Die Stadt plant am Zürichseeufer munter weiter – auf Land, das ihr gar nicht gehört.
Der Sprecher der Grünen spricht an diesem Mittwoch im Stadtparlament von grossen Ideen und vielen Bedürfnissen: nach Freiraum und Erholung am linken Zürichseeufer, nach Kultur und Soziokultur. Die Interessen der Badenden, der Roten Fabrik und der Seepfadi zählt Stadtparlamentarier Jürg Rauser auf.
Ein Name fehlt in der Aufzählung: die Kibag.
Erst, als Rauser mit seinem Votum beinahe fertig ist, nennt er dann doch noch einen «Haken». Nämlich, dass das 18 000 Quadratmeter grosse Landstück, auf dem diese vielen Ideen umgesetzt werden sollen, der Stadt gar nicht gehört. Sondern der Kibag.
Ohne deren Einverständnis kann die Stadt am Seeufer nichts realisieren. Das Verhältnis zur Baufirma ist angespannt. «Die Kibag hat die Mitwirkung verweigert», sagt Rauser noch.
Diskutiert wird an diesem Mittwoch darüber, wie das Seeufer aussehen soll. Das Gewerbegebiet zwischen Roter Fabrik und GZ Wollishofen ist dabei zentral. Die Kibag betreibt darauf heute ein Zementwerk. Das Land liegt direkt am Zürichsee an bester Lage. Heute führt dort ein enger Kiesweg an einer versprayten Fabrikmauer entlang.
Die Stadt ging in den nuller Jahren einen Deal mit der Kibag ein: Sie erliess Sonderbauvorschriften, die der Kibag den Bau von Wohnungen erlaubte. Die Stadt hoffte auf gute Steuerzahlerinnen und Steuerzahler – und eine bessere Ufergestaltung.
Dann jedoch drehte der Wind. Vor allem die Rote Fabrik fürchtete Lärmklagen der reichen Zuzüger. An dieser Lage dürfe nicht gewohnt werden. Stattdessen wünsche man sich einen Park.
Das von den linken Parteien dominierte Stadtparlament bestätigte am Mittwoch mit den Stimmen der GLP diesen Kurswechsel und nahm den Masterplan der Stadt für das Gebiet zustimmend zur Kenntnis.
Die Bürgerlichen wehrten sich vergeblich. Claudia Rabelbauer (EVP) kritisierte, dass die Stadt sich nicht die Mühe gemacht habe, einen Weg mit der Kibag zu suchen. Flurin Capaul (FDP) sagte, es handle sich um nichts anderes als eine materielle Enteignung.
Grundlage für den Masterplan war ein Mitwirkungsverfahren mit praktisch allen Nachbarn. Mathias Egloff (SP) lobte, die Stadt habe einen «sorgfältigen Weg gefunden, alle Beteiligten einzubeziehen». Für die Kibag dürfte sich dies wie blanker Hohn anhören. Sie fühlte sich im Prozess nicht ernst genommen.
Dabei ist eigentlich klar, dass man an der Kibag kaum vorbeikommt. Die Stadt kann zwar die Nutzungsplanung ändern. Wenn sie aber das Wohnen verbietet, muss sie die Firma mutmasslich entschädigen. Und auch dann kann sie die Kibag nicht dazu zwingen, das Gewerbegebiet zu einem Park umzuwandeln.
Ein Landverkauf an die Stadt wäre bei Einverständnis der Kibag denkbar. Er dürfte die Stadt nach Schätzung der NZZ aber mindestens hundert Millionen Franken kosten. Dabei hatte die Kibag angesichts des politischen Drucks schon im letzten Sommer ein Kompromissprojekt ohne Luxuswohnungen vorgestellt. Das Lärmproblem wollte man baulich lösen.
Martin Kühn, Finanzverantwortlicher der Kibag, sagt: «Wir haben unsere Idee dargelegt und ein zonenkonformes Projekt vorgestellt, das verschiedenen Bedürfnissen Rechnung trägt und bei dem die Stadt gratis zu einem grossen Park am See käme.» Leider sei dies weder geprüft noch aufgenommen worden. «Wir werden in die Ecke gedrängt», sagt Kühn.
Optionen wie Schadenersatz von der Stadt oder Verkauf diskutiere man firmenintern aber nicht, betont Kühn. «Wir wollen nach wie vor unser Projekt verwirklichen. Es wäre schön, wenn wir dies als Grundeigentümer auch tun dürften.»
Mittlerweile hat die Stadt auf dem Areal eine Planungszone verfügt. Das bedeutet, dass sämtlichen Veränderungen bis auf weiteres ein Riegel geschoben ist. Dagegen hat die Kibag Beschwerde eingelegt, wie Stadtrat André Odermatt (SP) am Mittwoch im Stadtparlament sagte.
Während das Stadtparlament also über Bedürfnisse und grosse Pläne spricht, hat der Rechtsstreit um das Landstück bereits begonnen.