Ab dem Sommer werden in der ganzen Schweiz neu Solarinstallateure ausgebildet. Die NZZ hat einen der angehenden Lernenden getroffen.
In der Schweizer Energiepolitik ist derzeit vieles in der Schwebe. Doch unabhängig davon, ob das Volk am 9. Juni das Stromgesetz annimmt oder nicht, wird die Bedeutung der Sonnenenergie weiterhin zunehmen. Schon in der Vergangenheit war das Wachstum rasant. Alleine im März 2024 wurden laut der Pronovo AG, die die Förderprogramme für erneuerbare Energien des Bundes abwickelt, knapp 200 Anlagen pro Tag zur Förderung angemeldet. Die Tendenz steigt weiter stark an.
Nach dem Motto «Kleckern statt klotzen» sind es nicht die grossen Sonnenkraftwerke, sondern eine Vielzahl von Solarpanels auf den Dächern und an den Fassaden von Privathäusern und Gewerbegebäuden, die für den Boom sorgen. Während der von der Politik gefeierte Solarexpress ins Stocken gerät, entscheiden sich unzählige Hausbesitzer und Unternehmer für die Montage einer kleineren oder mittleren Photovoltaikanlage.
Fachleute und Material fehlen
Dieses Volumen muss bewältigt werden. Eine Studie des Verbands Gebäudehülle Schweiz geht davon aus, dass bis ins Jahr 2025 jährlich durchschnittlich zusätzliche 16 500 Fachleute im Einsatz stehen müssen, um die Energiewende zu schaffen. Mit diesem Personal könnte ein Wachstum der Solarenergie von 9 Prozent pro Jahr bewältigt werden. In dieser Schätzung sind die Fachkräfte, die für die Wartung und Reparatur der PV-Anlagen oder das Modernisieren des Gebäudeparks notwendig sind, noch nicht enthalten.
«Unsere Betriebe haben volle Auftragsbücher, aber es fehlt immer wieder an Material und zunehmend auch an Fachleuten, die die Solaranlagen auch tatsächlich installieren können», sagt Urs Hanselmann, Leiter Technik Solarenergie von Gebäudehülle Schweiz. Der Verband vertritt die Interessen von über 700 Unternehmen aus den Bereichen Fassadenbau, Bedachung und Spenglerei. Ein nicht zu unterschätzender Nachteil ist, dass es bisher keine Berufslehre im Solarbereich gab.
Das ändert sich nun. Im kommenden Sommer beginnen in der Schweiz die ersten Lernenden ihre Ausbildung als Solarinstallateur/-in mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) und als Solarmonteur/-in mit eidgenössischem Berufsattest (EBA). Die Ausbildung zum Fähigkeitszeugnis dauert drei Jahre, die zur Erreichung des Berufsattests zwei Jahre.
Einer der ersten Lernenden ist Nicolas Jordan Jähnert. Der 20-Jährige wird gewissermassen im Schnellverfahren zu einem der ersten Solarinstallateure der Schweiz. Vor kurzem hat er die Lehrabschlussprüfung als Dachdecker bestanden. Lange war er unschlüssig, welche Weiterbildung er in Angriff nehmen sollte. «Schliesslich erwies sich die neue Lehre als ideale Lösung. Der Beruf des Solarinstallateurs hat sehr viel Potenzial, und es wird in den nächsten fünfzig bis sechzig Jahren genügend Arbeit geben», sagt Jähnert im Gespräch mit der NZZ.
«Ich liebe die Arbeit auf dem Dach und möchte auch weiterhin dort tätig sein», sagt der junge Berufsmann. Als Dachdecker hat er während seiner Lehre viele Unterdächer montiert und darauf die Unterkonstruktionen für die Solarmodule erstellt. So entstehen Indachanlagen. Doch die Entwicklung bei den Solaranlagen sei in vollem Gange. Schon länger würden PV-Anlagen in der Fassade montiert, und ständig kämen neue Anwendungen hinzu. «Ich will dazu beitragen, dieses Potenzial auszuschöpfen», sagt Jähnert.
