Ein Deal seines früheren Kompagnons «El Chapo» mit der US-Justiz könnte hinter der überraschenden Festnahme des Drogenbarons Ismael Mario Zambada García stehen.
Am Donnerstag ist der amerikanischen Justiz ein besonders grosser Fang geglückt. Der mexikanische Drogenbaron Ismael Mario Zambada García alias «El Mayo» landete in einem Kleinflugzeug auf einem Privatflughafen der texanischen Stadt El Paso an der Grenze zu Mexiko. Dort wurde er verhaftet. Er gilt als der legendäre Gründer und die graue Eminenz von Mexikos mächtigster Drogenbande, dem Sinaloa-Kartell.
Die amerikanischen Behörden hatten auf «El Mayo» ein Kopfgeld von 15 Millionen Dollar ausgesetzt. Noch ist unklar, wieso der Drogenboss nach einem jahrzehntelangen Versteckspiel der Justiz ins Netz ging. Womöglich sei er vom Clan seines seit 2017 in US-Haft einsitzenden ehemaligen Kompagnons Joaquín «El Chapo» Guzmán hereingelegt und unter einem Vorwand an Bord der Machine gelockt worden, spekulieren Medien. So könnte die amerikanische Justiz einen Deal mit «El Chapo» abgeschlossen haben. Auch «El Chapos» Sohn Ovidio Guzmán López sitzt seit September in den USA in Haft.
Mit «El Mayo» zusammen im Flugzeug sass auch ein weiterer «El Chapo»-Spross: Joaquín Guzmán López. Er und seine drei Brüder, «Chapitos» (kleine «Chapos») genannt, hatten den Platz des 2016 verhafteten Vaters an der Spitze des Sinaloa-Kartells eingenommen. Dieses handelt mit Heroin, Marihuana, Methamphetamin und Kokain aus Kolumbien und ist auch für die Produktion des tödlichen synthetischen Opioids Fentanyl verantwortlich, das seit einigen Jahren den Markt in den USA flutet. Alleine im Jahr 2022 sollen rund 100 000 Amerikaner an einer Überdosis an Fentanyl gestorben sein.
Gründer des Sinaloa-Kartells
Der 76-jährige «El Mayo» gilt als einer der letzten Drogenhändler alter Schule. Anders als die junge Generation, die für ihre offen zur Schau gestellte Gewaltbereitschaft sowie ihr Luxusleben bekannt ist, blieb «El Mayo» stets im Schatten. Nur eine Handvoll Fotos gibt es angeblich von ihm, wobei auch das nicht klar ist. Es heisst, «El Mayo» habe sein Aussehen durch Operationen verändert.
Das Geschäft gehe ihm stets vor Gewalt, sagen Experten. Diese überliess er anderen. Er agiere im Hintergrund, spinne dort seine mit Korruption geschmierten Netzwerke, in denen neben Polizei- und Militärchefs angeblich auch hochrangige Politiker verstrickt waren. Es spricht für sein geschicktes Vorgehen und seinen Einfluss, dass er bis Donnerstag keinen einzigen Tag seines Lebens in einem Gefängnis verbracht hatte.
So sollen gleich mehrere ehemalige mexikanische Präsidenten auf seiner Gehaltsliste gestanden haben, erklärten die Anwälte von «El Chapo» gegenüber der amerikanischen Justiz. Die erwähnten Politiker bestritten stets eine Beteiligung an den Machenschaften des Sinaloa-Kartells, das sich über die Jahre zu einem Unternehmen mit Milliardenumsätzen entwickelte. Neben dem Hauptabsatzmarkt USA soll es Drogen in Dutzende weitere Länder liefern.
