Der geplante Abriss der Siedlung Seebahnhöfe sorgt im Stadtparlament für eine gehässige Debatte.
Beim Thema Wohnungsbau stimmen die Linken in der Stadt Zürich für gewöhnlich ins selbe Mantra ein: Die Mieten in der Stadt sind zu hoch, es braucht mehr günstigen Wohnraum – und mehr gemeinnützige Wohnungen.
Dieses Mantra haben am letzten Wochenende Tausende von Personen an einer Demonstration durch die Stadt getragen.
Man könnte also meinen, dass SP, Grüne und AL ob des Vorhabens der Allgemeinen Baugenossenschaft Zürich (ABZ) und der Baugenossenschaft des eidgenössischen Personals (BEP) glänzende Augen bekommen: Die Siedlung Seebahnhöfe soll künftig Wohnraum für 1000 statt wie heute für 500 Personen bieten.
Dafür soll die Siedlung im Kreis 4 abgerissen und durch eine Grossüberbauung ersetzt werden. Mit Lärmschutz, flexibleren Nutzungsmöglichkeiten – und 20 Prozent subventionierten Wohnungen für einkommensschwache Haushalte. Vorgesehen sind zudem begrünte Innenhöfe, Atelier- und Gewerberäume, eine Kita und ein Café.
Klingt nach einem Vorzeigeprojekt. Doch es spaltet die Linken, wie sich am Mittwoch zeigte.
Kritik an Verdichtung
Das Stadtparlament hatte über den Gestaltungsplan für die Überbauung zu befinden. Er ist die Grundlage dafür, dass die Genossenschaften überhaupt bauen können.
Für die Verantwortlichen stand viel auf dem Spiel. Seit fast zwei Jahrzehnten beschäftigen sie sich mit der Zukunft der Siedlung, und immer wieder hatten sie Rückschläge zu verkraften – wegen der Lärmschutzvorgaben und dem Heimatschutz.
Längst hätte die Genossenschaft anfangen wollen zu bauen, doch es kam immer wieder zu Verzögerungen. In der Siedlung selbst stellten sich einzelne Bewohner gegen die Abrisspläne und gründeten eine Interessengemeinschaft mit der Forderung, die Seebahnhöfe zu sanieren statt neu zu bauen.
Auf linker Seite sorgt bei manchen Exponenten insbesondere der geplante Abriss der Siedlung für Kritik. Im Stadtparlament sprach sich die SP geschlossen für den Gestaltungsplan aus, bei den Grünen gab es Abweichler, und die AL lehnte den Gestaltungsplan ab.
Beim Neubau handle es sich keineswegs um ein ökologisches Projekt, wie es von der Bauherrschaft angepriesen werde, sagte Patrik Maillard (AL). Die Vernichtung von Bausubstanz sei alles andere als nachhaltig.
Yves Henz (Grüne) sprach in Zusammenhang mit der verdichteten Siedlung von einer «Schneise der Zerstörung». Seine Parteikollegin Brigitte Fürer sah es anders. Zwar sei die Vernichtung von grauer Energie nicht im Sinn der Grünen. «Aber wir brauchen dringend mehr bezahlbaren Wohnraum.»
Odermatt: Sanieren würde teurer als neu bauen
Bei den Bürgerlichen war das Unverständnis über die linken Abweichler gross. «Warum seid ihr gegen Wohnungen?», rief Roger Suter (FDP) in Richtung andere Ratsseite. Die jetzige Siedlung weise deutliche Defizite auf, ein Neubau sei deshalb sinnvoll.
Reto Brüesch (SVP) nahm den Widerstand gegen den Gestaltungsplan befremdet zur Kenntnis: «Jetzt seid ihr auch noch gegen günstigen Wohnraum.» Die Überbauung nach so langer Planungszeit jetzt noch zu stoppen, ergebe keinen Sinn.
Das sah auch die GLP so. «Selbstverständlich» sollten in Zürich wo möglich bestehende Bauten weiterentwickelt werden, sagte Maleica Landolt. Doch das vorliegende Projekt überzeuge auf der ganzen Linie – wegen der Barrierefreiheit, hohen ökologischen Standards und dem Lärmschutz, der optimal eingehalten werde.
Stadtrat André Odermatt (SP) gab zu bedenken, dass eine Sanierung der Siedlung mit grossen Eingriffen in die Bausubstanz verbunden wäre – «sehr ähnlich wie bei einem Neubau. Sie stellen sich das einfach vor: Man saniert, und dann ist alles preisgünstig.»
Dem sei aber nicht so, und im Falle der Seebahnhöfe würden die Wohnungen bei einer Sanierung am Ende teurer als bei einem Neubau.
Der Nutzen der geplanten Überbauung sei «enorm», sagte Odermatt, weil sie deutlich mehr gemeinnützigen Wohnraum in der Stadt schaffe und zum Drittelsziel beitrage – dass also bis 2050 ein Drittel aller Mietwohnungen in der Stadt Zürich gemeinnützig sein soll.
Schliesslich genehmigte doch eine klare Mehrheit den Gestaltungsplan. Als nächstes werden die beiden beteiligten Genossenschaften Baugesuche für ihre Projekte einreichen. Auf deren Grundlage entscheidet der Stadtrat über die Baubewilligung.
Die Pläne für die Überbauung sind also einen grossen Schritt weitergekommen. Aber bis zum Baubeginn dürfte es noch einige Zeit dauern.