Mit einer grossen Messe auf dem Petersplatz hat der amerikanische Papst sein Pontifikat offiziell angetreten. Wird der Vatikan unter ihm wieder zu einem Kraftzentrum der Weltpolitik?
Einmal mehr wurden die Bewohner Roms durch Helikopterlärm und das Heulen von Polizeisirenen geweckt: Ein riesiges Aufgebot an Ordnungskräften hat am Sonntagvormittag den feierlichen Auftakt zum Pontifikat von Leo XIV. im Vatikan gesichert.
Hunderttausende Gläubige, Pilger, Touristen sowie Regierungsdelegationen aus mehr als 150 Staaten und Vertreter anderer Religionen und Institutionen haben der grossen Messe im und vor dem Petersdom beigewohnt. Nach dem Begräbnis von Franziskus und dem Konklave war es der dritte kirchliche Grossanlass innerhalb weniger Tage. Rom erlebt aufwühlende Zeiten.
Was man zu früheren Zeiten noch als Feier zur «Inthronisation» des Nachfolgers Petri bezeichnete, nennt der Vatikan seit Johannes Paul I. etwas prosaisch eine «Amtseinführung». Den Regisseuren des Heiligen Stuhls gelang gleichwohl eine weitere prachtvolle Inszenierung.
Die Insignien des Papstes
Begleitet von den Kardinälen, die für einmal ganz in Weiss gekleidet waren, schritt der am 8. Mai zum Papst gewählte Robert Francis Prevost zunächst zum Altar im Petersdom und betete vor dem Grab des heiligen Petrus. Danach fand auf dem Petersplatz die eigentliche Messe statt, in deren Verlauf er die päpstlichen Insignien erhielt: das Pallium, eine weisse, mit roten Kreuzen bestickte Stola aus Lammwolle, und den eigens für ihn angefertigten goldenen Fischerring, den er bis zu seinem Tod tragen wird. Als weiteres Zeichen seines Amts dient der gerade Hirtenstab, die sogenannte Ferula.
In seiner Predigt stellte Leo XIV. die göttliche Liebe und den Frieden ins Zentrum. «In unserer Zeit erleben wir noch immer zu viel Zwietracht, zu viele Wunden, die durch Hass, Gewalt, Vorurteile, Angst vor dem anderen und durch ein Wirtschaftsmodell verursacht werden, das die Ressourcen der Erde ausbeutet und die Ärmsten an den Rand drängt», sagte der neue Papst.
In dieser Welt gelte es, auf Christus zu schauen und dessen Wort anzunehmen. «Hört auf sein Angebot der Liebe, damit ihr zu seiner einen Familie werdet: In dem einen Christus sind wir eins», ergänzte er in Anlehnung an seinen Wahlspruch «in illo uno unum», der auf Augustin zurückgeht, den Namensgeber des Ordens, dem Papst Leo XIV. angehört.
Mit «Furcht und Zittern» ins Amt
Er sei «ohne jegliches Verdienst» in sein Amt gewählt worden und komme «mit Furcht und Zittern zu euch», sagte der Papst zu den Teilnehmern der Messe und schuf damit einen auffälligen Kontrast zu manchen allzu machtbewussten Politikern, die an der Seite des Altars sassen und seiner Predigt zuhörten.
Das Eingeständnis passte auch zu seiner Predigt vor dem Kardinalskollegium am Tag nach seiner Wahl. Wer immer sich in den Dienst der Kirche stelle, müsse sich klein machen, um Christus in den Vordergrund zu stellen, sagte er dort. Es gelte zu «verschwinden, damit Christus bleibt».
Trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, geniesst der amerikanische Pontifex zu Beginn seines neuen Pontifikats weltweit eine ausserordentliche Aufmerksamkeit. Allein die Tatsache, dass er aufgrund seines für Päpste noch jungen Alters (er ist 69 Jahre alt) wohl für etliche Jahre ein wichtiger Ansprechpartner bleiben wird, verleiht ihm eine besondere Rolle.
Das ist nur eine von zahlreichen Besonderheiten. Eine andere ist die auffallende Ernsthaftigkeit, mit der sich der Vatikan den Konfliktherden dieser Welt zuwendet. Das Bild des Gesprächs von Donald Trump mit Wolodimir Selenski im Petersdom anlässlich der Beisetzung von Papst Franziskus versinnbildlicht den neuen Anspruch des Vatikans, wieder zu einem Gravitationszentrum der internationalen Diplomatie zu werden.
Noch am Sonntag war ein Treffen Leos XIV. mit Selenski vorgesehen, der zur Amtseinführung aus Kiew angereist war. Und am Montag soll nach unbestätigten Nachrichten ein Treffen mit dem amerikanischen Vizepräsidenten J. D. Vance auf dem Programm stehen. Bereits letzte Woche hatte der Staatssekretär Pietro Parolin den Vatikan als Ort für Gespräche zwischen den Kriegsparteien im Ukraine-Krieg angeboten. In wenigen Tagen hat der Heilige Stuhl also bereits erste Akzente gesetzt.
Dies gilt auch für den Nahostkonflikt, wo Parolin «gute Dienste» angeboten hat. Papst Leo seinerseits hat sich bereits wenige Tage nach seiner Wahl für eine Intensivierung des katholisch-jüdischen Dialogs ausgesprochen und ausserdem eine seiner ersten persönlichen Botschaften an den Oberrabbiner von Rom geschickt. Beide Gesten wurden von jüdischer Seite mit umso grösserer Zufriedenheit registriert, als das gegenseitige Verhältnis unter Papst Franziskus als ziemlich belastet wahrgenommen worden war.
Wie weit allfällige Friedensaktivitäten des Vatikans konkret tragen werden, bleibt abzuwarten. Aber das Bemühen, sich als Akteur stärker einzuschalten und den institutionellen Motor des Vatikans dafür wieder anzuwerfen, ist in den ersten Tagen des neuen Pontifikats deutlich sichtbar geworden.
Ein Amerikaner «verändert alles»
Eine weitere Besonderheit besteht in der Nationalität Leos XIV. Erstmals nimmt mit Prevost ein Nordamerikaner auf dem Stuhl Petri Platz – und dies ausgerechnet zu einer Zeit, da in den USA eine Regierung am Werk ist, die, verkörpert durch J. D. Vance, eine besondere Nähe zu konservativen katholischen Kreisen pflegt. «Ein amerikanischer Papst verändert sehr viel», sagte Massimo Faggioli kürzlich in Rom an einer Veranstaltung für die Auslandspresse. Faggioli ist ein italienischer Kirchenhistoriker, der an der Villanova-Universität in Pennsylvania lehrt, jener Hochschule, wo der neue Papst studiert hatte.
Noch seien diese Veränderungen nicht fassbar, meinte Faggioli. Aber immerhin dürfte Papst Leo XIV. eine Herausforderung für jene Kreise darstellen, die wie Vance den vorkonziliaren Katholizismus als Bollwerk gegen vermeintliche Auswüchse der modernen Welt verstehen: Abtreibung, Euthanasie, LGBTQ-Rechte, neue Formen des Zusammenlebens, Migration, ja sogar offene Handelspolitik. In einigen Fragen steht Leo XIV. den Konservativen wohl nahe, in anderen hat er sich bereits deutlich von ihnen abgegrenzt, etwa in der Migrationsfrage.
Auf jeden Fall dürfte seine Einsetzung als katholischer Oberhirte für einige Spannung in den USA sorgen. Für die derzeitige Regierung dürfte es schwerer werden, den amerikanischen Papst so zu kritisieren wie seinen Vorgänger, den Argentinier Bergoglio.