Der Fall des «aus Versehen» abgeschobenen Salvadorianers Kilmar Ábrego García ist ein grosses Thema in den USA. Die Trump-Regierung tritt die Grundrechte des Salvadorianers mit Füssen und ignoriert die Gerichte. Aber viele Wähler scheint dies kaum zu kümmern.
Demokraten und linke Organisationen versuchen derzeit ihre Unterstützer in ganz Amerika an den Wochenenden gegen die Politik der Trump-Regierung auf die Strassen zu bringen. Jüngst tauchten dabei in den Menschenmengen auch Schilder auf mit Schriftzügen wie «Free Kilmar», «Für ein Recht auf ein faires Gerichtsverfahren» oder «Stoppt Massenausschaffungen und Entführungen».
Die Demonstranten solidarisieren sich mit dem salvadorianischen Migranten Kilmar Ábrego García. Die Regierung von Donald Trump schaffte den 29-jährigen Familienvater ohne ein ordentliches Gerichtsverfahren zusammen mit 238 Venezolanern und 22 anderen Salvadorianern im März nach El Salvador aus, um die mutmasslichen Gangmitglieder dort in ein Hochsicherheitsgefängnis sperren zu lassen. Dabei hatte ein Gericht 2019 eigentlich ein Ausschaffungsverbot für García verhängt. Es existiere eine «gut begründete Angst», dass García in seiner Heimat von Gangs verfolgt würde, hiess es in dem Urteil.
Der harte Kurs ist populär
Garcías Ausschaffung sei ein «administrativer Fehler» und ein «Versehen» gewesen, räumten amerikanische Regierungsbeamte mittlerweile ein. In einem kürzlichen Urteil bezeichnete der Supreme Court die Abschiebung als «illegal». Die Regierung müsse Garcías Freilassung «ermöglichen». Eine Bundesbezirksrichterin verlangte danach von den Behörden, «alle möglichen Schritte zu unternehmen, um García so bald wie möglich in die USA zurückzubringen».
Der amerikanische Präsident denkt jedoch nicht daran, diese richterlichen Anweisungen zu befolgen. García sei ein «ausländischer Terrorist» und eine «sehr gewalttätige Person», erklärte Donald Trump am vergangenen Freitag. «Und sie (die Demokraten) wollen diesen Mann zurück in dieses Land bringen, wo er frei sein kann.»
Trump scheint die Empörung seiner politischen Gegner über Garcías Fall und die mediale Aufmerksamkeit zu begrüssen. Der Grund dafür ist einfach: Bei keinem anderen Thema sind die Zustimmungswerte für den Präsidenten so hoch wie bei der Migration. Je nach Umfrage liegen sie ungefähr bei 50 Prozent. Das ist nicht berauschend, aber wesentlich besser als etwa bei der Wirtschaftspolitik. Nur gerade 40 Prozent der Amerikaner sind zufrieden mit Trumps wirtschaftlichem Leistungsausweis.
Auch der kürzliche Besuch des demokratischen Senators Chris Van Hollen in El Salvador scheint Trump und den Republikanern politisch nicht zu schaden. Auf dem Weg in das Hochsicherheitsgefängnis Cecot wurde der Senator von salvadorianischen Sicherheitskräften zunächst aufgehalten. Danach brachten die Behörden García, mit Jeans und einem farbenfrohen Hemd bekleidet, für ein Treffen in das Hotel des Senators. Wie sich herausstellte, war García wenige Tage zuvor in eine komfortablere Haftanstalt transferiert worden.
Gemäss Van Hollen stellten salvadorianische Funktionäre den beiden mitten im Gespräch zwei Margaritas auf den Tisch. Der salvadorianische Präsident und Trump-Verbündete Nayib Bukele teilte Fotos davon auf X und machte sich lustig über die Sorgen der Demokraten. García sei «auf wundersame Weise vom ‹Todeslager› auferstanden» und schlürfe nun Margaritas «im tropischen Paradies El Salvador», schrieb Bukele.
Bei seiner Rückkehr in Washington wartete Garcías Ehefrau Jennifer Vasquez Sura auf den Senator aus ihrem Gliedstaat Maryland. Vazquez Sura hatte keinen Kontakt mehr mit ihrem Mann seit seiner Ausschaffung. Van Hollen schloss die amerikanische Staatsbürgerin und Mutter dreier Kinder in die Arme und meinte: «Das ist nicht nur der Fall eines Mannes. Es geht um den Schutz der verfassungsmässigen Rechte aller, die in den Vereinigten Staaten leben.»
