Jährlich kontrolliert das Kantonale Labor Zürich Tausende von Imbissbuden, Kantinen und Restaurants. Nicht überall geht es appetitlich zu.
Im März 2015 ist für Herrn A. (vollständiger Name der Redaktion bekannt) noch alles in Ordnung. Der Geschäftsmann lässt in Winterthur Flyer verteilen, um auf sein Lebensmittelgeschäft aufmerksam zu machen. Besonders prominent bewirbt er dabei seine Fleischabteilung: Lammgigots hat er für 18 Franken pro Kilogramm im Angebot, Entrecôte für 25 Franken pro Kilo. Das ist weniger, als anderswo das Pouletfleisch kostet.
In der Winterthurer Zeitung «Der Landbote» gibt A. an, dass er sein Fleisch offen verkaufe, um sich die Verpackungskosten zu sparen. So kämen die tiefen Preise zustande, die Qualität indes sei einwandfrei – auch wenn dem Fleisch gelegentlich anzusehen sei, dass es unverpackt sei. A. lässt sich in der Zeitung zitieren: «Bei uns darf Fleisch auch einmal etwas braun oder rot aussehen, das ist halt die Natur.»
Die Kontrolleure des Kantonalen Labors sehen das entschieden anders. Im Juli 2022 statten sie A.s Geschäft einen routinemässigen, unangemeldeten Besuch ab. Dabei stossen sie auf eine ganze Reihe von schwerwiegenden Mängeln bei der Betriebshygiene. Die Kritikpunkte sind so bedeutend, dass sie Herrn A. eine Strafanzeige wegen Widerhandlung gegen das Gastgewerbegesetz sowie gegen das Lebensmittelgesetz eintragen.
Dass ein Betrieb geschlossen werden muss, ist selten
Der Fall aus Winterthur ist gravierend, aber durchaus kein Einzelfall. Laut dem am Dienstag publizierten Jahresbericht des Kantonalen Labors Zürich haben Lebensmittelinspektoren 2023 insgesamt 6182 Kontrollen in Restaurants, Kantinen und Imbissbuden durchgeführt. Gemeldet sind im Kanton Zürich 9346 solche Betriebe. Bei 5660 Kontrollen konnte kein Risiko für die Gesundheit der Gäste erkannt werden.
2978 der Betriebe wiesen bei der Kontrolle ein kleines Risiko, 490 ein erhebliches – und 24 ein grosses Risiko auf. Erfasst werde der Zustand vor und während der Kontrolle. Nach der Kontrolle oder spätestens nach Umsetzung allfälliger Korrekturmassnahmen gehe von den kontrollierten Betrieben kein Risiko mehr aus, erklärt der Zürcher Kantonschemiker Martin Brunner.
Jene Betriebe mit kleinem Risiko würden häufiger kontrolliert als solche ohne Beanstandungen. Dort, wo das Risikopotenzial erheblich oder sogar gross sei, werde sogar noch öfter kontrolliert – nämlich alle sechs Monate. Nach jeder Kontrolle würden Massnahmen angeordnet, anhand deren die Sauberkeit im Betrieb zu verbessern sei. «So haben wir ziemlich genau im Blick, was läuft, und können ganz schweren Fällen in der Regel vorbeugen», sagt Brunner.
Trotzdem erstatteten die Lebensmittelinspektoren des Kantonalen Labors pro Jahr 200 bis 300 Mal Strafanzeige wegen Widerhandlungen gegen das Lebensmittelgesetz, sagt Brunner. Wie viele Bussen es danach gebe, erfasse die Gesundheitsdirektion aber nicht: Der Entscheid, ob daraufhin auch eine Busse ausgesprochen werde, sei aber Sache der Strafbehörden und nicht jene der Lebensmittelkontrolleure.
Im äussersten Fall müssen fehlbare Betriebe sogar geschlossen werden. Das sei aber Ultima Ratio, sagt Brunner, und komme höchst selten vor. Er betont, dass die Massnahmen des Kantonalen Labors immer die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit zum Ziel hätten, nie die Bestrafung der Unternehmer. «Wir ergreifen die mildeste Massnahme, die wir für zielführend halten.»
22 Strafanzeigen wegen schlechten Öls
Einer der naheliegendsten Indikatoren für die Sauberkeit in einer Küche ist die Qualität des Frittieröls. «Das Thema ist ein Dauerbrenner seit 35 Jahren», sagt Brunner. Mache sich in einem Betrieb Nachlässigkeit breit, sei das an schlechtem Frittieröl besonders leicht zu erkennen.
Hitze und Sauerstoff führen dazu, dass im Öl schwer verdauliche und ungesunde Stoffe entstehen, sogenannte polare Anteile. Mit einem einfachen Messgerät können die polaren Anteile gemessen werden. Überschreiten sie einen Schwellenwert, muss das Öl entsorgt werden.
