Am Schluss bleibt ein Kommunikationsproblem bei der Armee. Und die Frage: Ist jetzt alles wieder gut?
Nein, es gäbe kein Finanzloch, ebenso wenig ein Milliardenloch. Und, nein, es gäbe auch keinen Liquiditätsengpass, sagte Sarah Wyss im Bundeshaus. Die SP-Nationalrätin aus Basel war an diesem Freitag wichtiger als die US-Vizepräsidentin Kamala Harris oder die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock. Wichtiger als der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski oder UN-Generalsekretär Antonio Guterres.
Zumindest aus Sicht von Bundespräsidentin Viola Amherd war die von Wyss präsidierte Finanzkommission des Nationalrats an diesem Freitag wichtiger als die Sicherheitskonferenz, die gleichentags in München gestartet war. Amherd sagte bei der Letzteren ab, um die Sitzung der Ersteren nicht zu verpassen. Und für die Mitte-Bundesrätin ging die Priorisierung auf.
Amherd soll Fehler eingeräumt haben
Ganz offensichtlich konnte Amherd die Kommission und Wyss überzeugen, dass es bei den Armeefinanzen tatsächlich kein Problem gibt: «Aus finanzpolitischer Sicht ist alles in Ordnung», sagte Wyss und die anwesenden Medien schienen ihr mehr Glauben schenken zu wollen als Amherd am vergangenen Mittwoch.
Die Chefin des Verteidigungsdepartements (VBS) hatte erfolglos versucht, Zweifel über die finanzplanerischen Kompetenzen im VBS zu zerstreuen. Dass es mit Wyss nun ausgerechnet einer aufstrebenden Vertreterin der SP, der selbst deklarierten Armee-Abschaffer-Partei, gelingt, die VBS glaubhaft reinzuwaschen, ist nur eine der Abstrusitäten der letzten Wochen. Mit wenigen Worten hat Wyss das Wunder vollbracht, das «Milliardenloch» verschwinden zu lassen. Und bei manchen Journalisten spürte man die Sehnsucht nach einem Happy End. Ist jetzt alles wieder gut?
Neben Amherd wurde auch Armeechef Thomas Süssli von Wyss vorgeladen. Der Finanzchef der Armee sowie der Ressourcenchef des VBS waren genauso anwesend wie ein Vertreter der Eidgenössischen Finanzkontrolle, quasi die Revisionsstelle des Bundes. Sämtliche Fragen der Kommission zur Buchführung innerhalb der Armee seien in aller Transparenz beantwortet worden, sagte Wyss. Letztlich geht es um die Diskrepanz zwischen militärischem Anspruch und finanzpolitischer Wirklichkeit. Die Wunschliste der Beschaffungen ist vorübergehend grösser als die tatsächlich vom Parlament gesprochene Summe. Die Armee soll zwar mehr Geld bekommen, aber weniger schnell, als sie sich dies erhofft hatte.
Korpskommandant Süssli wollte offensichtlich auf diesen aus Sicht eines Armeechefs nicht haltbaren Zustand aufmerksam machen. Seine Ankündigung, in Zukunft auf Flugshows zu verzichten, hat ihre Schockwirkung nicht verfehlt, im Gegenteil. Das Aufschreckmanöver endete aber in einem kommunikativen Desaster.
Laut Wyss soll Amherd hiernach denn auch Fehler eingeräumt haben. So sei es falsch gewesen, von einem «Liquiditätsengpass» zu sprechen, liess Amherd die Finanzkommission wissen. Deren Präsidentin Sarah Wyss wurde am Freitag zur unfreiwilligen Mediensprecherin des VBS. Noch vor zwei Wochen sprachen sie und die SP von einem «Milliarden-Finanzdebakel». Je näher dann die Anhörung vom Freitag rückte, desto zurückhaltender wurde Wyss in den letzten Tagen.
Parlament hätte etwas merken müssen
Die Finanzpolitikerin hatte gute Gründe, nicht noch mehr Öl ins Feuer zu giessen. Mit ihren Kommissionskollegen übt sie die Oberaufsicht im Finanzbereich aus. Wyss selbst sitzt zudem in der fürs VBS zuständigen Subkommission. Spätestens hier hätte es auffallen müssen, wenn die Armee oder auch das Verteidigungsdepartement seinen finanziellen und vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr hätte nachkommen können. Und so bleibt am Schluss ein einziger, wenn nicht ganz unwesentlicher Vorwurf im Raum, dass die Armeespitze um Süssli schlecht kommuniziert habe. Wyss sprach von einer «bedauerlichen Kommunikation», die so nicht mehr vorkommen dürfe.
Zudem zeigte man sich in der Finanzkommission überrascht, dass die Armee im vergangenen Jahr ganz offensichtlich mit einer rascheren Erhöhung der Armeeausgaben geplant hatte, obwohl der Bundesrat schon Anfang 2023 entschieden hatte, den Anstieg um fünf Jahre zu erstrecken.. Sieht so ein Happy End aus? Aus finanzpolitischer Sicht seien jedenfalls keine weiteren Schritte geplant, sagte Wyss. Und Amherd hatte ihren neuen Staatssekretär nach München geschickt.