Rauchen wurde lange mit Kultiviertheit, Glamour und manchmal auch Macht assoziiert. Churchill und Bowie rauchten, Hockney tut es noch immer. Das Interesse der Künstler daran ist umso grösser geworden, je mehr es in Verruf geraten ist.
In nicht allzu ferner Zukunft wird in England die letzte Zigarette geraucht sein. Zumindest für eine bestimmte Altersgruppe. Der konservative Premierminister Rishi Sunak sieht vor, dass niemand, der in diesem Jahr 15 Jahre alt wird oder jünger ist, jemals Zigaretten kaufen kann. Eine Gesetzeshürde muss im Juni noch genommen werden, aber das schrittweise Inkrafttreten des Verbots gilt schon als sicher. Dann wird Grossbritannien das härteste Rauchverbot Europas haben. Bei seiner Umsetzung wird die Welt mit Interesse zusehen, wie bei dem anderen grossen britischen Experiment, dem Brexit.
Gesundheitsexperten begrüssen die Pläne der Regierung, das war zu erwarten, ebenso wie Protest von der Gegenseite. Boris Johnson und Liz Truss, zwei ehemalige Premierminister, sträuben sich dagegen. Die Konservativen sollten stattdessen hinter der «angelsächsischen Idee von Freiheit» zusammenstehen.
Johnsons Idol ist einer der prominentesten Raucher des Vereinigten Königreichs und vielleicht der ganzen Welt, Winston Churchill. Die Zigarre war das Lieblingsaccessoire des Politikers, sein Markenzeichen. Er rauchte zwischen acht und zehn davon am Tag, inhalierte kaum und kaute stattdessen auf den ausgebrannten Stummeln herum, was möglicherweise seiner Gesundheit diente, denn er wurde 90. «Wenn die Partei von Winston Churchill Zigarren verbieten will, dann ist das einfach nur verrückt», erklärte Boris Johnson.
Tatsächlich haben sich viele berühmte englische Gesichter in graue Rauchfäden gehüllt. Die Beatles und David Bowie rauchten, George Orwell quälte seine kranken Lungen mit seiner Nikotinsucht, und der Schauspieler Peter O’Toole sagte einmal, seine Vorstellung vom Himmel sei, von einem rauchgefüllten Raum in den nächsten zu wandern.
Das Topmodel Kate Moss, das Gesicht, das Grossbritannien von den späten achtziger Jahren an der Welt am liebsten zeigte, ist undenkbar ohne Zigarette. Moss verkörperte «Cool Britannia», die rebellische, hedonistische Seite ihres Landes. Heute produziert sie Wellnessprodukte, verkauft sich als Gesundheitsguru und raucht immer noch.
Der rauchgeschwängerte Buckingham Palace
Die erste Hälfte des vergangenen Jahrhunderts war das goldene Zeitalter der Zigarette. In den Schützengräben des Ersten Weltkriegs war sie handlicher als Pfeifen, und britische Firmen wie Imperial’s Players und Woodbine profitierten davon. Der Krieg hatte die Rauchgewohnheiten Englands verändert, in den zwanziger Jahren wurde die Hälfte allen Tabaks in Form von Zigaretten konsumiert. Die Hälfte der Bevölkerung der Industrieländer rauchte um 1950, und im Vereinigten Königreich lag die Zahl der männlichen Raucher bei achtzig Prozent.
Aus dem Königshaus gab es keine Kommentare zu dem bevorstehenden Gesetz. Die Korridore von Buckingham Palace müssen jahrhundertelang rauchgeschwängert gewesen sein. Die britische Monarchie blickt auf eine Ahnenreihe zurück, die eisern an ihrer Sucht festhielt: Als Prince of Wales verhalf der spätere King Edward VII of England dem Laster zur Popularität, er rauchte zwölf Zigarren und zwanzig Zigaretten am Tag und machte die Marke Benson & Hedges zum Hoflieferanten. Als er nach dem Tod seiner Mutter Queen Victoria mit 59 Jahren König wurde, soll er gesagt haben: «Meine Herren, Sie dürfen rauchen.» Er litt an chronischer Bronchitis und Lungenemphysem und starb 1910 nach mehreren Herzattacken mit 69 Jahren.
Der rauchende King George V starb 1936 nach einem Atemwegsinfekt. King George VI, der Vater der späteren Queen Elizabeth II, der an Lungenkrebs litt, starb 1952 mit 56 Jahren an einer arteriellen Thrombose. Die ebenfalls kettenrauchende Schwester der Queen, Princess Margaret, litt ihr Leben lang an verschiedenen Lungenerkrankungen, qualmte aber unverdrossen auch nach der Entnahme einer Biopsie weiter. Wenige Monate später hatte sie wieder ein Pensum von 30 Zigaretten am Tag erreicht und brach mit ihrer Gewohnheit angeblich erst nach ihrem ersten Schlaganfall.
