Sie hantieren mit Phantasieausweisen, verweigern Steuern und decken Ämter mit pseudojuristischen Briefen ein. Bei einem solchen Staatsverweigerer im Kanton Zürich wurde nun ein Waffenarsenal beschlagnahmt.
Als die Polizisten im Oktober 2023 an einer Haustür im Zürcher Bezirk Horgen klingeln, dürften sie bereits ahnen, dass dieser Besuch nicht einfach wird.
Sie haben den Auftrag, einem Mann einen Haftbefehl für eine nicht bezahlte Ordnungsbusse zu übergeben. Doch an dieser Adresse wohnt jemand, der gar nichts von Anweisungen der Behörden hält. Er ist ihnen bereits einschlägig bekannt: Der Mann ist ein sogenannter Staatsverweigerer.
Seit Jahren machen nervig bis aggressive Querulanten Schweizer Behörden und Gerichten zu schaffen. Sie erkennen die Justiz nicht an und behindern die Ämter. Sie zahlen keine Steuern, drucken Phantasieausweise und decken die Behörden und Ämter mit pseudojuristischen Briefen ein.
Ein Vertreter dieser Art ist auch der Mann aus Horgen. Er gibt sich denn auch wenig kooperativ, wie ein Urteil des Zürcher Verwaltungsgerichts zeigt. Auf mehrfaches Klingeln reagiert er nicht. Er weigert sich, das Fenster zu öffnen und mit der Polizei zu sprechen. Man habe keinen Termin mit ihm vereinbart, sagt er. Man solle «zu einem ihm genehmen Termin vorbeikommen». Im Übrigen müsse man auch seine allgemeinen Geschäftsbedingungen akzeptieren.
Bereits im Februar war die Polizei da, damals um eine Geländeräumung durchzusetzen. Der Staatsverweigerer versuchte, die Aktion zu stören. Gemäss Verwaltungsgericht stellte er sich als «Aufseher für Menschenrechte» vor.
Im März 2023 hatte er dem zuständigen Amt geschrieben, dass eine Ordnungsbusse «nicht nach den kaufmännischen Regeln» erstellt worden sei. Er habe keinerlei Verträge mit der ausstellenden Behörde. Es sei ihm daher nicht möglich, auf das Angebot einzutreten. Die Busse schickte er zurück.
Im April 2023 wehrte er sich am Schalter der Gemeindepolizei gegen einen Zahlungsbefehl. Er könne diesen nicht annehmen, weil sein Name falsch geschrieben sei: Es müsse «Vorname Nachname» anstatt «Nachname, Vorname» heissen.
Ein andermal erklärte er, dass er eine Busse nicht bezahle, solange seine Anschrift nicht korrekterweise mit «Mensch» erfolge – denn seine «Person» existiere nicht mehr.
Kurz gesagt: Der Kontakt zwischen Bürger und Behörde verlief nicht gerade konstruktiv. Er habe eine «klar radikale Einstellung zum Ausdruck gebracht», schreibt das Verwaltungsgericht über den Mann. Dieser sei überzeugt, «dass die Handlungen der Polizei nicht rechtmässig seien».
Staatsverweigerer auf dem Radar des Geheimdienstes
Die Pandemie verschaffte der Szene ab 2020 starken Aufwind, das Phänomen ist seither nie mehr verschwunden. Manche Gemeinden führen bereits Leitfäden für den Umgang mit skurril-renitenten Bürgern. Die Skurrilität wird spätestens dann zur Gefahr, wenn Querulanten mit physischer Gewalt gegen Betreibungsbeamte oder Polizisten drohen.
Manche Behörden scheinen in den Staatsverweigerern eine Gefahr für die Demokratie und die innere Sicherheit auszumachen. So beantragte die Zürcher Kantonspolizei vergangenes Jahr beim Nachrichtendienst des Bundes (NDB) die Eröffnung eines Prüfverfahrens gegen Staatsverweigerer, wie die «NZZ am Sonntag» berichtete.
