Der Star aus «M*A*S*H» und «Don’t Look Now» gehörte zu Hollywoods herausragenden Charakterdarstellern.
Man muss seine Regisseure hochschätzen, wenn man die eigenen Kinder nach ihnen benennt. Alle vier Söhne von Donald Sutherland tragen die Namen von Filmemachern, mit denen er einmal zusammengearbeitet hat. Die Beziehung zu seinen Regisseuren hatte für Sutherland etwas Leidenschaftliches, Intimes, wie eine Affäre, die irgendwann, egal, wie gut man sich versteht, schmerzlich zu Ende geht.
Nicolas Roeg und Robert Redford waren ihm besonders verbunden, auch der Franzose Frederic Rossif. Sutherlands ältester Sohn hat seinen Namen dem Regisseur Warren Kiefer zu verdanken, weil er dem Charakterkopf zu Beginn seiner Filmkarriere Mitte der 1960er Jahre eine winzige Rolle in einem Horrorfilm mit Christopher Lee gab – noch bevor Sutherland mit seinen grossen Ohren und dem berühmten schiefen Lächeln in Robert Aldrichs Kriegsfilm «The Dirty Dozen» zum ersten Mal alle Aufmerksamkeit auf sich zog.
Fellinis trauriger «Casanova»
Der 1935 geborene Kanadier war ein seltsam schöner, hochgewachsener Mann, der die Räume mit seiner Aura füllte, sobald er sie betrat. Er konnte urkomisch sein, wie in der Rolle des verrückten Hawkeye Pierce in Robert Altmanns «M*A*S*H» (1970), oder «die traurigste Figur unter Gottes Sonne» spielen, wie er es für Frederico Fellini in «Casanova» (1976) tat. Er hatte das Zeug zum grössten Liebhaber überhaupt.
Bis heute hält sich das hartnäckige Gerücht, Julie Christie und er hätten in der berühmten Sexszene in «Don’t Look Now» (1973) wirklich miteinander geschlafen. Aber Sutherland betonte gerne, er habe lediglich Nicolas Roegs präzise Regieanweisungen befolgt. Die Sequenz sei das Ergebnis eines virtuosen Schnitts.
Liebe, Kino, Politik – das gehörte bei Sutherland immer zusammen. Elegantes Konterkarieren war seine Kunst. Sein athletischer Körperbau verhalf dem am britischen Theater geschulten Schauspieler von vornherein zu einer stattlichen Präsenz, sowohl auf der Bühne als auch später vor der Kamera. Wie seine Co-Darstellerin und zeitweise Partnerin Jane Fonda in «Klute» (1971) war er in den 1970er Jahren ein leidenschaftlicher Vietnamkriegsgegner und avancierte mit seiner hippen Respektlosigkeit bald zu einem beliebten Symbol der Gegenkultur.
Kritischer Blick auf Amerika
In welche Richtung es bei ihm gehen würde, verriet auch sein Auftritt als mörderischer Faschistenführer in Bernardo Bertoluccis Bauern- und Klassenkampf-Epos «Novecento» (1976). Doch Sutherlands kritischer Blick blieb in erster Linie stets auf Amerika gerichtet. In «JFK» (1991) spielte er unter der Regie von Oliver Stone einen früheren hochrangigen Regierungsbeamten, der die innenpolitischen Machenschaften hinter Kennedys Tod in die Ermittlungen einzubringen versucht.
Auch im Alter wurden seine Rollen keineswegs gediegener. Der Schauspieler entwickelte sich im Kino und Fernsehen über die Jahrzehnte zu einer grauen Eminenz, deren Spezialgebiet aristokratische alte Löwen waren: Männer, die aus Geld und Verachtung gemacht schienen und die genau wussten, wie flüchtig Macht sein kann.
Für einen, der als Kind zunächst Bildhauer werden wollte, bis ihn die Spielwut packte, hat Sutherland sich mit jeder neuen Rolle ein enormes darstellerisches Repertoire erarbeitet. Die einzige Konstante in seinem Auftreten war, dass er zwischen Leidenschaft und Niedertracht, Stärke und Verletzlichkeit, Klugheit und Stumpfsinn wechseln konnte, je nach Bedarf. Und falls ihm doch mal etwas an Methode oder Technik fehlte, glich er etwaige Defizite mühelos mit einem bemerkenswerten Gespür für die feineren, tieferliegenden Töne im ewigen Ringen um Wahrheit und Glaubwürdigkeit aus.
Von Redford war er begeistert
Am besten erkannt hat das vielleicht Robert Redford, der ihm 1980 in seinem Familiendrama «Ordinary People» die Rolle des Vaters anvertraute, der sich mit dem Verlust eines Kindes auseinandersetzen muss. Sutherland selbst war begeistert, wie sensibel Redford das Zerbrechen dieser Familie inszenierte. Und er gönnte ihm den Oscar, auch wenn er trotz Nominierung als bester Schauspieler wie so oft leer ausging.
Warum Sutherland nie den ganz grossen Star-Ruhm erlangte, bleibt eine offene Frage. Nur eines ist sicher: Kaum ein anderer Schauspieler hat so viel Zeit und Kraft darauf verwendet, sich hartnäckig in seine Figuren und unsere Köpfe hineinzudenken und dennoch in den Rollen ein Rätsel zu bleiben – immer wachsam, immer neugierig, immer ein bisschen distanziert.
«Wenn es möglich wäre», sagte er einmal in einem Interview, «dann wäre ich als Schauspieler gerne die Entsprechung von Alberto Giacometti und seiner Kunst.» Die Dinge auf das Wesentliche, auf ihre ultimative Essenz zu reduzieren, ist sein grosser Traum gewesen. Er hat es zeit seines Lebens versucht. Am Donnerstag ist Donald Sutherland im Alter von 88 Jahren gestorben.