenn sie vorher ihre Beute ablegen. Ein Gerät, das aussieht wie ein Toaster, soll in 90 Sekunden Fleisch perfekt grillieren – dank KI.
Man kann über die Flut der KI-Produkte und ihre seltsamen Versprechen schmunzeln. Doch nicht alle sind harmlos. Oft laden sie dazu ein, den eigenen Verstand an die vermeintlich kompetentere Technologie auszulagern. Ausserdem schaden sie der Umwelt.
KI lädt ein, den Hausverstand auszuschalten
Beispielhaft für die irreführende Aura von KI-Kompetenz ist der Hundefressnapf der Firma Illume. Er ist verbunden mit einem Chip, den der Hund um den Hals trägt und der dessen Aktivität messen soll. Dann sagt der Fressnapf dem Herrchen, wie viel das Tier fressen darf. Illume verspricht «personalisierte und optimale Nahrung für deinen Hund». «Daten sind Wissen, und Wissen ist Macht», argumentiert die Website.
Anders als Fitnessuhren für Menschen misst das Illume-System für 299 Dollar weder Herzschlag noch Sauerstofflevel des Hundes. Allein ein Bewegungssensor soll die Aktivität messen und die nötige Kalorienzufuhr für den Hund ableiten. Wie gut das funktioniert, ist fraglich.
Dieselbe Dynamik kommt zum Tragen, wenn die Dating-App Tinder Menschen mit KI hilft, attraktive Bilder von sich zu machen. Nutzer gewöhnen sich daran, dass ein Algorithmus vertrauenswürdiger ist als ihre eigene Intuition dazu, wie sie sich präsentieren wollen. Oder wenn man behauptet, ein KI-Teddybär, der Geschichten erfinde, sei ein besonders inspirierendes Spielzeug.
Den Preis für überflüssige KI-Gadgets zahlt die Umwelt
Der KI-Teddybär Poe illustriert darüber hinaus auch das Umweltproblem von KI besonders gut. Offenbar nach Edgar Allan Poe benannt, dem Vater des Horrorgenres, könnte er einer von dessen makabren Geschichten entstammen: grün und blau leuchtende Ohren, beweglicher Unterkiefer und eine blecherne Stimme. Man sieht ihm seine Kurzlebigkeit von weitem an.
Poe ist mit einer App verknüpft, die Geschichten generiert. Die Geschichten klingen in Videos von ersten Testern hölzern und schlechter komponiert als ein durchschnittliches Bilderbuch.
Für jede neu generierte Geschichte wird eine Anfrage an Open AIs Datenzentren gesendet. Das Generieren der Antwort kostet Energie. Microsofts Emissionen stiegen wegen KI um 30 Prozent. Amerikanische Tech-Firmen schliessen bereits Deals mit Betreibern von Atomkraftwerken ab, um die zukünftige Versorgung zu sichern.
Natürlich ist es sinnvoll, dass Firmen mit KI experimentieren. Es gibt durchaus Anwendungen, die den Energieverbrauch rechtfertigen. Horrorteddys, Motivationsspiegel und Diätfressnäpfe gehören aber nicht dazu. Man darf hoffen, dass sie bald in Vergessenheit geraten und der entstandene Elektroschrott fachgerecht entsorgt wird.