Damit wird geklärt, ob eine Gruppe auf die klassifizierte Beobachtungsliste des Nachrichtendienstes gesetzt werden soll. Dies würde eine nachrichtendienstliche Überwachung der betroffenen Staatsverweigerer nach sich ziehen. Von Observationen bis zu mündlichen Quellen verfügt der Geheimdienst über diverse Mittel, die er einsetzen könnte.
Die Zürcher Kantonspolizei machte bisher keine Angaben «zur konkreten Bedrohung», mit der ein solcher Antrag begründet werden muss. Laut Nachrichtendienst-Verordnung können die Kantone den Einsatz des NDB «zur Wahrung wichtiger Landesinteressen» verlangen.
Dirk Baier vom Institut für Delinquenz und Kriminalprävention an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften sagte vergangenes Jahr der NZZ, dass er eine Überwachung der Staatsverweigerer-Szene für notwendig halte: «Weil die Szene seit Jahren existiert und auch gefährlich ist.»
Gerade wenn der Staat das geltende Recht durchsetzen wolle, könne es auch zum Einsatz von Gewalt kommen, sagt Baier. Die Gefahr gehe im staatskritischen Milieu von Einzelpersonen aus, die sich in den Netzwerken radikalisierten.
Der Mann bekommt seine Waffen nicht zurück
Auch beim Fall in Horgen sahen die Behörden in dem Mann ein zunehmendes Gewaltpotenzial. Denn der Staatsverweigerer war bewaffnet. Wie aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts hervorgeht, besass der Mann diverse Pistolen sowie eine Schrotflinte.
Im November 2023 verfügte das Statthalteramt Horgen darum eine Hausdurchsuchung. Alle Waffen und Munition sollten sichergestellt und beschlagnahmt werden.
Bei der Hausdurchsuchung fragt der Mann die Polizisten, ob sie bewaffnet seien und er sich ebenfalls bewaffnen solle, damit man auf gleicher Augenhöhe sei.
Es ist vor allem diese unverhohlene Drohung, die beim Verwaltungsgericht für Stirnrunzeln sorgte. Denn kurz nach der Beschlagnahmung wollte der Staatsverweigerer sein Waffenarsenal wiederhaben. Seine Frage an die Polizisten, ob er sich ebenfalls bewaffnen solle, lege eine Drittgefährdung nahe, schreibt das Verwaltungsgericht im Urteil.
Der Mann legte gegen die Beschlagnahmung Beschwerde vor dem Verwaltungsgericht ein. Die Richter weisen diese aber ab, er bekommt seine Waffen nicht zurück. Dagegen muss er eine Gerichtsgebühr von über 2000 Franken bezahlen. Doch es ist offen, ob er die Gebühr tatsächlich begleichen wird.
Die Gruppe hat sich ins Ausland abgesetzt
Denn die Staatsverweigerer aus Horgen, die sich mehrheitlich in der Umgebung von Hirzel niedergelassen hatten, haben sich offenbar aus dem Staub gemacht. Der Horgner Gemeindeammann Manfred Rhiner sagt, dass man mit rund einem halben Dutzend Leuten aus besagter Szene grosse Probleme gehabt habe. Alles, was mit dem Staat zu tun gehabt habe, hätten sie verweigert.
Spätestens Anfang 2024 seien die Leute weggezogen, sagt Rhiner weiter. Manche von ihnen hätten sich ins Ausland abgesetzt.
Ob die Hausdurchsuchung und der Wegzug in einem Zusammenhang stehen, muss an dieser Stelle offen bleiben. Laut dem Gemeindeammann Rhiner hat es in der Gruppe einen Akteur gegeben, der federführend gewesen sei. «Als die Szene merkte, dass man ihr auf die Finger schaute, suchte sie sich eine andere Gegend», sagt Rhiner.