Ein kleines Porträt von Gillian Müller, Kämpferin wider die fossile Vergangenheit.
Am Tag, als ihr Sieg gegen den Bundesrat durch die Medien geht, arbeitet Gillian Müller im Garten. Sie ist eine pensionierte Englischlehrerin und wohnt in einem Reihenhäuschen in Birr, wo sie fast aus Versehen zur Beschwerdeführerin gegen die Energiepolitik des Bundesrats geworden ist.
«Ich will nicht berühmt werden», sagt Müller ins Telefon, «aber wenn ich von etwas überzeugt bin, dann sage ich meine Meinung.»
«Absoluter Unfug»
Es begann damit, dass der Bundesrat im vergangenen, energieknappen Winter den Bau eines Notkraftwerks im aargauischen Birr anordnete, betrieben von gas- oder dieselbetriebenen Flugzeugturbinen. Nach wenigen Monaten ragte bereits ein dunkelgraues energiepolitisches Mahnmal aus dem Fabrikgelände von General Electric: zwanzig Meter hoch ist um das Kraftwerk die Wand, die das Dorf vor dem Lärm schützen soll.
Gillian Müller schrieb dem Bundesamt für Energie damals, es sei «absoluter Unfug», in unserer Zeit ein neues Kraftwerk für «fossile Brennstoffe» zu bauen. Zudem beklagte sie die «eklatante Missachtung der besorgten Einwohner von Birr». Sie hatte den Bundesrat sofort im Verdacht, er wolle mit dem Kraftwerk möglichst schnell Tatsachen schaffen, für die ihm die Grundlagen fehlten. Sie schickte per Einschreiben eine Einsprache an den Bund, und sie demonstrierte mit den Menschen vom Klimastreik – das sei «ganz gemütlich» gewesen, sagte sie. Eine Massenbewegung gegen das Kraftwerk von Birr entstand aber nie.
Als Gillian Müller auch noch eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht schickte, war sie in Birr allein. Unterstützung kam nur vom Klimastreik, der einen Juristen mit dem Brief an das Gericht betraute. «Wir wollten den Bund davon abhalten, dass er noch weitere solcher Kraftwerke baut», sagt Müller, «die Zukunft ist nicht fossil». Die Beschwerde sollte auch ein Zeichen für eine erneuerbare Zukunft sein.
Auch Gillian Müller hatte in jenem vergangenen Winter darauf geachtet, überall Strom zu sparen, wie sie uns erzählte, als wir sie in ihrer Stube besuchten. Sie habe keinen Tumbler und sie lasse den Geschirrspüler nur noch in der Nacht laufen. Aber sie zweifelte an den düstersten Szenarien des Bundesrats, an der erklärten «schweren Mangellage». «Die Stauseen sind doch gut gefüllt», sagte sie.
Nun gibt ihr das Bundesverwaltungsgericht an diesem Freitag recht: In seiner Stellungnahme schreibt es unter anderem, das zuständige Departement, das Uvek, «vermochte nicht darzulegen, auf der Grundlage welcher Annahmen der Bundesrat (…) eine schwere Mangellage angenommen hatte». Die Betriebsbewilligung für den vergangenen Winter war laut Bundesverwaltungsgericht «nicht gesetzeskonform». Das Urteil ist abschliessend. Aber es hat keine unmittelbaren Konsequenzen. Die alte, betroffene Bewilligung ist abgelaufen, eine neue Bewilligung wäre erst wieder zu erteilen, wenn eine Mangellage bevorstünde.
Das Uvek schreibt, es anerkenne das Gerichtsurteil «als wertvollen Beitrag für die künftige politische Lösungsfindung» – so formuliert es die Kommunikationschefin Franziska Ingold. Im Departement von Bundesrat Albert Rösti ist man aber weiterhin überzeugt, «dass ein rasches und wirksames Vorgehen des Bundesrats (…) notwendig ist», um eine Mangellage an Energie zu verhindern. Die Faktenbasis müsse künftig «anscheinend noch besser vermittelt» werden.
«Nicht alles sauber»
Gillian Müller ist erleichtert über den Entscheid des Bundesverwaltungsgericht. «Ich bin sehr dankbar», sagt sie, «ich ahnte, dass der Bundesrat damals nicht alles sauber geprüft hatte.» Was weiter passiert mit dem Notkraftwerk in Birr, kann sie aber nicht beeinflussen. Ob es zurückzubauen sei, wie der Klimastreik fordert? «Das verdammte Ding ist ja bereits gebaut», sagt Müller und lacht.
Sie wird in ihrem Leben keine oppositionelle Anführerin mehr werden. Aber sie wird weiter beobachten, was ihre Beschwerde noch bewirken mag. Das Notkraftwerk wird bis mindestens ins Jahr 2026 bereitgehalten, aber derzeit ruht es am Rand von Birr.