Versteht man die Welt eines Menschen erst dann wirklich, wenn man weiss, wer sie ihm als Allererstes erklärt hat? Davon zumindest geht eine neue Dokumentation des ZDF aus – und besucht Elon Musks Vater Errol in Südafrika.
Der kleine Junge mit blonden Locken schaut vertrauensvoll in die Kamera. Das Bild ist verblichen, die Hand, die es hält, alt. «Hier, Elon auf dem Töpfchen», sagt Errol Musk und hält die Fotografie seines ältesten und bekanntesten Kindes in die Kamera.
Versteht man die Welt eines Menschen erst dann wirklich, wenn man weiss, wer sie ihm als Allererstes erklärt hat? Davon zumindest geht eine Dokumentation des ZDF aus – und besucht Elon Musks Vater Errol in Südafrika.
«Wir haben Folter erlebt»
Nach der Scheidung seiner Eltern lebten Elon und Kimbal Musk grösstenteils beim Vater. Nach seiner Kindheit gefragt, antwortete Elon Musk vor einigen Jahren ohne Zögern: Sie sei schrecklich gewesen. Und nach einer Pause, sehr einsilbig: «Viel Gewalt.» Musks jüngerer Bruder Kimbal fand in einem anderen Interview mehr Worte: «Wir haben in Folter gelebt. Psychische, emotionale Folter.» Es habe vom Vater genauso Liebe gegeben wie Wahnsinn, «du wusstest nie, was dich erwartet.»
Der Vater nimmt die schweren Anschuldigungen leicht. «Wenn dich deine Kinder nie gehasst haben, warst du auch kein richtiger Vater», sagt er in die ZDF-Kamera. Bereits im Mai 2023 haben zwei ZDF-Reporter Musk Senior in seiner mit Schranken und Elektrozäunen gesicherten Villa in Südafrika besucht. Nun haben sie die Aufnahmen mit Versatzstücken aus älteren Interviews mit Elon und Kimbal Musk und weiteren Kommentatoren – zu denen unter anderen Deutschlands ehemaliger Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und der einstige Kanzlerkandidat Armin Laschet gehören – kombiniert.
Entstanden ist eine Dokumentation von Musks Werdegang. Es ist das Bild eines verletzlichen Kindes, für das Aufwachsen gleichbedeutend war mit Hartwerden und dem Zuneigung primär als Belohnung für Erfolge gewährt wurde.
«Wie kleine Soldaten»
«Die Jungs sind mit mir aufgewachsen. Ich habe ihnen gesagt, ‹macht dies, macht jenes›, und sie waren sehr gehorsam, wie kleine Soldaten. Sie haben alles gemacht, was ich ihnen gesagt habe», erzählt Musk Senior genussvoll. Dann erinnert er sich daran, wie der Sohn bis zwölf nicht allein einschlafen konnte, sondern immer bei ihm im Bett liegen wollte. Für den Vater wohl ein Beweis der Nähe, die zum nun so erfolgreichen Sohn bestand.
Vielleicht war die Angst, nachts allein zu sein, auch ein Symptom des heftigen Mobbings, das Elon Musk in der Schule erlebt hatte. In einer hineingeschnittenen, älteren Sequenz erzählt Kimbal Musk, wie Mitschüler seinen grossen Bruder in der Schule spitalreif schlugen. Der wiederum sagt in einem Interview: «Ich wurde fast umgebracht.» Dennoch sei die grösste Angst der drei ältesten Musk Kinder nicht die Gewalt in der Schule gewesen, sondern jene, den Erwartungen des Vaters nicht zu entsprechen.
Mit 17 die Flucht
Und der Vater? Winkt ab. «Völlig überbewerteter Schwachsinn. Boys will be boys.» Sein Sohn erzähle die Mobbing-Geschichte bloss, weil er damit der amerikanischen Öffentlichkeit gefalle. Aber er habe selbstverständlich dafür gesorgt, dass seine Söhne harte Kerle wurden. «Ich habe kein Mitgefühl für Verlierer. Ich mag keine Leute, die sich nicht aufraffen können. Empathie ist etwas, mit dem wir zu kämpfen haben.»