Ein Aushängeschild mit Fehlern
Doch während Van Hollen juristisch argumentierte, spielte Trumps Pressesprecherin Karoline Leavitt auf der Klaviatur der Emotionen. Es sei «entsetzlich und traurig», dass die Demokraten den Besuch ihres Senators in El Salvador feierten, aber keinerlei Empathie für die eigenen Wähler empfänden, erklärte Leavitt. Im Presseraum des Weissen Hauses stand dabei Patty Morin an ihrer Seite. Deren Tochter Rachel war 2023 von einem Migranten aus El Salvador, der keine Papiere hatte, brutal ermordet worden.
Aber zurück zu Ábrego García: Er ist nicht vorbestraft und machte eine Ausbildung zum Schlosser. Für den Vorwurf der Trump-Regierung, er sei ein Mitglied der kriminellen Gang MS-13, gibt es keine abschliessenden Beweise. Allerdings gelangte García 2012 von Mexiko aus illegal über die Südgrenze in die USA. Im März 2019 wurde er zusammen mit drei anderen Männern auf einem Parkplatz vor einem Haushaltwarengeschäft in Maryland verhaftet. Zumindest einer der Verhafteten hatte eine kriminelle Vergangenheit und soll ein aktives Mitglied der MS-13 gewesen sein. Gemäss dem Polizeibericht stellten die Beamten zwei kleine Plastikflaschen mit Marihuana sicher.
Nach gewalttätigen Zwischenfällen beantragte Vasquez Sura 2021 eine Schutzverfügung gegen ihren Mann. Sie hätten ihre Beziehungsprobleme lösen können, sagt Vasquez Sura heute. Leavitt bezeichnete García deshalb als «scheinbaren Frauenschläger».
Ein Jahr später wurde Ábrego García auf dem Weg von Texas nach Maryland wegen überhöhter Geschwindigkeit von der Verkehrspolizei angehalten. Es befanden sich acht weitere Personen in dem Auto, die allerdings kein Gepäck mit sich führten. Der Beamte vermutete, dass es sich um einen Fall von Menschenschmuggel handeln könnte. Allerdings verfolgte der Polizist diesen Verdacht nicht weiter. Der Zwischenfall hatte für García keine strafrechtlichen Konsequenzen.
Trotzdem sind die Demokraten in der Frage gespalten, ob sich die Unterstützung für den nicht unbescholtenen García politisch lohnt. Diese Woche reisten vier weitere demokratische Kongressabgeordnete nach El Salvador. Die Amerikaner dürften nicht vergessen, dass ihre Regierung die Gesetze breche und den Supreme Court ignoriere, begründete Maxwell Frost seinen Besuch. Aber der kalifornische Gouverneur und mögliche Präsidentschaftsbewerber Gavin Newsom nannte den Fall García «eine Ablenkung». Diese helfe Trump, weil er damit weniger über die unangenehmen Folgen seiner Zollpolitik reden müsse.
Die Republikaner machen sich derweil mit einer «Tourismuswerbung» für El Salvador über die Demokraten lustig. «Willkommen in El Salvador: der Heimat atemraubender Sonnenuntergänge, erstklassiger Surfstrände und des Gangmitglieds Ábrego García», erklärt eine Erzählstimme in dem Video. «El Salvador ist die Destination für Demokraten, die den Thrill suchen, gewalttätige kriminelle illegale Ausländer nach Amerika zurückzubringen.»
Der Fall Ábrego García bringt die Demokraten in eine Zwickmühle. Der Salvadorianer ist nicht die ideale Identifikationsfigur für ihren Kampf gegen Trumps Gesetzesverstösse. García bietet viele Angriffsflächen. Gleichzeitig ist aber eine grosse Mehrheit der Amerikaner auch der Meinung, dass sich ihr Präsident an Gerichtsurteile halten soll. Senator Van Hollen orientiert sich deshalb nicht an Umfragen – und kritisiert Newsom. Die Wähler wollten keine Politiker, die bloss ihren Finger in den Wind streckten, sagte er am Sonntag in einem Interview: «Wer nicht bereit ist, für die Verfassung zu kämpfen, verdient es nicht, (die Partei) zu führen.»