Das Prompting für KI-Tools wird immer wichtiger. Nur wer weiss, wie man Aufträge für Chatbots formuliert, dürfte am Arbeitsmarkt künftig konkurrenzfähig bleiben.
Eine Zahnbürste, die den bakteriellen Zustand im Mund vor und nach dem Putzen misst und die Daten in Echtzeit an eine App sendet – was futuristisch klingt, hat sich keine Designabteilung ausgedacht, sondern Chat-GPT.
Sie ist ein fiktives Beispiel für eine Produktinnovation aus einer Ende März veröffentlichten Feldstudie der Harvard Business School. Im Mittelpunkt der Untersuchung stand Chat-GPT und wie der verbreitetste KI-Chatbot unsere Arbeitswelt verändert.
In der Studie hatten fast 800 Mitarbeitende des amerikanischen Konsumgüter-Konzerns Procter & Gamble vier Stunden Zeit, um eine neue Produktidee zu entwickeln. In dieser Zeit durfte etwa die Hälfte der Teilnehmer Chat-GPT zu Hilfe nehmen.
Sie entwickelten in Zusammenarbeit mit dem Chatbot überaus kreative Produktideen – das ist wenig überraschend. Bemerkenswert ist aber die Tatsache, dass die Ideen, die Einzelne erarbeiteten, in der Studie besser bewertet wurden als die Ideen ganzer Expertenteams. Was früher mehrere Team-Workshops erforderte, kann heute ein Einzelner mit einem gut strukturierten Dialog mit KI realisieren. KI-Tools ermöglichen Mitarbeitenden, aus ihren Experten-Silos auszubrechen und neue Perspektiven vorgestellt zu bekommen.
Die höflichste Kollegin sitzt im Computer
KI-Chatbots sind laut dieser Studie aber nicht nur kreativer, sondern wirken auch empathischer. Auf emotionaler Ebene schnitt Chat-GPT sogar besser ab als menschliche Arbeitskollegen. Testpersonen empfanden die Arbeit mit dem Tool als «enthusiastischer» und «aufregender» als die Zusammenarbeit im Team.
Die Studien-Co-Autorin Raffaella Sadun führt das im Gespräch mit der NZZ auf den Kommunikationsstil der KI zurück: «Chatbots sind darauf trainiert, freundlich mit ihrem Gegenüber umzugehen.» Wer positives Feedback von der KI erhält, fühlt sich oft besser verstanden als nach anstrengenden Gesprächen mit seinem Team.
Hinzu kommt: Eine KI reagiert nicht genervt, wenn man etwa zum wiederholten Mal fragt, wie sich eine Unterschrift in ein PDF einfügen lässt. Die Hemmschwelle liegt tiefer im Umgang mit einer Maschine.
Das verheisst nicht das Ende der Teamarbeit – aber der Wandel könnte tiefgreifend sein. In Zukunft könnte die Zusammenarbeit mit KI-Tools genauso wichtig werden wie mit menschlichen Arbeitskollegen. Man kann mit ihnen interagieren, Kritik einholen und die Arbeit strukturieren. Wer die neuen KI-Tools beherrscht, wird selbst zu einem kleinen Team. Das Formulieren von Befehlen und Aufträgen in einem KI-Chatbot wird laut den Studienautoren in Zukunft so essenziell sein wie in der Vergangenheit das Zehn-Finger-System. Mit den richtigen Anweisungen ist KI zu weit mehr in der Lage, als nur höfliche E-Mails zu formulieren.
«Prompting» ist eine Schlüsselkompetenz
Gemäss dem Studien-Co-Autor Charles Ayoubi sind drei Fähigkeiten für die Zusammenarbeit mit einem Chatbot entscheidend: gute Fragen stellen bei gleichzeitig kritischer Denkweise, klare Anweisungen geben und gezielt Feedback einholen. Diese Fähigkeiten fallen unter den Begriff des «Prompting»: Das sind die Anweisungen oder Befehle, die einer KI gegeben werden.
Damit die Zusammenarbeit mit einer KI funktioniert, braucht es vor allem eine präzise Aufgabenstellung. Wer einfach sagt: «Mach das für mich», bekommt oft nur allgemeine und wenig hilfreiche Antworten. Wer Chat-GPT einfach fragt, wie eine neue Zahnbürste aussehen könnte, erhält Standard-Ideen, die nicht besonders originell sind.
Gleichzeitig muss die Kompetenz erworben werden, den Output von KI kritisch zu hinterfragen. Nicht selten kommt es vor, dass eine KI eine Antwort selbstbewusst präsentiert – am Ende aber einiges an falschen Informationen darin zu finden sind. Es wird auch vom «Halluzinieren» von Chatbots gesprochen.
Die KI kann auch helfen, Ideen zu evaluieren. Gibt man ihr den Auftrag, Inhalte zu prüfen, liefert sie strukturiertes Feedback und spricht Schwachpunkte an, die man selbst vielleicht nicht ausformulieren konnte. Das macht sie zu einer höflichen und hilfreichen Assistentin. In diesem Dialog entsteht laut der Studie eine neue Form der Zusammenarbeit – direkter, strukturierter und oft effizienter als in klassischen Teams.
Datenschutz als grösstes Hindernis
Es gibt auch kritische Stimmen. Yannick Berner, CEO des Aargauer Industrieunternehmens Urma AG, begegnet dem Einsatz generativer KI bei der Produktentwicklung in seinem Unternehmen mit Skepsis. Wer vertrauliche, produktspezifische Daten mit der KI teile, gehe ein hohes Risiko ein.
Für Berner ist der Datenschutz eines der zentralen Hindernisse beim breiten Einsatz solcher Technologien. Gleichzeitig erkennt er das Potenzial, betriebliche Prozesse effizienter zu gestalten. In seinem eigenen Unternehmen laufen schon seit längerem Projekte zur Erprobung entsprechender Anwendungen. Er selbst bildet sich in diesem Bereich weiter: «Es geht nicht darum, jede neue Entwicklung sofort umzusetzen, sondern die passenden Werkzeuge gezielt einzusetzen», sagt er.