Mit 17 Jahren verliess Elon Musk gemeinsam mit dem jüngeren Bruder Südafrika Richtung Amerika. Zurück blieben die Vergangenheit und der Vater. Zum endgültigen Bruch, so erzählte es Elon Musk später seinem Biografen, sei es allerdings erst gekommen, als der Vater 2017 seine 42 Jahre jüngere Stieftochter geschwängert habe.
Diese Geschichte kommt in der ZDF-Dokumentation allerdings nicht vor. Die schneidet stattdessen Musk beruflichen Werdegang wie ein animiertes Curriculum Vitae zusammen. Die bereits hinlänglich bekannten Stationen von Musks Karriere – Paypal, Tesla, Starlink, Politik – werden von Experten oder zumindest öffentlich bekannten Menschen kommentiert.
Laschet und Guttenberg
«Er begreift Donald Trump als eine potenzielle Abrissbirne bestehender Strukturen in den USA», sagt Deutschlands ehemaliger Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Musk wolle vor einem Scherbenhaufen stehen – als mächtigster Wiederaufbauer. «Dafür ist Donald Trump ein nützlicher Idiot.»
Der deutsche Milliardär Carsten Maschmeyer sagt über Musk: «Die Frontscheibe ist grösser als der Rückspiegel.» Und der ehemalige Kanzlerkandidat Armin Laschet, der Musk an der Eröffnung der Tesla Giga-Factory in Brandenburg traf, erinnert sich: «Er rauscht da hinein. Er ist natürlich von einer starken Ausstrahlungskraft, dessen ist er sich natürlich auch bewusst. Und wenn es vor die Kamera geht, dann ist er unkontrollierbar.» Es hat Laschet sichtlich geärgert, dass sich Musk damals vor laufender Kamera über die deutsche Bürokratie lustig gemacht hatte.
Doch bevor jemand einen Wesenszug von Musk freizulegen vermag, springt die Dokumentation schon wieder weiter. Harte Schnitte, hohes Tempo – es ist nicht unpassend bei diesem Leben in Superlativen. Und genau da, so schliesst sich der Kreis, finden sich dann auch die grössten Ähnlichkeiten zwischen Vater und Sohn.
Superlativen und Babymaschinen
Geliebt werden, gefeiert werden – das ist nebst Macht und Milliarden die Währung, nach der Elon Musk zu streben scheint. Vielleicht, weil seine Kindheit voll war mit Geld und einem übermächtigen Vater, aber die Liebe fehlte. Dieses Bild zumindest zeichnet die Dokumentation. Um einen Elon Musk zu erklären, reicht das nicht. Hingegen ist der Vergleich mit dem Vater gerade da, wo die Filmemacher ihn nicht machen, am offensichtlichsten.
Da ist etwa Errol Musks Lust am Vaterwerden. Nicht an der Vaterschaft an sich, aber daran, Kinder zu haben. Er hätte gerne weitere. Das Problem sei bloss: «You need a female.» Grinsen, dann ein Stichwort: «Babymachines.» Frauen sind in der Welt von Errol Musk nicht ganz so viel wert wie Männer.
Wovon der Vater träumt, das hat der Sohn längst umgesetzt: Elon Musk ist der Vater von mindestens vierzehn Kindern, mehrere von ihnen sind mittels In-vitro-Fertilisation (IVF) zur Welt gekommen, ohne dass Musk je eine sexuelle oder gar romantische Beziehung mit ihren Müttern gehabt hätte.
Auch in den Superlativen ähneln sich Vater und Sohn. Während Musk sagt, dass er die Welt «revolutionieren» und die Gesellschaft «transformieren» will, erzählt der Vater in der Dokumentation über den Sohn, der heute kaum noch mit ihm spricht: «Wir waren uns sehr nah. Am nächsten. Näher geht nicht.»
Und schliesslich entlässt der Elon-Musk-Kenner Errol das Filmteam mit einer Einschätzung: «Elon ist gefährlich für Menschen, die faul und nutzlos sind. Das sind keine guten Menschen. Wir sind da sehr germanisch.» In Erinnerung an den mutmasslichen Hitlergruss des Sohnes fällt auf, dass der Vater «germanisch» mehrmals wiederholt. Noch eine Ähnlichkeit?