Seit Jahren werden Angehörige der muslimischen Minderheit in Myanmar verfolgt. Nun werden sie von der Armee zwangsrekrutiert – und werden so zur Zielscheibe für jene, die sich als Kämpfer für die Demokratie sehen.
Der Krieg in Myanmar hat grausame Folgen für die muslimische Minderheit der Rohingya. Die Arakan Army, ein militärischer Arm der buddhistischen Ethnie Rakhine, hat in der Nacht auf Samstag den Ort Buthidaung niedergebrannt. Die Stadt liegt im Norden des Gliedstaats Rakhine, der seinerseits im Westen des Landes liegt und an Bangladesh grenzt. Laut Schätzungen hatten dort zwischen 150 000 und 200 000 Rohingya Zuflucht vor den Kämpfen gefunden.
Vertriebene verstecken sich in Reisfeldern, Soldaten jubeln
Die Dorfältesten waren zuvor von der Arakan Army aufgefordert worden, Buthidaung zu verlassen. Diese betonten, bleiben zu müssen, weil sie keinen Zufluchtsort mehr hätten. Bangladesh hat die Grenze geschlossen. Augenzeugen berichten, dass die Rohingya sich vor ihren Häschern in den Reisfeldern versteckten, während die Soldaten der Arakan Army jubelnd durch den Ort zogen. Wie viele Tote und Verletzte es gibt, ist unklar. Die von Satelliten erfassten Brände zeigen, dass fast die gesamte Stadt niedergebrannt worden ist.
Buthidaung is burning. Satellite detected fire hotspots show essentially the entire city is being burnt overnight. Critical this crime against humanity (and a predominantly Rohingya city) is held accountable, whether it is the junta destroying a town before they lose it, or… https://t.co/KS6XzayDOk pic.twitter.com/B2VvxQ0qWG
— Nathan Ruser (@Nrg8000) May 18, 2024
Die Arakan Army ist eine von unzähligen bewaffneten Gruppen, die gegen die Militärjunta kämpfen. In den vergangenen Monaten hat sie im Westen des Landes grosse Erfolge erzielt. Inzwischen kontrolliert sie weite Teile entlang der Grenze zu Bangladesh und geht nun im Norden des Gliedstaats Rakhine gegen die Rohingya vor.
Die Arakan Army will in Rakhine einen eigenen Staat aufbauen, weil sich die buddhistischen Einwohner schon immer von der Zentralregierung in Naypyidaw vernachlässigt gefühlt haben. In diesem neuen Staat soll es offenbar keinen Platz für die muslimischen Rohingya geben, wie das brutale Vorgehen in Buthidaung zeigt.
Die buddhistische Bevölkerungsmehrheit in Myanmar hat die Rohingya allerdings nie akzeptiert, obwohl ihre Vorfahren ab dem 15. Jahrhundert im Königreich Arakan lebten. Dieses befand sich auf dem Gebiet des heutigen Gliedstaats Rakhine. Die Rohingya unterscheiden sich ethnisch, sprachlich und religiös von der Bevölkerungsmehrheit und werden seit Jahrzehnten systematisch diskriminiert. So haben viele keine Staatsbürgerschaft. Stattdessen werden sie als illegale Flüchtlinge beschimpft. In der buddhistischen Mehrheit ist es verbreitet, die Rohingya als «Bengalen» zu bezeichnen.
Schon in den Jahren vor dem Bürgerkrieg, der sich nach dem Putsch im Februar 2021 beschleunigte, wurden sie von der myanmarischen Regierung systematisch vertrieben. Im August 2017 startete die Armee eine Offensive, in deren Zug sie Dörfer der Rohingya anzündete und mindestens 6700 Menschen ermordete. Von der Million Rohingya, die einst in Rakhine lebten, sind mehr als 700 000 nach Bangladesh geflohen. Am Rande des Ferienorts Cox’s Bazar, nahe der Grenze zu Myanmar, entstand so das grösste Flüchtlingslager der Welt.
14-jährige Kinder greifen zu den Waffen
Die Militärjunta, die unter grossen personellen Problemen leidet und auch in Rakhine immer stärker in die Defensive geraten ist, hat in ihrer Not am 10. Februar dieses Jahres angekündigt, das Gesetz zur Wehrpflicht zu revidieren. Im Gliedstaat Rakhine zwingt sie seitdem Tausende junge Rohingya, die Waffen gegen die Arakan Army zu erheben.
Damit verfolgt das Militär eine perfide Strategie: Diese liefert der buddhistischen Bevölkerung in Rakhine einen weiteren Grund, Hass auf die muslimische Minderheit zu verspüren. Ein Sprecher der Arakan Army sagte denn auch kürzlich, der Beitritt der Rohingya zur Militärjunta sei «der schlimmste Verrat an denjenigen, die vor kurzem Opfer eines Völkermordes waren, und an denjenigen, die für die Befreiung von der Diktatur kämpfen».
Damit wird die Auseinandersetzung in Rakhine zu einem Dreifrontenkrieg zwischen der Militärjunta, der Arakan Army und den Rohingya, die ebenfalls einen militärischen Arm haben. Dieser wirbt nun Kämpfer in den Flüchtlingslagern in Bangladesh an.
In recent days, the Arakan Army has expanded its offensive in Myanmar’s northern Rakhine, capturing several key military sites.https://t.co/hxyERl6z9R
— Crisis Group (@CrisisGroup) May 17, 2024
Die Denkfabrik The International Crisis Group mit Sitz in Brüssel schreibt, dass vor allem die Rohingya Solidarity Organisation Bewohnern in den bangalischen Lagern erkläre, es sei an der Zeit, den Norden von Rakhine zu befreien. In den vergangenen Monaten sollen Tausende Kämpfer die Grenze nach Myanmar überquert haben. Darunter sind auch Kinder im Alter von vierzehn Jahren, wie die Crisis Group mit Verweis auf Quellen in den Flüchtlingslagern schreibt.