Vom Bauernsohn zum transnationalen Unternehmer
Kein schlechter Aufstieg für Bauernsohn «El Mayo», der in jungen Jahren als Kleinkrimineller in den Handel mit Marihuana einstieg. Später arbeitete er für das in den siebziger Jahren gegründete Guadalajara-Kartell, das grosse Mengen an Kokain aus Kolumbien in die USA schmuggelte. Ende der achtziger Jahre gründete er zusammen mit «El Chapo» und Juan José Esparragoza Moreno das Sinaloa-Kartell, benannt nach ihrer Heimat, dem nordmexikanischen Teilstaat Sinaloa. Bei den brutalen Machtkämpfen mit anderen Banden wie dem Tijuana-Kartell galt der Waffennarr «El Chapo» als der Mann fürs Grobe, während «El Mayo» für die Logistik zuständig war.
Así luce Ismael el Mayo Zambada tras su detención en Estados Unidos. pic.twitter.com/tAEfceKGoH
— Libro Negro (@Libro_negro_) July 26, 2024
Nur einmal wagte sich «El Mayo» aus dem Schatten. Es war das Jahr 2010, und Mexiko stand mitten in dem 2006 von Präsident Felipe Calderón erklärten Krieg gegen die Drogen. Dieser hatte damals schon Zehntausenden von Mexikanern das Leben gekostet. Überraschend erhielt der Gründer der Zeitschrift «Proceso», Julio Scherer García, damals das Angebot, mit «El Mayo» ein Interview zu führen. Dafür wurde der Journalist zwei Tage lang von einem Ort zum nächsten gefahren, bis er schliesslich «El Mayo» gegenüberstand.
Dieser habe einen Körper wie eine Festung, schrieb Scherer García danach. Der Drogenkönig erklärte ihm, eine Ehefrau, fünf weitere Frauen, fünf Kinder, fünfzehn Enkel und einen Urenkel zu haben. Mehrmals sei er nur knapp der Verhaftung durch das Militär entkommen. Er ziehe in den Bergen stets von einem Versteck zum nächsten. Würde er sich öffentlich zeigen, so wie es «El Chapo» getan habe, hätte man ihn längst erwischt. Sein Kompagnon war mehrmals verhaftet worden, konnte aber 2001 und 2015 spektakulär aus mexikanischen Hochsicherheitsgefängnissen fliehen, bevor er 2017 an die USA ausgeliefert wurde.
Ein Leben in ständiger Panik
Er lebe in ständiger Panik, erzählte «El Mayo» zudem im Interview und betonte: «Sie können mich jederzeit schnappen . . . oder nie.» Er glaube, dass das mexikanische Militär ihn im Falle seiner Ergreifung töten werde. Allerdings werde sich an dem Drogenproblem in Mexiko auch durch seinen Tod nichts ändern, prophezeite er. «Die Regierung ist von oben bis unten infiltriert, und längst hat die Zeit im Herzen des Systems ihr Werk vollbracht und die Korruption im Land Wurzeln geschlagen.»
Während «El Mayo» all die Jahre einer Verhaftung entging, wurden immer mehr seiner Vertrauenspersonen geschnappt: zwei seiner Söhne, sein Bruder und ein Neffe wurden von Mexiko an die USA ausgeliefert, ein weiterer Sohn in den USA verhaftet. Einer seiner Söhne und sein Bruder sagten im Prozess der amerikanischen Justiz gegen «El Chapo» aus. 2017 überlebten «El Mayo» und zwei «Chapitos» einen Mordanschlag, der offenbar von Rivalen innerhalb des Sinaloa-Kartells geplant worden war.
In letzter Zeit soll «El Mayos» Gesundheit durch Diabetes stark angeschlagen gewesen sein. Zudem verliert sein Kartell Macht an das aufstrebende Kartell Jalisco Nueva Generación. Sollte «El Mayo» tatsächlich so mächtig und einflussreich gewesen sein wie behauptet, dürften in Mexiko derzeit viele Politiker und Geschäftsleute vor dem zittern, was «El Mayo» der amerikanischen Justiz nun so alles zu berichten hat.







