Eine junge Frau aus Ingolstadt in Bayern soll eine Doppelgängerin gesucht und umgebracht haben, um ein neues Leben anzufangen. Nun hat der Prozess im bizarren Mordfall begonnen.
Am 16. August 2022 macht sich ein Elternpaar auf den Weg von München nach Ingolstadt, um nach seiner Tochter zu suchen. Die Tochter, Schahraban K., ist damals 23 Jahre alt und wohnt nach einem Streit mit ihrem Mann wieder bei den Eltern in München. Doch sie wollte noch einmal zurück in die alte Wohnung in Ingolstadt, um Post abzuholen. In einem schwarzen Mercedes-Coupé machte sie sich auf den Weg. Da sie nicht zurückkommt, sorgen sich die Eltern um sie.
In der Nähe der alten Wohnung entdecken sie kurz vor Mitternacht dann den schwarzen Wagen mit den abgedunkelten Scheiben. Auf der Rückbank liegt eine blutüberströmte Leiche mit Messerstichen im Brustbereich, im Rücken, im Hals sowie im Gesicht – 56 Einstiche insgesamt. Die Eltern denken, ihre Tochter sei tot, und rufen die Polizei.
Doch als die Gerichtsmediziner später die Leiche obduzieren, wird klar: Die tote Frau ist nicht Schahraban K. Diese lebt und steht seit dieser Woche vor Gericht. Sie soll die Frau, die ihre Eltern auf der Rückbank ihres Autos gefunden haben, ermordet haben.
Heirat nach jesidischer Tradition
Die Familie von Schahraban K. stammt aus dem Nordirak und gehört der jesidischen Glaubensgemeinschaft an. Laut den strengen Regeln der Jesiden werden Ehen auf Lebenszeit geschlossen. Eine Trennung ist nur in ganz seltenen Fällen möglich. Auch Schahraban K. ist verheiratet. Doch die Verbindung hält nicht, und ihr Mann wirft sie aus der gemeinsamen Wohnung. Als auch ein Treffen der Familien keine Lösung bringt, sucht die junge Frau offenbar einen anderen Ausweg und beginnt, ihren eigenen Tod zu inszenieren. So sieht es die Staatsanwaltschaft, die gegen Schahraban K. wegen Mordes Anklage erhoben hat.
Gemeinsam mit einem ebenfalls angeklagten Bekannten soll Schahraban K. in den sozialen Netzwerken nach einer Frau gesucht haben, die ihr ähnlich sieht. Auf Instagram stiess sie laut den Ermittlungen auf die algerische Kosmetikerin Khadidja O. aus Eppingen bei Heilbronn in Baden-Württemberg. Diese war wie Schahraban K. damals 23 Jahre alt und hatte ebenfalls lange, dunkle Haare und eine ähnliche Hautfarbe.
Über einen Fake-Account soll Schahraban K. ihr späteres Opfer angeschrieben und ihr vorgegaukelt haben, dass sie in einem Musikvideo der bekannten Rapperin Lune mitspielen könne. Doch Khadidja O. reagierte misstrauisch und schrieb die Rapperin direkt an. Diese antwortete, dass sie nichts von einem solchen Video wisse. Daraufhin brach Khadidja O. den Kontakt ab.
Auf Instagram in die Falle gelockt
In einem zweiten Anlauf gelang es Schahraban K. laut der Anklage dann doch noch, das Opfer in die Falle zu locken. Über einen weiteren Fake-Account habe sie Khadidja O. eine kostenlose Laserbehandlung in ihrem Kosmetikstudio angeboten. Im Gegenzug soll sie dafür auf ihrem Instagram-Kanal Werbung machen. Khadidja O. willigte ein.
Am Abend des 16. August 2022 hätten Schahraban K. und der mitangeklagte Bekannte Khadidja O. in Eppingen abgeholt. Mit dem schwarzen Mercedes seien sie losgefahren, hätten aber schon wenig später in einem Waldstück angehalten. Unter einem Vorwand sei Khadidja O. dazu bewogen worden, auszusteigen. Dabei habe der Mann das Opfer mit einem Schlagring von hinten niedergeschlagen und dann auf die Frau eingestochen.
Die Leiche sollen die beiden Angeklagten auf die Rückbank des Mercedes geladen haben und damit nach Ingolstadt gefahren sein. Dort hätten sie den Wagen in der Nähe der Wohnung von Schahraban K. abgestellt. Noch in derselben Nacht entdeckten die Eltern dann das Auto.
Der mutmassliche Plan von Schahraban K. schien zunächst aufzugehen. Einen Tag lang glaubten die Eltern, ihre Tochter sei tot. Erst eine DNA-Probe deckte auf, dass es sich um eine andere Person handelt. Schahraban K. und ihr Bekannter wurden kurz darauf verhaftet. Bis heute sitzen sie in Untersuchungshaft.
Weitere Anklagen wegen Anstiftung zum Mord
Neben dem angeblichen Mord an der Doppelgängerin wirft die Anklage Schahraban K. zudem vor, einen weiteren Mord in Auftrag gegeben zu haben. Sie engagierte einen Mann, der für 10 000 Euro ihren Schwager umbringen sollte. Dieser hatte sich bei der familiären Aussprache gegen eine Auflösung der Ehe gestellt. Der Mann habe 5000 Euro als Vorschuss angenommen, die Tat jedoch nie ausgeführt.
Auch der Bekannte von Schahraban K. muss sich zusätzlich wegen Anstiftung zum Mord verantworten. Er soll während der Untersuchungshaft versucht haben, einen Mithäftling zu überreden, nach dessen Entlassung Zeugen, die ihn belasten könnten, zu töten.
Für den Prozess wurden 190 Zeugen vernommen. 28 Verhandlungstage hat die zuständige Kammer des Landgerichts Ingolstadt angesetzt. Ein Urteil wird frühestens im Mai erwartet. Ob der Zeitplan eingehalten werden kann, ist jedoch unklar. Am ersten Prozesstag hat die Verteidigung einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens eingereicht. Da die Staatsanwaltschaft in den vergangenen Wochen weitere Ermittlungsakten vorgelegt habe, würden sie zusätzliche Zeit benötigen, um das Beweismaterial zu sichten. Die Staatsanwaltschaft argumentierte gegen den Antrag.
Das Gericht will bis zum nächsten Verhandlungstag am Montag entscheiden, ob das Verfahren ausgesetzt wird. Bis dahin pausiert der Prozess. Wird der Antrag angenommen, wird er für mehrere Wochen unterbrochen und beginnt dann von neuem. Wird das Verfahren fortgeführt, könnten sich bald auch Schahraban K. und ihr Bekannter äussern und ihre Version der Vorgänge schildern.