Brunner sagt: «Wenn jemand hier schon versagt und kein entsprechendes Messgerät besitzt, dürfen wir davon ausgehen, dass es kein ausreichendes Selbstkontrollkonzept gibt. In solchen Küchen sind oft auch andere Aspekte nicht in Ordnung.»
Im Jahr 2023 wurden in 1937 Restaurants und Imbissbuden im Kanton Zürich insgesamt 3247 Fritteusen kontrolliert – mit erfreulichem Resultat. Nur in 71 Fällen waren die Proben «nicht akzeptabel». Das ist eine Quote von 2,2 Prozent. Diese habe sich in den letzten Jahren kaum verändert.
Allerdings: In 22 Fällen war die Qualität des Frittieröls 2023 so schlecht, dass die Kontrolleure des Kantonalen Labors Strafanzeige gegen die Betriebe einreichten.
Mehlmotten und dreckiges Putzzeug
Genau wie das Frittieröl untersuchen die Kontrolleure auch Gefrierschränke, Küchengeräte und frische oder vorgekochte Produkte – und da versagte der Winterthurer Geschäftsmann A.: In seinem Laden wurde das Fleisch zum Teil ungenügend gekühlt und ohne die vorgeschriebene Deklaration zum Verkauf angeboten.
In der Bäckerei, die auch zum Betrieb gehört, entdeckten die Inspektoren des Kantonalen Labors ausserdem Gespinste von Mehlmotten und lebenden Insekten, verschmutzte und verschimmelte Kühlgeräte sowie dreckige Reinigungsutensilien.
Es fehlte ein Selbstkontrollkonzept zur Einhaltung der Hygienevorschriften, und das Personal vermochte keine befriedigenden Auskünfte über Inhaltsstoffe und Allergene von Produkten zu geben.
Diese Aufzählung stach im Strafbefehl gegen den Geschäftsführer des Winterthurer Betriebs hervor. Er sollte eine Busse in der Höhe von 6000 Franken und die Verfahrenskosten von 1500 Franken tragen. Bei der Höhe des Bussgeldes hätte die Angelegenheit einen Eintrag in das Strafregister nach sich gezogen.
«Keine Lappalie», sagte der Richter
Weil der Unternehmer Einsprache gegen den Strafbefehl des Statthalteramts erhob, kam der Fall im März vor das Bezirksgericht Winterthur. Der Angeklagte akzeptierte vor dem Richter die meisten Vorwürfe.
Zum Zeitpunkt der unangemeldeten Kontrolle sei er in den Ferien gewesen und habe deshalb nicht selbst nach dem Rechten schauen können, sagte A. «Es kann sein, dass die Sauberkeit zwischendurch etwas vernachlässigt worden ist.»
Der 47 Jahre alte Geschäftsführer gab dem Richter aber zu bedenken, dass er vier Kinder habe und sich mit seiner Familie in der Schweiz einbürgern lassen möchte. Ein Eintrag im Strafregister würde das erschweren oder gar verunmöglichen. Deshalb bat A. den Richter, die Busse auf 5000 Franken zu reduzieren. Bis zu dieser Höhe haben Bussen keinen Eintrag ins Strafregister zur Folge.
Der Richter kam dieser Bitte nach. Er betonte aber auch, dass es sich keinesfalls um einen «Deal» handle. Die Hygienemängel im Betrieb von Herrn A. seien teilweise gravierend gewesen und hätten die Gesundheit der Konsumenten gefährdet. Der Geschäftsführer versprach, dass er weiter an der Verbesserung seines Betriebs arbeite. Und zwar nicht nur hinsichtlich der Hygiene.
Mängel werden meistens behoben
Fallen Gastrobetriebe bei den Hygieneproben durch, erfolgt eine Beanstandung, und der Betrieb wird aufgefordert, Massnahmen zur Verbesserung der Sauberkeit zu treffen. Mit dem Ziel, dass bei neuerlichen Kontrollen alle Proben einwandfrei seien, sagt der Kantonschemiker Martin Brunner. Für ihn hat seine Arbeit durchaus präventiven Charakter: «Wir versuchen die Unternehmen darin zu befähigen, sich selbst zu helfen.»
Es gebe aber auch eine kleine Gruppe von Betrieben, die nie ganz aus den Schwierigkeiten herauskämen – etwa aus baulichen Gründen, wie Brunner erklärt. «Es gibt Küchen, die einfach sehr schwierig zu reinigen sind.» Kritische Resultate bei den Hygienekontrollen sind also nicht zwingend auf Vernachlässigung zurückzuführen – und auch nicht in jedem Fall gefährlich.
Martin Brunner jedenfalls sagt, dass er bedenkenlos überall essen gehen würde: «Ich vertraue darauf, dass wir unseren Job so gut machen, dass jedes Restaurant, das im Kanton Zürich offen bleiben darf, auch ausreichend sauber ist.»
Ob es einem dann schmecke – das sei freilich eine andere Frage.