Freiheit und Retro-Sexiness
Rauchen wurde lange mit Kultiviertheit, Glamour und manchmal auch Macht assoziiert. Im 20. Jahrhundert war vor allem die Zigarette ein Genussmittel, das mit Freiheit und Sex-Appeal zu tun hatte – speziell deshalb, weil Film und Werbung es so verkauften. Für Marlene Dietrich wurde es ein Symbol weiblicher Überlegenheit, für Humphrey Bogart ein zweiter Revolver, im Film noir und weit darüber hinaus schaffte das Gepaffe Raum für Atmosphäre. Und der britischste aller smarten Killer im Auftrag Ihrer Majestät, James Bond, war mit dem Rauchen so eng verbunden wie sein Schöpfer Ian Fleming. Neue Fernsehserien, wie zuletzt «Ripley», nehmen das Laster wieder auf, wie um noch einmal auf seine Retro-Sexiness hinzuweisen.
Eine rauchfreie Bohème, erklärte der Maler David Hockney seinem Freund Lucian Freud einmal, sei unmöglich. Weil Hockney so berühmt und schon über achtzig ist, werden seine Kampagnen für den Erhalt der Raucherkultur im Land mit einer gewissen Freude an seinem Rebellentum von jenen gefeiert, die sich im Kampf um liberale Bürgerrechte sehen. «Ich hasse Gordon Brown, ich hasse ihn wirklich», hatte Hockney gesagt, als die ersten Nichtrauchergesetze in England unter der Regierung des ehemaligen Premierministers 2007 in Kraft traten. Damals ging es um Rauchverbote an öffentlichen Orten und am Arbeitsplatz.
Für Englands Lieblingsmaler war das schon eine klare Beschneidung bürgerlicher Freiheitsrechte, allerdings im eigenen Interesse. «Rauchen beruhigt mich. Ich geniesse es. Ich will nicht, dass Politiker entscheiden, was aufregend ist in meinem Leben», argumentierte er. «Ich rauche seit sechzig Jahren, aber ich glaube, ich bin ziemlich gesund», sagte Hockney 2021. Er lebt und raucht immer noch, ein Gewinner im Lotteriespiel der Gesundheit.
Hockneys Künstler-Kollege Damien Hirst baute 2008 ein Kabinett mit Hunderten von Zigarettenkippen und nannte es «Dog Days». Ein anderes seiner Werke, «Home Sweet Home» (1996), zeigt einen mit Kippen gefüllten Aschenbecher. «Zigaretten sind teuer, gefährlich, und von dem Moment an, wenn man sie anzündet, sind sie der Tod. Jedes Mal, wenn ich eine Zigarette zu Ende rauche, denke ich an den Tod», sagte Hirst. «Happy Gas» nannte Sarah Lucas eine Werkschau in der Londoner Tate im vergangenen Jahr und bezog sich damit auf das Lachgas, das derzeit von britischen Jugendlichen aus kleinen silbernen Patronen als Droge konsumiert wird. Den letzten Raum füllte ein vollständig mit Zigaretten beklebtes, ausgebranntes Auto, «This Jaguar is Going to Heaven» (2018). Da war die Künstlerin, eine passionierte Raucherin, beim Thema Vergänglichkeit angekommen.
Die Verbindung von Puritanern mit Kreativität
Das Interesse der Künstler am Rauchen ist umso grösser geworden, je mehr es in Verruf geraten ist. In der Kunst ist es ein Emblem der Vergänglichkeit. Es geht darum, die Zerbrechlichkeit des eigenen Körpers und den Schrecken der Sucht anzuerkennen. Trotzdem wird man die meisten Künstler kaum im Lager der Antiraucher verorten.
Was uns umbringt, kann schön oder sublim sein, zumindest in der Kunst, im Film und in der Theorie. Und schliesslich wurden nur wenige Puritaner je mit Kreativität in Verbindung gebracht. Der langlebige Ire George Bernard Shaw, der mit 94 Jahren vom Apfelbaum fallen musste, um seinem Tod zu begegnen, bildet eine Ausnahme. Wie Grossbritanniens derzeitiger Premierminister Rishi Sunak lebte er vegetarisch und rauchte nicht. Shaw nannte die Zigarette «eine Prise Tabak, eingerollt in Papier mit Feuer an einem und einem Narren am anderen Ende».
Shaws Landsmann Oscar Wilde sah das anders: «Die Zigarette ist das perfekte Urbild des perfekten Genusses», schrieb der Kettenraucher, der auch beim Essen die Zigarette kaum aus der Hand legte. «Sie ist köstlich und lässt uns unbefriedigt. Was will man mehr?» Er hatte den todgeweihten Lustmoment der Zigarette erkannt, das Begehren, das sich in Rauch auflöst.