Die höchsten Richter des Landes erklären in einem Grundsatzurteil, im britischen Gesetz sei das biologische Geschlecht massgebend. Der Labour-Regierung von Keir Starmer dürfte das Urteil gelegen kommen.
In Grossbritannien greift das Oberste Gericht entscheidend in den Kulturkampf um die Rechte von Frauen und Trans-Personen ein: In einem mit Spannung erwarteten Grundsatzurteil befanden die höchsten Richter am Mittwoch, dass gemäss dem britischen Gleichstellungsgesetz nur biologische Frauen als Frauen gelten. Im Umkehrschluss gilt daher, dass Trans-Frauen rechtlich gesehen keine Frauen sind, selbst wenn sie ihren Geschlechtswechsel mit einem offiziellen Gender-Zertifikat belegen können.
Frauengruppen und Gender-kritische Feministinnen, die sich vor dem Supreme Court versammelt hatten, triumphierten und fielen sich nach Bekanntgabe des Urteils in die Arme. Der Vizepräsident des Gerichts, Lord Patrick Hodge, betonte aber, das Verdikt solle nicht als Sieg der einen Gesellschaftsgruppe über eine andere interpretiert werden.
Streit um Frauenquote als Ursprung
Der vorsitzende Richter bezeichnete Trans-Personen als «verletzliche und oft Schikanen ausgesetzte Minderheit». Sie seien gemäss geltendem britischem Recht explizit vor Diskriminierung und vor Trans-feindlichen Belästigungen geschützt, auch wenn Trans-Frauen rechtlich gesehen nicht als Frauen gelten könnten.
Mit dem Urteil nimmt ein siebenjähriger Rechtsstreit zwischen der schottischen Regionalregierung und der Gender-kritischen Gruppierung «For Women Scotland» ein Ende. Am Anfang stand eine Frauenquote für Verwaltungsräte in öffentlichrechtlichen Institutionen: Die von der damaligen Regionalpräsidentin Nicola Sturgeon von der Scottish National Party (SNP) geführte Regierung stellte sich auf den Standpunkt, dass auch Trans-Frauen Verwaltungsratssitze besetzen könnten, die für Frauen reserviert waren.
Mehrere schottische Gerichte stützten Sturgeons Argumentation. Sie beriefen sich auf das britische Gesetz über die Anerkennung von Geschlechtswechseln. Dieses besagt, dass Trans-Frauen als Frauen gelten, wenn sie über ein Gender-Zertifikat verfügen. Das Oberste Gericht hingegen gab nun der Klage von «For Women Scotland» statt und kam zu dem Schluss, dass das britische Gleichstellungsgesetz überwiegt: Dieses definiere Geschlecht als binäres Konzept, wonach eine Person entweder eine Frau oder ein Mann sei, erklärte Lord Hodge bei der Urteilsverkündung.
Seinen einstimmigen Entscheid begründet das Gericht einerseits mit dem bestehenden Diskriminierungsschutz für Trans-Personen. Andererseits argumentieren die Richter, es gelte zu verhindern, dass der Begriff «Frau» im Gesetz je nach Kontext eine andere Bedeutung bekomme.
So drohe er manchmal nur auf biologische Frauen Anwendung zu finden, die schwanger werden könnten. Manchmal könnte er auch Trans-Personen mit Gender-Zertifikat umfassen, was wiederum zu einer Ungleichbehandlung mit Trans-Personen ohne solches Zertifikat führen würde. Anstatt Unklarheiten zu schaffen, müsse das Gesetz eindeutig und kohärent ausgelegt werden können, was laut dem höchsten Gericht nur mit der biologischen Definition von Geschlecht möglich ist.
Das Urteil, das sich über Schottland hinaus auf ganz Grossbritannien bezieht, dürfte weitreichende Folgen haben. So gibt es Spitälern, Gefängnissen, Frauenhäusern, Sportvereinen oder Lesbenorganisationen eine Grundlage, um spezielle Angebote oder Räume für Frauen zu schaffen und Trans-Personen von diesen auszuschliessen.
Manche Trans-Aktivisten zeigten sich alarmiert und erklärten, Trans-Personen drohten aus dem öffentlichen Leben gedrängt zu werden. Andere erklärten, die genauen Auswirkungen des Urteils auf den Alltag seien noch unklar. Tatsächlich ist beispielsweise fraglich, ob ein als Frau geborener, aber maskulin erscheinender Trans-Mann nun tatsächlich konsequent für Frauen reservierte Toiletten aufsuchen soll und ob dies von den Frauen goutiert würde.
Labour-Regierung begrüsst Urteil
Die britische Labour-Regierung begrüsste das Urteil als willkommene Klärung für Institutionen, die geschlechterspezifische Dienste anböten. Auch politisch dürfte Premierminister Keir Starmer nicht unglücklich sein über das Urteil. Im Vorfeld gab es in Labour-Kreisen die Befürchtung, das Oberste Gericht könnte den Ball an die Politik zurückspielen und das Parlament auffordern, den Begriff der Frau im Gesetz abschliessend zu definieren.
Denkbar ist, dass die Regierung nun Weisungen ausarbeiten muss, um die detaillierten Auswirkungen des Urteils im Alltag zu klären. Doch hofft Starmer, dass ihm der klare Entscheid des Supreme Court eine heikle Grundsatzdebatte erspart. Eine solche würde die Regierung den Angriffen der kulturkämpferisch versierten Tory-Chefin Kemi Badenoch aussetzen und die Labour-Basis vor eine Zerreissprobe stellen.