Nicolas Jordan Jähnerts Lehrmeister ist Max Wyder, der in Sins (AG) ein Unternehmen mit rund 50 Mitarbeitenden führt, das sämtliche Arbeiten rund um die Gebäudehülle ausführt. Er freut sich, dass er einen Mann aus dem eigenen Betrieb für die neue Ausbildung gewinnen konnte. «Das ist eine grosse Herausforderung für Nicolas», sagt Wyder.
Jähnert müsse sich in neun Monaten praktisch alles aneignen, was ihm vor allem an elektrotechnischem Wissen noch fehle. So dürfe er nicht erschrecken, wenn bei der falschen Montage eines Kabels ein Lichtbogen entstehe. Damit müsse ein Elektroinstallateur umgehen können. «Wir werden ihn dabei von unserer Seite voll unterstützen. Aber ich spüre, dass er voll motiviert ist, und das ist das Wichtigste», erklärt Wyder.
Die Branche braucht laut Wyder Leute, die sich umfassend mit dieser Technologie auskennen. Mit einer Lehre erhalte man sozusagen «das solare Denken», erklärt er. «Das hört ja nicht bei der Stromproduktion auf. Man muss wissen, wie man den Solarstrom verkauft, wie er gespeichert wird und vieles mehr.»
Männer und Frauen wie Nicolas Jähnert sind ein Glücksfall für die Branche. Ab Sommer 2025 stehen sie ihren Betrieben zur Verfügung. Neben Dachdeckern können auch Abdichter, Fassadenbauer, Spengler, Heizungsinstallateure sowie Zimmerleute die einjährige Zusatzlehre absolvieren. Alle anderen ausgebildeten Facharbeiter können eine zweijährige Zusatzlehre absolvieren.
Nach Angaben des Verbandes Gebäudehülle Schweiz absolvieren rund 25 Prozent der angehenden Lernenden eine verkürzte, einjährige Zusatzlehre. Die übrigen Interessenten sind Quereinsteiger. So hat sich bei Max Wyder beispielsweise ein ausgebildeter Betriebsfachmann gemeldet. «Wenn wir an die Öffentlichkeit gehen und diesen interessanten Beruf vorstellen, werden wir noch mehr Interessenten haben», so ist Wyder überzeugt.
Beim Bildungszentrum sind per Ende April rund 70 Anmeldungen eingegangen. Insgesamt rechnet das Bildungszentrum Polybau mit rund 80 Lernenden. Fast 170 Betriebe, verteilt auf die ganze Schweiz, bieten die neue Berufsausbildung an.
Roger Salm ist überzeugt, dass die Endkunden von den neuen Fachleuten profitieren werden. «Wenn man sieht, was auf manchen Dächern verbaut wird, stehen einem die Haare zu Berge. Das liegt am fehlenden Fachwissen der Leute, die sich damit beschäftigen», sagt der Vizepräsident der Sektion Aargau von Gebäudehülle Schweiz.
Auf flexible Behörden angewiesen
Natürlich werden die neu ausgebildeten Solarfachleute den Personalbedarf nur in Ansätzen decken können. Aber ein Anfang ist gemacht. In rekordverdächtiger Zeit von drei Jahren wurde die neue Lehre aufgegleist. Die Solarbranche, vor allem Mitglieder der Fachorganisationen Electrosuisse, Gebäudehülle Schweiz und Swissolar, hat die Anforderungen unter Koordination des Bildungszentrums Polybau gemeinsam definiert. Es galt, die unterschiedlichen Bedürfnisse der verschiedenen Berufsgruppen unter einen Hut zu bringen. Die schulische Ausbildung findet in drei Ausbildungszentren in Uzwil (SG), Les Paccots (FR) und Grenchen (SO) und an der Technischen Fachschule Bern statt.
Ohne die grosse Unterstützung durch die Politik, insbesondere das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation, wäre das rasche Vorgehen nicht möglich gewesen, sagt Hanselmann. Auch momentan sei man auf die Flexibilität angewiesen. «Ich bin froh, dass die Behörden im Kanton Aargau alles unternehmen, damit wir auch kurzfristig Bewilligungen für neue Lernende erhalten. Die Leute müssen jetzt so schnell wie möglich auf den Markt kommen», betont Wyder.